Norm – Außerhalb der Norm
Im Frühjahr wandte sich Annemarie Mitterbäck,Dramaturgin, Musikvermittlerin, ihres Zeichens Leitung für Vermittlung und Partizipation im Rahmen der Musiktheatertage Wien (MTTW) – Hörblicke, die seit 2022 jährlich im September im WUK über die Bühne gehen, an die WUK Arbeitsassistenz. Anliegen war es, für die bzw. gemeinsam mit den Jugendlichen, die in Projekten aus dem Bereich WUK Bildung und Beratung begleitet werden, maßgeschneiderte Workshops zu entwickeln. Darin sollten möglichst lustvoll, niederschwellig, kreativ-künstlerisch und partizipativ Anknüpfungspunkte und Verbindendes zwischen den Werken des Programms Spaces of π ausgelotet werden.
Als Zusammenarbeit mit allen Mitwirkenden entwickelten Annemarie Mitterbäck und die Medienkünstlerin Veronika Burger gemeinsam einen Workshop, der den Fokus auf ein anderes Medium als Sprache legt. Victor Hugo hat diese, dem Workshop zugrundeliegende Idee, einmal treffend am Beispiel von Musik formuliert: „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“
Wir, das sind Alexandra Schöber und Stephanie Heim als Beraterinnen der auf die Begleitung von jungen Menschen mit psychischen Erkrankungen, Autismus und Lern-/Mehrfachbehinderungen spezialisierten Arbeitsassistenz im WUK, waren von der Idee begeistert, gemeinsam für unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen etwas Kreatives und zwischen den beiden Geschäftsbereichen des WUK Verbindendes zu entwickeln. Dabei sollte der Fokus auf ein anderes Medium als Sprache, welches in unserer täglichen Arbeit vorrangig ist, gelegt werden und etwas völlig Neues abseits „klassischer“ Beratungsmethoden und Gruppensettings angeboten werden, um neue Gedankenfelder und Perspektiven auf sich selbst und „die Welt“ eröffnen.
Hörblicke-Workshop
Nach einigen Vorbesprechungen fand im September schließlich ein 2-tägiger Workshop unter dem Titel „Norm – Außerhalb der Norm“ begleitend zum Stück „Mitra - DAS MUSIKALISCHE ZEUGNIS EINER TRAGISCHEN REBELLIN“ “ von Muziektheater Transparant and Ictus statt. Unter der Leitung von Medienkünstlerin Veronika Burger erstellten die Workshop-Teilnehmer_innen in den Räumlichkeiten der Arbeitsassistenz in der Bräuhausgasse mit ihren Handys Videosequenzen rund um die Emotion Ekel. Vorkenntnisse waren hierfür keine nötig, gefragt war lediglich Offenheit für Neues. Von der Ideenentwicklung bis zur Umsetzung des Filmens stand das Einfangen der eigenen Perspektiven im Mittelpunkt.
Die Aufnahmen zu einzelnen Fragestellungen wurden in der Gruppe, von uns Arbeitsassistentinnen und der Worskhopleiterin begleitet, reflektiert und waren Anstoß für den Austausch von persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer_innen im privaten wie auch öffentlichen Raum, etwa zu folgenden Fragen: Wer bestimmt in einer Gesellschaft, was als „normal“ und was als „unnormal“ verstanden und bewertet wird? Wie verhält sich eigentlich grundsätzlich ein Mensch, der von außen als „normal“ verstanden wird? Wie fühlt sich das in uns drinnen an, wenn wir bei Begegnungen mit anderen Menschen erfahren, dass wir als nicht „normal“ verstanden und bewertet werden? Wie interpretiere und bewerte ich mich selbst hinsichtlich der vermeintlich bestehenden Normen innerhalb unserer Gesellschaft? Wie gehe ich damit um, wenn ich Menschen begegne, die ich als „unnormal“ interpretiere? Verbinden uns Menschen solche Klassifizierungen oder trennen uns solche bewusst voneinander?
Der zweite Termin fand zwei Wochen später im Haupthaus in der Währinger Straße im 9. Bezirk statt. Zum Einstieg konnten wir den Beginn der MTTW-Probe des Stücks „Mitra“ besuchen. Dabei handelt es sich um eine eine Komposition aus Oper, Dokumentarfilm und Installation, welche das Schicksal der iranischen Psychoanalytikerin und Psychiaterin Mitra Kadivar, die 2012 zu Unrecht in die Psychiatrie eingeliefert wurde, erzählt. Indem sich Mitra Kadivar für die an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen mit einer Suchtkrankheit professionell einsetzte, wurde sie selbst aus der Gesellschaft verdrängt. Mitra Kadivars Autobiographie hinterließ Eindrücke bei den Workshop-Teilnehmer_innen, die anschließend in der Gruppe reflektiert und verarbeitet werden konnten. Ihre Geschichte hinterließ Gefühle von Mut und Aufbruch.
Im Anschluss präsentierte uns Veronika Burger den von ihr aus den Videosequenzen geschnittenen Trailer (in Kurz- und Langversion), wobei über das Resultat Überraschung und Staunen in der Gruppe bemerkbar war.
Zusammenfassend kann von einem gelungenen Brückenschlag zwischen den Angeboten von WUK Kultur (WUK performing arts) und WUK Bildung und Beratung (WUK Arbeitsassistenz) gesprochen werden, die für die Teilnehmer_innen als eine Erfahrung mit persönlichem Mehrwert erlebt wurde und die für uns Arbeitsassistentinnen eine interessante und bereichernde Erfahrung war, die nach Möglichkeit eine Fortsetzung finden wird.
Text: Stephanie Heim und Alexandra Schöber, WUK Arbeitsassistenz