Nach zwanzig Jahren Jonglieren war ich einfach gelangweilt.
UlliKoch und Arne Mannott sprechen über die Neuerfindung der Zirkuskunst, das Spannungsfeld von alt und neu, zeitgenössisch und experimentell und natürlich über Mannotts künstlerische Entwicklung und die neue Produktion CIRCUS.
Die alte Form des Zirkus mit den klassischen Disziplinen Jonglage, Akrobatik etc. funktioniert für ein breites Publikum. Das liegt auch daran, dass traditionellerweise möglichst diverse, etwa siebenminütige Acts nacheinander gezeigt werden. Das heißt nicht, dass Zirkus nicht auch früher schon experimentell war. Doch die permanente Weiterentwicklung der Zirkuskunst erreicht laut Arne Mannott zurzeit einen Höhepunkt. Die zirzensische Kunst hinterfragt sich selbst und ist im Aufbruch: Leitmotive, die auch Mannotts künstlerischen Antrieb darstellen.
Der zeitgenössische Zirkus arbeitet eher mit abendfüllenden Kreationen als mit einzelnen Acts, damit verändern sich auch Szenografie und Dramaturgie. Er ist interdisziplinär, bedient sich bei anderen Kunstformen, wie Tanz und Performance. Mannott, der ursprünglich von der Jonglage kommt, hat mit FALLHÖHE schon 2018 eine Arbeit im WUK gezeigt, in der der Ball als Symbol für die Jonglage noch vorhanden ist, klassische Bilder dieser Disziplin aber nicht erfüllt werden. Vielmehr wurden Bewegungen aus der Jonglage entnommen und tänzerisch umgesetzt.
Die Verwandlung, Weiterentwicklung und Rekonstruktion zirzensischer Elemente steht auch bei Mannotts neuer Produktion CIRCUS im Fokus. „Nach zwanzig Jahren Jonglieren war ich einfach gelangweilt“, so der Künstler, der sich gerade in Richtung Installations- und Performancekunst entwickelt. Deshalb fing er an, seine Jonglierkeulen zu zerlegen und ließ seinen Körper auf die Fragmente reagieren. Aus diesen Fragmenten und Reaktionen ist CIRCUS entstanden.
Allgemein interessiert Mannott die Inszenierung sehr diverser Stücke, in denen Zirkus in irgendeiner Art und Weise verfremdet wird, beispielsweise durch die Kombination von Akrobatik und Sprechtheater.
Beim Kuratieren des Zirkusfestivals ON THE EDGE, das im November 2020 im WUK hätte stattfinden sollen, aus Pandemieverhinderungsgründen aber abgesagt werden musste, suchte Mannott vor allem nach Zirkuskünstler_innen, die Zirkus neu denken, umdenken und zirzensische Techniken neu verhandeln.
Der Zirkus sei in seinen Endzwanzigern oder Anfang Dreißig, zitiert Mannott einen Kollegen. Die Zirkuskunst ist auf der Suche nach einer Art von Identität und viel Wandel unterworfen. Selbstkritisch merkt der Künstler an, dass sich hier vielleicht Trends wiederholen, die es im Tanz oder der Performancekunst schon vor Jahrzehnten gab. Für die Zirkuskunst wünscht er sich mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Dass der zeitgenössische Zirkus eine Nischenkunst ist, lässt sich auch an der Festivalszene im deutschsprachigen Raum erkennen, in der der zeitgenössische Zirkus schwer einen Platz findet. Anders in Frankreich, wo es Zirkusfestivals in allen Ausprägungen gibt und Tanzhäuser staatlich verpflichtet sind auch Zirkusproduktionen zu programmieren. Dort lässt sich die Entwicklung hin zu einem zeitgenössischen Zirkus auch schon 20, 30 Jahre beobachten. Wo diese Entwicklung ihren Ausgang genommen hat, will Mannott aber nicht festlegen.
Die Anfrage, ob CIRCUS nicht auch als Stream gezeigt werden könne, richtete der Künstler recht kurzfristig an die WUK performing arts. Er hätte einfach mal wieder etwas zeigen und die Möglichkeit zum Zuschauen geben wollen. So wird Arne Mannott am 19.03. bei der Premiere seiner neuesten Produktion anstatt von Publikum, von vier Kameras und Technikmenschen umgeben sein, die uns den Zirkus mit einer ausgeklügelten Abendregie auf die Bildschirme und in die Wohnzimmer zaubern. Wir sind gespannt!
"circus" wird am 19.3.2021 um 20:30 als Livestream kostenfrei auf der Eventseite veröffentlicht.
Franziska Köberl, Mareike Heitmann und Felicitas Lukas haben sich über den InsideOut WUK performing arts Club kennengelernt und dabei den gemeinsamen Wunsch entwickelt, einen Podcast zum Thema Performancekunst zu gestalten. Unterstützt werden sie dabei von der WUK performing arts Leitung (Esther Holland-Merten und Ulli Koch).
Performative Kunst kann überall stecken: Im alltäglichen Leben, in Kulturinstitutionen, im theatralen, musischen und bildnerischen Kontext, im privaten und im öffentlichen Bereich. Sie begeben sich auf die Suche und nähern sich dem Begriff Performancekunst über Theorie und Praxis an. Mittels Gesprächen, Interviews und durchs eigene Tun tauchen sie in eine vielfältige Welt.
Die Hörer_innen laden sie dazu ein, sie auf dieser Reise zu begleiten und selbst forschend tätig zu werden.
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