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sprache begegnet uns im theater für gewöhnlich in gesprochener form. spieler:innen, die texte zueinander oder zum publikum sprechen, audioaufnahmen, die sich über lautsprecher an uns wenden, eventuell ein gesungenes lied. schrift ist in dieser konstellation die vorform von theater. was passiert, wenn sie auf die bühne geholt wird?
die rezeption von schrift – das lesen – geschieht oft alleine. in piece for drumset and powerpoint wird diese tätigkeit vergemeinschaftlicht. eine großformatige powerpointpräsentation projiziert den text des stückes, der nicht vorgetragen wird, sondern gelesen werden muss. jede person im publikum ist teil der lesenden gruppe. in ebenjenem moment, indem ich das wort „mess“ lese, lesen es auch etliche andere augen. die gleichzeitigkeit kann jedoch nicht zur synchronität werden; zu unterschiedlich sind die lesegeschwindkeiten, die wahrnehmungen des publikums. somit wird jedes wort im moment der projektion vielfach aufgefächert und reflektiert, prallt von einer person zur nächsten und erzeugt so eine vielfalt an bedeutungen.
trotz dieser vielfalt gibt es selbstverständlich den einen schriftlichen ausgangspunkt, die powerpointpräsentation. paradoxerweise hat die schriftsprache hier allerdings nicht die funktion, etwas zu fixieren. sie eröffnet lücken, sowohl im übertragenen als auch im buchstäblichen sinn, in denen sich das publikum ausbreiten und es sich (gemeinsam mit den eigenen worten und gedanken) gemütlich machen kann.
soviel zur schrift. was ist nun das verhältnis von schrift und text?
meine beschäftigung mit text im theater geht von zwei grundlegenden annahmen aus:
.) text entsteht (wie theater) erst in der rezeption. die inszenierung eines theaterstücks ist das, was während der proben entsteht. eine theateraufführung ist es erst, wenn publikum zugegen ist; ähnlich gehe ich auch von einem textbegriff aus, der die entstehung des textes auf der seite der rezeption verortet. in gewisser weise ruht ein text bis zu dem moment, in dem er auf augen oder ohren trifft und so aktiviert wird. demnach ist eine aufführung nicht ein auf-die-bühne-heben eines fertigen textes, sondern vielmehr dessen realisierung.
.) text ist nicht etwas, das abstrakt existiert, sondern nur als konkretes material. der etymologische faden von text zu lat. textus (gewebe, textur) führt in diese richtung. diese annahme geht hand in hand mit der ersten: wenn der text erst in der rezeption entsteht, ist er von seiner materialität abhängig, da er nur durch diese materialität rezipiert werden kann. somit ist die titelgebende powerpointpräsentation nicht etwa das medium, in dem der text präsentiert wird; sie ist selbst text.
der text der aufführung von piece for drumset and powerpoint ist nicht hinter der schrift, sondern in der schrift und ihrem lesen zu suchen. es gibt daher an diesem abend so viele texte, wie es lesende personen gibt. durch den gemeinsamen schriftlichen ausganspunkt bleibt es trotzdem eine kollektive erfahrung, in der sich die vielen möglichen bedeutungen zu einem großen gemeinsamen ganzen zusammenfügen.
es gibt momente im stück, in denen die schrift flüchtig wird, zu schnell, zu klein, zu unleserlich. das sind keine momente, die den blick auf den text hinter der schrift versperren; diese unleserlichkeit ist der text. um eine analogie zum begriffspaar inszenierung/aufführung zu ziehen: die schrift ist die inszenierung, die erst im konkreten gelesenwerden durch das publikum zur aufführung wird. der text ist nur genau das, was gelesen werden kann. mitunter ist das fast gar nichts – kein problem. wenn der text zu textur wird, sind seine fäden möglicherweise umso deutlicher zu erkennen.