Bild: Nicolò Degiorgis

WUK am Zukunftshof

WUK work.space und Kunsthalle Exnergasse arbeiten auch am Wiener Stadtrand

Am südlichen Stadtrand von Wien liegt der um 1900 erbaute, ehemalige landwirtschaftliche Gutshof und Selbsterntebetrieb Haschahof im Favoritner Stadtteil Rothneusiedl. Nach einem durch zivilgesellschaftlichen Widerstand verhinderten Abriss dieses Gebäudekomplexes lancierte der Eigentümer Wohnfonds Wien 2019 einen Ideenwettbewerb zu dessen Nachnutzung. Das von einer vielschichtig motivierten Gruppierung an Menschen neu gegründete Projekt „Zukunftshof“ hat diese Ausschreibung gewonnen, mit ihrem Konzept für eine 25-jährige Zwischennutzung zu einem visionär angelegten neuen Stadtteil, einem Zentrum für Stadtlandwirtschaft und sozial-ökologisch orientierte Stadtteilentwicklung.

Der historische Ziegelbau auf dem 10.000 Quadratmeter großen Areal soll somit Produktionsstätte, Ort für Sozialprojekte und Bildungsprogramme für Initiativen und Betreiber*innen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft und landwirtschaftlicher Nahversorgung, sowie ein Nachbarschaftszentrum werden. Die ersten Schritte sind bereits gesetzt, die Zukunftshof-Genossenschaft wurde gegründet, es laufen die Planung und Finanzierung der Sanierung, einzelne Teilprojekte, Veranstaltungen sowie erste künstlerische Interventionen sind vor Ort sichtbar. Ein Versuch gelebter Utopie am Zukunftshof.

Der Gründung des Werkstätten- und Kulturhauses WUK vor rund 40 Jahren lag eine auch vielleicht utopische Idee zu Grunde, ein Gegenmodell zu den damals vorherrschenden gesellschaftspolitischen Zuständen und Entwicklungen zu etablieren. Diese Idee hat sich im Zeitlauf der Geschichte am Standort im neunten Wiener Gemeindebezirk und darüber hinaus in der Stadt zusehends materialisiert und professionalisiert. Es entstand eine große soziokulturelle Institution mit lokaler wie internationaler Ausrichtung. Im Zeitlauf der letzten Jahrzehnte hat sich diese Institution in ihren Facetten und unterschiedlichen Ausprägungen gewandelt, zugrunde liegt ihr aber immer noch dieser utopische Gedanke aus der Gründungszeit des WUK.

Als 2019 die Einladung an das WUK gerichtet wurde, sich mit seiner Gründungsgeschichte und Erfahrung an der Entwicklung und Umsetzung der Realutopie „Projekt Zukunftshof“ einzubringen, erschien das manchen vielleicht als kleines Déjà-vu. So formierte sich im WUK Neugierde und aktives Interesse, vierzig Jahre zeitversetzt in transformierter gesellschaftspolitischer Situation und ortsversetzt an den dynamischen Wiener Stadtrand, sich in die kollektiven Prozesse und Realisierung dieses in die Zukunft gerichteten, "etwas anders fokussierten" Zentrums in verlassener historischer Bausubstanz zu involvieren.

Das WUK wurde folglich Mitglied der Zukunftshof-Genossenschaft. Zwei Bereiche des WUK arbeiten seither auch am Zukunftshof, das Projekt WUK work.space von WUK Bildung und Beratung und aus dem WUK Kulturbetrieb die Kunsthalle Exnergasse.  

Jugendliche von WUK work.space am Zukunftshof

Jugendliche sammeln Berufserfahrung am Zukunftshof

Die Unterstützung von Menschen bei der Entwicklung persönlicher und beruflicher Perspektiven ist ein zentrales Anliegen von WUK Bildung und Beratung. Was liegt also näher, als Zukunftsfragen im Kontext des Zukunftshofes zu bearbeiten?

Mit WUK work.space erbringt seit 2021 eine Gruppe Jugendlicher unter fachlicher und sozialpädagogischer Anleitung Dienstleistungen, die gleichzeitig dem Aufbau des Zukunftshofs als auch der persönlichen Weiterentwicklung dienen. WUK work.space hat 2021 als vom Sozialministeriumservice geförderte AusbildungsFit-Maßnahme den Betrieb aufgenommen. Ziel ist die Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 24 Jahren am Übergang von der Schule in den Beruf.

Die am Zukunftshof stattfindenden Tätigkeiten werden zunächst Rodungsarbeiten am Hof, Abbrucharbeiten und das Entfernen des Schutts umfassen. In weiterer Folge sind gärtnerische und landwirtschaftliche Tätigkeiten sowie die Mitarbeit bei der Gestaltung der Gemeinschaftsflächen vorgesehen.

Eine besondere Synergie erwarten wir uns in weiterer Folge von der Zusammenarbeit mit den am Zukunftshof angesiedelten Betrieben. Über Praktika können Jugendliche Erfahrungen in unterschiedlichen Berufsfeldern sammeln und Betriebe haben Gelegenheit, potentielle Mitarbeiter*innen kennenzulernen. Die Einbindung in künstlerische und kulturelle Aktivitäten der Expositur der Kunsthalle Exnergasse rundet das Tätigkeitsspektrum von WUK work.space am Zukunftshof ab.

Künstler*innen-Residenzen am Zukunftshof

Die Kunsthalle Exnergasse mit ihren jahrelang erprobten Programmformaten, Arbeitsmethoden und internationalen Netzwerken war 2019 unmittelbar bereit, ein die Themen und Entwicklungsprozesse rund um den Zukunftshof aufgreifendes künstlerisches Programm zu formulieren. So entstand die Idee, unter dem Titel „KEX | Rand“ eine temporäre Dependance der Kunsthalle Exnergasse am Zukunftshof zu etablieren. Dependance meint hier vorerst die Initiierung und Organisation von regelmäßigen Künstler*innen-Residenzen an der Schnittstelle von Kunst/Urbanismus/Ökologie, mit inhaltlichem Fokus und kritischer Auseinandersetzung zu den Themen Stadt-Landwirtschaft und Stadterweiterung.

In Kollaborationen mit lokalen und internationalen Institutionen und Gruppierungen aus dem erweiterten Feld innovativer künstlerischer Praktiken und Forschung werden Künstler*innen für Projekte am Zukunftshof eingeladen. In diesem Zusammenhang ist eine längerfristig angedachte Kooperation mit Social Design Studio der Universität für Angewandte Kunst bereits eingeleitet.

Display von Nicolò Degiorgis am Zukunftshof

Unabhängig vom baulichen Sanierungsfortschritt am Zukunftshof sollen die künstlerischen Recherchen, Interventionen und interdisziplinären Kollaborationen, u.a. auch mit interessierten Betreiber*innen und Anrainer*innen des Hofes, die Dynamiken vor Ort aus künstlerischer Sicht aufgreifen und diese für die Öffentlichkeit auch erfahrbar machen. Längerfristig sind am Zukunftshof das Betreiben eines Artist-in-Residence-Studioraumes sowie der Aufbau eines themenspezifischen Archivs geplant. Die im Rahmen der Reihe "KEX I Rand" entstehenden Projekte werden sich im Ausstellungsraum der Kunsthalle Exnergasse im WUK widerspiegeln und programmatisch ergänzt werden.

Text: Klaus Schafler und Christoph Trauner, 2021

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