God's Entertainment: Neue Europäische Tragödie - Teil III
2018. Das Jahr des Untergangs. Denn es geht um Österreich!, ein Land im Herzen Europas, wo allem Anschein nach eine Lücke zwischen dem subjektiven Gefühl der Sicherheit und der objektiven Sicherheit geschlossen werden muss. Was braucht nun dieses Land? Österreich braucht so viel Liebe. Es ist just das traurigste Land der Welt, vom Untergang bedroht, das zweitreichstes Land Europas, das schon, aber viel ärmer dran und viel gefährdeter als Afghanistan, wo die Menschen um mehr Freiheit kämpfen, als Syrien, wo die Menschen verrecken, als die vielen anderen Länder, für die Österreicher_innen ein Herz haben könnten, wenn sie eines hätten, aber sie hatten leider keine Zeit, sich eines wachsen zu lassen, weil sie ja immer so traurig und vom Untergang bedroht sind und weil sie, die sie seit gefühlten Jahrhunderten von niemandem angegriffen worden sind und immer nur andere mit angegriffen haben, sich nun endlich wehren müssen. Österreich! nennt sich auch das Land des „Wir“ für alle, aber nur für alle, die so sind wie „wir“. „Wir“ haben Kreuze in den Klassenzimmern und geben Frauen die Hand, und alles andere ist ein Angriff auf „Wir“, „Heimat“ und „Leitkultur“. „Wir“ täten die anderen schon mögen, auch wenn sie ganz anders sind als „wir“, aber nur, wenn sie so werden wie „wir“. „Wir“ halten nichts von Demokratie. Wenn „wir“ schon einen eigenen Staat haben, dann können „wir“ uns auch die Bürger_innen aussuchen. „Wir“ sehen unsere Zukunft, nur wenn sie Zukunft der Nation ist.
Die neue europäische Tragödie seit dem Jahr 2000 zählt über 35.000 registrierte Migrant_innen und Asylsuchende, die auf dem Weg nach Europa ums Leben gekommen sind. Europa als Zuschauer dieser tragischen Summe und die Ängste der europäischen Bürger_innen wurden in Teil 1 und 2 der Trilogie N E T (Neue Europäische Tragödie) verhandelt; im dritten Teil ihrer künstlerischen Forschungsreise widmen sich God’s Entertainment einem neuen Kapital: Sicherheit und Hoffnung.
Was ist Sicherheit? Die bloße Abwesenheit von Furcht und Migration, oder vielmehr die Teilnahme an demokratischen Entscheidungen und politischer Gestaltung jenseits des Nationalstaats? Sind diese Rechte gesichert, und kann man sie uns auch wieder wegnehmen? Teil 3 der Neuen Europäischen Tragödie zeichnet die aktuelle Entwicklung des Sicherheitsbegriffs aus realpolitischer und künstlerischer Perspektive nach. Dabei berücksichtigen God’s Entertainment insbesondere die akute innenpolitische Sicherheitslage und die daraus resultierende Unsicherheit der österreichischen Bevölkerung. Während die eine möglicherweise in eine rechtspopulistische Propaganda mündet und zu einem fremdfreien Schutzbunker wird, ist die andere ein Code der Gehorsamkeit der Zivilgesellschaft, der von uns dechiffriert und neu generiert wird.
Anhand einer Behauptungslogik, die ihnen sowohl Fiktion als auch Realität im künstlerischen Schaffen erlaubt, bieten sie allen schutzsuchenden Wiener_innen abendländischen Komfort in einem vorübergehenden Bunker im WUK, denn außerhalb tobt der Kampf um Sicherheit, der aber nur per live Schaltung zugeschaltet wird. Ab Dezember sind die Schutzräume offen für alle Österreicher*innen und keine Ausländer. Sicherheit frei! Sowohl thematisch als auch technisch gestalten sind die Schutzräume, wie in einem surrealen Traum, in dem die Schützlinge eine adäquate Collage aus Unwissen und Ängste der besorgten Bürger_innen zusammensetzen. Partizipieren bedeutet gleich eine Unsicherheit mitbringen.
Über die Beteiligten
God’s Entertainment forschen interdisziplinär und in wechselnden Besetzungen an verschiedensten politischen und sozialen Themen unserer Zeit.
Sie zitieren so reichlich und ausufernd aus unser aller Popkulturwelt, dass die Bezüge prasseln wie bei den Simpsons. Man kann sich der Faszination und der Energie der Performances von God’s Entertainment nur schwer entziehen, immerhin fahren sie alles an Mitteln auf, was gegenwärtig zum ABC der Theateravantgarde gehört, sie manipulieren und verführen das Publikum, wo es nur geht. Dass nicht jede_r Zuschauer_in immer alles aufnehmen kann, wird bewusst in Kauf genommen: so überlagern sich Eindrücke, Bilder, Musik und Video zu eindrucksvollen und emotional dichten Theatererlebnissen, die sowohl für Theaterneugänger_innen, als auch für gewiefte Theaterwissenschaftler_innen reichlich Diskussionsstoff bieten. Ihre Arbeiten ernten Aufsehen, wie der HUMAN ZOO, der u.a. zum Donaufestival eingeladen war. Sozialausgegrenzte wurden aus dem Schatten in den Käfig beförderte – die Besucher_innen wurden so unmittelbar mit ihren eigenen Ressentiments konfrontiert.
Zur Unterhaltung der Götter ist dieses Theater wohl wenig geeignet; die wollen doch eher adoriert werden und nicht provoziert. Die Götter hassen jede aufklärerisch-kritische Aktion, weil damit ihre Macht geschwächt wird. Da fangen die Schwierigkeiten schon an, beim Versuch, God's Entertainment zu beschreiben, sie in irgendeinen vertrauten Zusammenhang zu stellen.