Vergessen (2): Und die Landschaft in einem Luftballon
Das Interesse für Zustände im Alter, Erfahrungen mit Menschen mit Demenz und die Zuneigung zu Momenten der Einsamkeit, all das hat Stefan Ebner und das von ihm kompostierte Theaterkollektiv Material für die nächste Schicht veranlasst, nach dem künstlerischen Potential, das im Vergessen (Demenz) und dem Vergessen werden (Einsamkeit) steckt, zu suchen. Und sie haben Rückzugs- und Fluchtorte entdeckt, voll Tragik und Poesie, aber auch Komik und Mitgefühl.
In Vergessen: und die Landschaft in einem Luftballon gehen Konventionen verloren, erleben Gegenstände Transformationen, wird Gewohntes verschoben, wird Neues entdeckt und zusammengesetzt und in Bildern erzählt – vom ewigen Potential im Leben, weil es immer noch weitergeht, und erst am Ende ist, wenn es am Ende ist.
Vergessen (1) und (2) ist ein künstlerisches Experiment, das im Sinne von Nachhaltigkeit mit denselben Themen, derselben Ausstattung (Bühne, Kostüm, Requisiten) und denselben Beteiligten versucht zwei Theaterarbeiten zu entwickeln: eines, das sich vorwiegend an Kinder richtet (Vergessen (1): 15 Eimer Sauerkraut mit Rutsche) und eines, das sich vorwiegend an Erwachsene richtet (Vergessen (2): und die Landschaft in einem Luftballon).
MfdnS
"Material für die nächste Schicht" (MfdnS) ist ein von Stefan Ebner kompostierter (it’s about composting, not composing), fluider, radikal-naiver Theater-Prozess, der freitheitsliebend und kindlich dem kreativen Chaos frönt und das gesamte angekarrte und aufgehäufte Material phantastisch bis ins Utopische transformiert und durchgesiebt - bevor es in Form von Performancetheater ausgebracht wird.
Die ganze Welt ist Material, alles landet am kollektiven Komposthaufen, der im Kreationsprozess abgedeckt wird, zurückgezogen in der Dunkelheit wird verarbeitet, wird gesucht nach dem Unbekannten und eingetaucht in das Ungewisse – daraus entsteht anderes Material, ein anderer Stoff, Substrat auf dem hoffentlich wieder etwas Neues wachsen/entstehen kann, sowohl beim Publikum als auch bei den Künstler*innen selbst. Die künstlerische Kompostierung ist ein ständiges Gespräch mit sich und mit der Außenwelt, der Gesellschaft, der Natur.
MfdnS liefert Material, Impulse für die Nachkommenden, Anstöße für Assoziationen und Phantasie.
MfdnS steht für einen stetigen und unaufgeregten Transformationsprozess, planlos und nicht zielgerichtet, der sich unbekümmert ausbreitet, und einerseits Selbstzweck (Kunst braucht keine Berechtigung, sie ist immer relevant – oder nie), andererseits Selbstaufgabe (die*der Künstler*in will der Allgemeinheit etwas geben, zur Verfügung stellen) ist.
MfdnS ist ständig am Verarbeiten, ist ein lebender Organismus, der nicht weg zu kriegen ist (da kann man sich noch so mit Herbi-, Fungi- oder Pestiziden bemühen).
MfdnS will nichts von den Zuschauer*innen und will auch nichts erreichen bei den Zuschauer*innen, sondern etwas für freien Verfügung stellen, etwas lostreten, einen neuen Prozess.
MfdnS glaubt an die Phantasie und die Assoziationskraft des Publikums und an deren kreatives, sowie rationales Potential.
MfdnS ist ein sinnlicher Trip.
MfdnS will nichts erklären und noch nicht einmal etwas erzählen, sondern etwas entstehen lassen.
MfdnS hätte auch Knall und Tüte, Anarchie und Liebe, Jenseits von allem, Alle Achtung, oder live from other planets, Weiche Eier oder National Park Theater, oder Programmiertes Scheitern, Nix für ungut, oder ALL DAS NICHT heißen können. (und: Material für die nächste Schicht ist ein Songzitat von Einstürzende Neubauten) -
Text: Stefan Ebner