Elias Canetti: Die Affenoper
„Die Affenoper“ von Elias Canetti ist ein unveröffentlichter Text, den der spätere Literaturnobelpreisträger Canetti im Jahr 1950 verfasst hat. Ursprünglich als Opernlibretto konzipiert, konnte der Prozess um die musikalische Form und Realisierung zu Canettis Lebzeiten nicht abgeschlossen werden. Mit Erlaubnis von Johanna Canetti unter Federführung von Kristian Wachinger (Canetti Stiftung in Zürich) stellen die ersten Absolvent_innen des Universitätslehrgangs Angewandte Dramaturgie der mdw Wien nun ihre Auseinandersetzung mit dem Werk als szenische Lesung mit Musik vor.
Ausgehend von Canettis Auseinandersetzung mit der Entwicklung und Mobilisierung von Gruppen, mit den Mechanismen der Propaganda und der daraus resultierenden Massenhysterie, wie in seinem Standardwerk „Masse und Macht“ (1960) eindrucksvoll beschrieben, thematisiert auch „Die Affenoper“ Aufstieg und Fall eines faschistischen Regimes.
Ein dressierter Zirkusaffe verlässt mit zwei gestohlenen Geldkoffern seinen Arbeitsplatz. Als Mensch verkleidet, aber stumm verteilt er das Geld an die Menschen, die ihm begegnen, und schon ist ein neuer Messias geboren. Sofort findet sich ein Sekretär, der die Dinge beflissen in die Hand nimmt, eine liebende Freundin, die nur seine gute Seele sieht, Eltern, die den geliebten Sohn nach Jahren endlich wieder in die Arme schließen wollen, aber auch Präsidenten, Ärzte und Hoteliers, die schon lange wissen, dass Frauen an den Herd gehören und Fremde nicht ins Land. Und immer wieder jubelt das Volk – bis die Maske fällt: des Kaisers neue Kleider...
Die Sehnsucht nach dem starken Führer, die Heilserwartung die durch ihn ausgelöst wird, aber auch die Blindheit derer, die ihm folgen, das Nicht-sehen-wollen, -können und -dürfen, die Rolle der Mitläufer_innen, der Profiteur_innen und der Trittbrettfahrer_innen, all das findet sich in Canettis dramatischer Studie zu Populismus, Mob und Kapital wieder. Siebzig Jahre nach seiner Entstehung scheint die Zeit reif, diesen bestürzend aktuellen Text auf die Bühne zu bringen.
Die Beteiligten
Dramaturg_innen sind Beobachter_innen und Vermittler_innen in Musik und darstellender Kunst. Sie konfrontieren sich und andere mit der Arbeit an der kollektiven Ästhetik und den Inhalten in Musik und in den darstellenden Künsten. Der Universitätslehrgang für angewandte Dramaturgie unterstützt die Studierenden in ihren Ideen- und Projektentwicklungen und deren Umsetzung in der gegenwärtigen künstlerischen dramaturgischen Praxis, in allen Bereichen der Musik und der darstellenden Künste: Konzert, Musiktheater, Schauspiel, Performance, Tanz und hybriden Kunstformen.
Matthias Gruber, geboren und aufgewachsen in Wien, befindet sich derzeit im Masterstudium der Musikwissenschaft an der Universität Wien und absolviert parallel dazu den neu gegründeten Lehrgang der Angewandten Dramaturgie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Als Chorsänger wirkte er in verschiedenen Opernproduktionen mit und ist seit 2017 Studienassistent am Institut für Musiksoziologie, ebenfalls an der mdw.
Dominik Grünbühel studierte zeitgenössischen Tanz in Wien und London sowie digitale Kunst in Wien. Er arbeitet als Performer und realisiert eigene künstlerische Projekte.
Valentin Kugler, geb. 1990 in Wien, drehte während des Studiums der Rechtswissenschaften Kurzfilme und realisierte eigene Theaterprojekte, u.a. Thomas Bernhard, Ritter Dene Voss (2012) und Edward Bond, Gerettet (2013) im Theater Brett. Zuletzt inszenierte er im Dezember 2018 William Shakespeare, Die Fremden im Cafe Europa.
Stefanie Prenn studierte Cello in Wien und Amsterdam. Sie ist Mitglied des Ensembles Platypus und des exxj. Rege Konzert - und Unterrichtstätigkeit im In - und Ausland. Seit 2016 ist sie Assistentin in der Klasse von Reinhard Latzko an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. 2017 Beginn des Studiums „“Angewandte Dramaturgie“. Seither arbeitete sie als Dramaturgin in Berlin und Wien.
Martina Raab hat Klavierpädagogik und Musikvermittlung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz studiert. Sprecherausbildung bei Tatjana Lackner. Weitere Ausbildungen in Kulturmanagement & an der Katholischen Medienakademie Wien.
Monika Robescu (komponierte die Songs, Architekt, Papagei) studierte Alte Musik und Musiktheorie an der mdw in Wien, weiters "Aktuelle Musik" an der HfM Nürnberg bei Prof. Jeremias Schwarzer. Langjährige Arbeit im Bereich experimenteller Literatur, Veranstaltungskonzepte im Bereich Darstellende Kunst/ Literatur und Musik u.a. für die "Villa Concordia", Kunstpalais Erlangen, Haus der Staatsgeschichte Waiblingen. Momentan Studierende des Universitätslehrgangs A!Drama an der mdw.
Selina Ströbele arbeitet seit ihrem staatlichen Schauspieldiplom 2012 als freischaffende Schauspielerin und Sprecherin. Aktuell ist sie als Gastsolistin an der Wiener Staatsoper in "Die Weiden" sowie "Orlando" engagiert und tourt mit Georg Kreislers "Heute Abend: Lola Blau. Ein Musical für eine Schauspielerin" im deutschsprachigen Raum. Weitere Infos auf www.selinastroebele.com
Alice Voith – interdisziplinär ausgebildet zur promovierten Theaterwissenschaftlerin, rechtswissenschaftlichen „Masterin“ (nein, das schließt sich nicht aus!) und Schauspielerin, fügt sich all dies, im Zusammenspiel mit beruflichen Erfahrungen in PR und Marketing, Urheber- und Lizenzrecht sowie Journalismus, im weiten Feld der „Dramaturgie“ zusammen.
Fani Vovoni wurde in Athen geboren. Studium der Violine in Klagenfurt, Wien und Salzburg. Intensive Auseinandersetzung mit der historischen Aufführungspraxis und der neuen Musik. Zusammenarbeit mit verschiedenen Ensembles - Auftritte bei zahlreichen renommierten Festivals in ganz Europa, Amerika und Asien. Zur Zeit absolviert sie den Lehrgang für angewandte Dramaturgie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
Kristian Wachinger, Übersetzer und Lektor, seit 2003 Herausgeber von nachgelassenen Werken Elias Canettis, seit 2017 Stiftungsrat der Canetti Stiftung, Zürich. 2018/19 Fellow am IFK, Wien. 2019/20 Lehrauftrag für Arbeit am Text im Rahmen des Studiengangs Angewandte Dramaturgie an der MDW, Wien. Herausgeber der kritischen Gesamtausgabe der Werke Elias Canettis.