Digital III - Generativ
Das dritte Kapitel unserer Schwerpunktreihe widmet sich unter dem Titel GENERATIV der schöpferischen Kraft und der Eigendynamik digitaler Systeme. Hier gelten eigene Regeln: Das Kontinuum der physischen Realität wird in abstrakte Informationen, in diskrete Werte übertragen, das Stoffliche wird zum Text. Es entsteht eine Art Parallelwelt ohne Ambivalenz, ohne fließende Übergänge, ohne verschwimmende Grenzen. In dieser Welt ist es möglich, absolut gültige Gesetze zu etablieren, nach denen klar definierte Prozesse abzulaufen haben. Nach bestimmten Regeln generieren digitale Systeme neue Daten und nehmen diese wiederum als Grundlage für weitere Berechnungen. Auf diese Weise erweitern sie ihre eigenen Möglichkeiten ins potenziell Unendliche. Es scheint mittlerweile, als könne so gut wie alles, jedes Bild, jeder Klang und jeder Text von Maschinen simuliert werden.
Mit den digitalen Technologien wurde gewissermaßen die „Schöpfung“ imitiert: es wurde etwas erzeugt, das wiederum erzeugen kann. Die Ergebnisse dieser Prozesse übersteigen jedoch die Fantasie und Kontrolle ihrer Schöpfer:innen. Vielleicht können wir von Glück reden, dass unsere Maschinen nicht auf Haltbarkeit ausgelegt sind, ganz entsprechend den Vorgaben des marktwirtschaftlichen Systems, das sie hervorgebracht hat.
Johan Nane Simonsen
Mit DIGITAL widmet die FOTOGALERIE WIEN ihre neueste Schwerpunktreihe einem Thema, das unser gesamtes Zeitalter prägt. Es ist keine Fiktion mehr, über Arbeiter:innen zu spekulieren, die den größeren Teil ihrer wachen Lebenszeit mit den Augen auf Bildschirme geheftet verbringen. Der Erdball rotiert unter einem Netz von Satelliten, die kontinuierlich Fotografien von seiner Oberfläche herstellen. Fast jede:r von uns hat einen Computer in der Hosentasche, wir alle werden überwacht, vermessen und in Zahlen ausgedrückt – Null und Eins. Für die Fotografie hatte die Digitalisierung weitreichende Folgen. Manche haben sogar ihren Tod ausgerufen. Aber umgekehrt haben sich fotografische Bildverfahren zu einem wichtigen Prinzip in unserer digitalen Lebenswelt entwickelt. Fotografien werden in nie dagewesener Zahl angefertigt und konsumiert. Über kleine grelle Bildschirme werden Fotografien zur Schnittstelle zwischen Algorithmen und unseren Emotionen, Begierden, Ängsten und Träumen.
Wir wagen es, einen Blick auf diese Gegenwart zu werfen und werden in drei Ausstellungen zum Thema DIGITAL einen Abriss über die neuen Technologien und die Reaktionen von Künstler:innen darauf präsentieren. Mit ihnen versuchen wir, das Ungreifbare zu erspüren und seine Potentiale und Gefahren einzuschätzen.