Selbstoptimierungsindustrie
Die neue Produktion von toxic dreams heißt "Happiness Ltd.", es geht um das Glücklichsein. Warum das Thema Glück und was hat dies mit einer Kapitalgesellschaft (= Ltd.) zu tun?
toxic dreams: „Happiness Ltd.“ ist der erste Teil einer geplanten Serie über die Selbstoptimierungsindustrie. Wir müssen uns ja ständig verbessern in allen Lebensbereichen. Glücklich zu sein, glücklicher zu werden, positiv zu denken und zu handeln, ist die Grundlage dafür, der Glücklichkeitskurs ist sozusagen der Grundlagenkurs für alle Folgekurse der Selbstverbesserung. Wir erhalten zahllose Anleitungen, Unterstützungen, Tipps und Tricks zum Glücklichsein, von Expert_innen, Therapeut_innen, Wissenschafter_innen, Influencer_innen, in Apps, Büchern, Vorträgen, Social und traditionellen Medien. Bis ins vorige Jahrhundert waren dafür Religion und Spiritualität zuständig, heute haben wir einen riesigen Industriekomplex dazu.
Für die Entwicklung zeichnen sich Markus Zett, Susanne Gschwendtner, Isabella Händler, Anat Stainberg, Anna Rot, Florian Tröbinger, Stephanie Cumming, Michael Strohmann und Yosi Wanunu verantwortlich. Wie können wir uns die Zusammenarbeit vorstellen?
toxic dreams: Wir haben uns einen vom Probenprozess abgekoppelten gemeinsamen 3-wöchigen Suchprozess mit der gesamten Gruppe erlaubt, in dem vorab recherchiertes Material aller Art in der Gruppe diskutiert und ohne vorhandenen Text oder Zielvorgabe ausprobiert wurde. Das ist ein recht komplizierter Prozess, denn alle müssen ihre eigene individuelle Position und gleichzeitig als Gruppe einen Verfahrensmodus des Verdichtens finden. Gerade dieses Thema macht es noch schwieriger, denn es betrifft jede und jeden persönlich und führt schnell einmal zu Befindlichkeitsdebatten. Im Grunde war es ein Versuchsballon, eine spezifische Arbeitsmethode für den gesamten kommenden Zyklus zu entwickeln, die wir weiter entwickeln werden.
"Happiness Ltd." zeigen wir diesmal im Projektraum und wissen bereits, dass ihr ein recht intimes Setting geplant habt. Was wird uns da erwarten?
toxic dreams: Die Tatsache dass der Projektraum ein nicht-theatraler Raum ist hat das Format stark beeinflusst. Wir haben hier eher die Situation einer Zusammenkunft, einer semi-akademischen performativen Konversation mit künstlerischen Eingriffen. Die toxischen Performer_innen spielen hier auch keine Charaktere, sondern borgen unterschiedlichen existierenden Positionen im Diskurs um Glück und Glücklichsein ihre Stimmen.
"Happiness Ltd." ist Teil des Rashomon Zyklus - könnt ihr mehr zu diesem Zyklus verraten?
toxic dreams: Akira Kurosawas Film „Rashomon“ handelt von unterschiedlichen Erzählvarianten desselben Ereignisses, von der alle Erzählenden die Wahrheit für sich reklamieren. Das Phänomen wurde in der Folge als „Rashomon-Effekt“ in den akademischen und künstlerischen Diskurs integriert. Im „Rashomon“-Zyklus setzen wir uns somit den Schwerpunkt des komplexen und dialektischen Prozesses der Wahrheitsfindung und der Multiplizität von Stimmen, Haltungen, Ideologien, Standpunkten. Im Zyklus werden mehrere Fadenenden von vorherigen Zyklen miteinander verknüpft, aus dem „Politischen Zyklus“ Mitte der 2000er Jahre mit einem Schwerpunkt auf Daten und Faktischem auf der Bühne und einem kühleren Performancestil mit dem letzten Zyklus über Narration und einer bisweilen überbordenden theatralen Fantasia.