In jeder Krise kommen sie aus ihren Löchern gekrochen. Die Prediger, die Wissenden, die Heilsbringer… zaghaft meldet sich dann auch die Kirche, nennen wir sie die oberste Instanz der Heuchelei, zu Wort.
Nun, meine persönliche Krise hat leider schon vor Corona ihren Lauf begonnen, aber die Corona-Krise hat mir den Weg zum Licht natürlich massiv erschwert, hat ihn verlängert. Warum? Ich glaube eben nicht an Institutionen, die Kirche und ich gingen schon vor Jahrzehnten getrennte Wege, und auch Menschen, die für alles die passende Lösung parat haben, sind mir suspekt. Mein Weg aus persönlichen Krisen war immer das, was mir die Religion ersetzt hat: Kultur im weitesten und Musik im engsten Sinne. Die Menschen, die meine Interessen teilen und mich alleine dadurch besser verstehen als die Prediger, die Konzerte, die mich für Stunden in eine andere Welt gebeamt haben, im besten Falle mehrere Tage nachhallen.
Das sind meine Werkzeuge, meine Anker im Leben. Und eben das hat mir Corona genommen.
Und dabei bin ich, obwohl ich vorbelastet in die Krise geschlittert bin, ein Gewinner. Einen, den es nur halb so schlimm getroffen hat wie viele meiner Freund_innen. Ich bin ein sogenannter "System-Erhalter". Wie sehr hasse ich dieses Wort. Ich habe einen Job! Wäre nicht jede_r gerne ein System-Erhalter, wenn man ihn nur ließe? Also klatscht einmal für die, die um ihre Existenz bangen und zum Nichtstun verdammt sind. Wenn ihr denn schon unbedingt klatschen müsst… Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Gesellschaft durch die Krise zusammenrückt. Das mag punktuell stimmen, aber in der Realität des Lebens dividiert sie auseinander. Ich weiß, man will gerade in Krisen auch was Gutes finden. Aber wenn man sich das Gute um drei Ecken konstruieren muss, ist es nicht da. Sorry, but take it.
Aber ich schweife ab. Zurück zum Ursprung. Der Weg durch und aus der Krise. Für mich waren es immer wieder bestimmte Künstler_innen, Musiker_innen, Platten, die jedes Mal auf meinem Plattenspieler landen, wenn es brennt oder die Sonne gerade extra hell scheint. Viele Künstler_innen und Bands begleiten mich schon mein ganzes Leben. Und dann gibt es da noch den einen, der scheinbar wie durch Zauberhand immer die richtige Platte zur richtigen Zeit raushaut. Und so gibt es ihn doch für mich, den Einen, den "Personal Jesus", der mich doch noch zum Gläubigen werden ließ. Und er kommt aus einem australischen Nest Namens Warracknabeal und hört auf den Namen Nick Edward Cave. Und weil er immer weiß, was ich gerade brauche, um durch schwierige, schöne und außergewöhnliche Zeiten zu kommen, hat er auch im Vorjahr genau die richtige Platte für mich veröffentlicht. Geleitet vom eigenen Schmerz, aber stehts das Licht und die Erlösung im Auge. Die Worte so universell umdeutbar, dass sich jede_r darin wiederfinden kann, wenn er nur will. Und als hätte er geahnt, dass der Welt in Kürze Schlimmes bevorsteht, hat er es diesmal nicht bei einer Platte gelassen, sondern auch noch eine Form gefunden, um mit seinen Fans in sehr persönlichen Kontakt zu treten. The Red Hand Files. Ursprünglich natürlich zur eigenen Therapie ins Leben gerufen, ist diese Plattform mittlerweile für viele seiner Jünger (ja, das bin ich) eine echte Lebenshilfe geworden. Die Menschen glauben ihm, sie nehmen seinen Rat an, und lassen sich leiten… Und auch ich will ihm glauben. Und ist das Wollen nicht der Grundsatz jeden Glaubens? So wurde ich doch noch Mitglied einer Kirche. Der Church of Cave. Und so gehen wir gemeinsam durch die Krise und ich weiß, am Ende wird er auf mich warten. Und mit ihm meine Freund_innen, meine Musik, die Konzerte, das Theater… das Leben.
Gernot Köchl ist PKA im Kaiser-Franz-Josef-Spital.