WUK am Zukunftshof
Am südlichen Stadtrand von Wien liegt der um 1900 erbaute, ehemalige landwirtschaftliche Gutshof und Selbsterntebetrieb Haschahof im Favoritner Stadtteil Rothneusiedl. Nach einem durch zivilgesellschaftlichen Widerstand verhinderten Abriss dieses Gebäudekomplexes lancierte der Eigentümer Wohnfonds Wien 2019 einen Ideenwettbewerb zu dessen Nachnutzung. Das von einer vielschichtig motivierten Gruppierung an Menschen neu gegründete Projekt „Zukunftshof“ hat diese Ausschreibung gewonnen, mit ihrem Konzept für eine 25-jährige Zwischennutzung zu einem visionär angelegten neuen Stadtteil, einem Zentrum für Stadtlandwirtschaft und sozial-ökologisch orientierte Stadtteilentwicklung.
Der historische Ziegelbau auf dem 10.000 Quadratmeter großen Areal soll somit Produktionsstätte, Ort für Sozialprojekte und Bildungsprogramme für Initiativen und Betreiber*innen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft und landwirtschaftlicher Nahversorgung, sowie ein Nachbarschaftszentrum werden. Die ersten Schritte sind bereits gesetzt, die Zukunftshof-Genossenschaft wurde gegründet, es laufen die Planung und Finanzierung der Sanierung, einzelne Teilprojekte, Veranstaltungen sowie erste künstlerische Interventionen sind vor Ort sichtbar. Ein Versuch gelebter Utopie am Zukunftshof.
Der Gründung des Werkstätten- und Kulturhauses WUK vor rund 40 Jahren lag eine auch vielleicht utopische Idee zu Grunde, ein Gegenmodell zu den damals vorherrschenden gesellschaftspolitischen Zuständen und Entwicklungen zu etablieren. Diese Idee hat sich im Zeitlauf der Geschichte am Standort im neunten Wiener Gemeindebezirk und darüber hinaus in der Stadt zusehends materialisiert und professionalisiert. Es entstand eine große soziokulturelle Institution mit lokaler wie internationaler Ausrichtung. Im Zeitlauf der letzten Jahrzehnte hat sich diese Institution in ihren Facetten und unterschiedlichen Ausprägungen gewandelt, zugrunde liegt ihr aber immer noch dieser utopische Gedanke aus der Gründungszeit des WUK.
Als 2019 die Einladung an das WUK gerichtet wurde, sich mit seiner Gründungsgeschichte und Erfahrung an der Entwicklung und Umsetzung der Realutopie „Projekt Zukunftshof“ einzubringen, erschien das manchen vielleicht als kleines Déjà-vu. So formierte sich im WUK Neugierde und aktives Interesse, vierzig Jahre zeitversetzt in transformierter gesellschaftspolitischer Situation und ortsversetzt an den dynamischen Wiener Stadtrand, sich in die kollektiven Prozesse und Realisierung dieses in die Zukunft gerichteten, "etwas anders fokussierten" Zentrums in verlassener historischer Bausubstanz zu involvieren.
Das WUK wurde folglich Mitglied der Zukunftshof-Genossenschaft. Zwei Bereiche des WUK arbeiten seither auch am Zukunftshof, das Projekt WUK work.space von WUK Bildung und Beratung und aus dem WUK Kulturbetrieb die Kunsthalle Exnergasse.
Die am Zukunftshof stattfindenden Tätigkeiten werden zunächst Rodungsarbeiten am Hof, Abbrucharbeiten und das Entfernen des Schutts umfassen. In weiterer Folge sind gärtnerische und landwirtschaftliche Tätigkeiten sowie die Mitarbeit bei der Gestaltung der Gemeinschaftsflächen vorgesehen.
Eine besondere Synergie erwarten wir uns in weiterer Folge von der Zusammenarbeit mit den am Zukunftshof angesiedelten Betrieben. Über Praktika können Jugendliche Erfahrungen in unterschiedlichen Berufsfeldern sammeln und Betriebe haben Gelegenheit, potentielle Mitarbeiter*innen kennenzulernen. Die Einbindung in künstlerische und kulturelle Aktivitäten der Expositur der Kunsthalle Exnergasse rundet das Tätigkeitsspektrum von WUK work.space am Zukunftshof ab.
Unabhängig vom baulichen Sanierungsfortschritt am Zukunftshof sollen die künstlerischen Recherchen, Interventionen und interdisziplinären Kollaborationen, u.a. auch mit interessierten Betreiber*innen und Anrainer*innen des Hofes, die Dynamiken vor Ort aus künstlerischer Sicht aufgreifen und diese für die Öffentlichkeit auch erfahrbar machen. Längerfristig sind am Zukunftshof das Betreiben eines Artist-in-Residence-Studioraumes sowie der Aufbau eines themenspezifischen Archivs geplant. Die im Rahmen der Reihe "KEX I Rand" entstehenden Projekte werden sich im Ausstellungsraum der Kunsthalle Exnergasse im WUK widerspiegeln und programmatisch ergänzt werden.
Text: Klaus Schafler und Christoph Trauner, 2021