Mich beschäftigt die Verbindung von Kunst und sozialen Bewegungen.
Niloufar Farahmand ist Filmemacherin, aktive Kulturarbeiterin und Mitbegründerin des im WUK beheimateten Vereins Avantgarde Kunst Werkstatt – Clownfisch. Dieser Fisch steht kraft seiner Natur für das Unkonventionell, Grenzüberschreitende und für die Absicht, nicht nur innovative Kunst zu schaffen, sondern auch gesellschaftliche Tabus brechen.
Woran arbeitest du gerade?
In meiner künstlerischen und kulturellen Tätigkeit beschäftigt mich vor allem die Verbindung von Kunst und sozialen Bewegungen. Die Möglichkeit, durch Kunst einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und Veränderung in der Gesellschaft zu leisten, treibt mich an.
Derzeit arbeite ich an zwei Dokumentarfilmen. Ein Film handelt von den Arbeitsbedingungen von Frauen, die nach der islamischen Revolution im Iran geboren wurden. Trotz der Hindernisse und Einschränkungen, die die islamischen Gesetze ihnen auferlegen, haben sie Erfolge erzielt, sei es im Gesang, obwohl das für Frauen verboten ist, oder im Sport, wo Frauen mit dem Hijab trainieren müssen und kaum Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen. Ein weiterer Dokumentarfilm behandelt die Umweltzerstörung im Iran, insbesondere in einem Dorf im Norden in der Nähe des Kaspischen Meeres und des Anzali-Sees. Dieser Film beleuchtet die direkte Verbindung zwischen der Natur, Klimawandel und dem Leben der Menschen.
Du bist vor sechs Jahren aus dem Iran nach Österreich gekommen, weil für dich dort das Leben und Arbeiten als weibliche kritische Filmemacherin unmöglich wurde. Wie ist dein Eindruck? Hat sich im Iran seit der Protestwelle 2022 unter dem Slogan Frauen, Leben, Freiheit etwas geändert?
Ich glaube, Schwierigkeiten und soziale Schmerzen führen zu Revolutionen! Menschen suchen immer nach Wegen, sich von diesen Schmerzen zu befreien. Die Bewegung Frau, Leben, Freiheit ist das Ergebnis jahrelanger Unterdrückung, systematischer Zensur und „Beseitigung“ von Frauen in der iranischen Gesellschaft. Die Frauen im Iran haben sich über die Jahre nicht ergeben. Trotz der Bemühungen des Regimes, die Frauen-Revolutions-Bewegung zu unterdrücken, kämpfen Frauen weiter, und ich glaube, diese Bewegung wird bald wiederaufleben. Frau, Leben, Freiheit ist eine Vorreiterbewegung, die meiner Meinung nach in allen Entwicklungsländern stattfinden wird. Autoritäre Regierungen können sie nicht verhindern. Und auch die Menschen im Iran haben keine andere Wahl, als diesen harten Weg zu gehen, um Freiheit und soziale Gerechtigkeit zu erreichen!
Was motiviert euch, Shahpar Mattapour von Iranische Kulturhaus und dich, seit mehreren Jahren im WUK ein großes Kultur- und Festprogramm zum internationalen Frauentag am 8. März zu organisieren?
Es geht dabei immer um dasselbe: Die Anliegen von Frauen sichtbar machen, Solidarität stärken und ein Bewusstsein für die anhaltenden Ungleichheiten schaffen. Wir bemühen uns, die Stimme derjenigen zu sein, die von den meisten Medien weitgehend ignoriert werden. In diesem Jahr konzentrieren wir uns neben den Frauenfragen auch auf die LGBTQA+ -Gemeinschaft im Iran. Diese Gemeinschaft erfährt unter dem islamischen Regime extreme Unterdrückung und lebt im Schatten, da die Offenlegung ihrer sexuellen Identität mit der Todesstrafe bedroht ist. Wir glauben, dass der Kampf für die Rechte der LGBTQA+ -Gemeinschaft parallel zur "Frauen-Leben-Freiheit"-Bewegung verlaufen muss.
Wir beschäftigen uns zurzeit mit dem Thema kulturelle Schwellen. Welche Erfahrungen machst du als Kunst- und Kulturschaffende in der österreichischen Kulturszene? Was könnte anders oder besser sein, um deine Arbeit zu erleichtern und ein diverseres Publikum anzusprechen?
Um meine Arbeit zu erleichtern und kulturelle Vielfalt zu fördern, könnten Kulturinstitutionen gezielt Programme und Initiativen entwickeln, die unterschiedliche Perspektiven und Stimmen integrieren. Ich glaube, ein bewusstes Bemühen um Diversität kann zu einem inklusiveren Publikum führen.
Kunst eines Künstlers kann nicht von seiner Kultur, seinen Anliegen und Sprache getrennt werden! Wenn ein Künstler migriert, bringt er seine Anliegen und Überzeugungen mit sich. In den meisten Fällen hat die österreichische Film- und Theatergemeinschaft meine Anliegen als eine iranische Künstlerin nicht akzeptiert. Es ist sehr schwierig, als Ausländerin und speziell als Frau aus dem Nahen Osten in diese Strukturen einzudringen. Ich bemühe mich, mit Beharrlichkeit und harter Arbeit meine Arbeit fortzusetzen, denn meine Arbeit ist eine Art Kampf gegen diese systematischen Zensuren und Eliminierungen.
Wen möchtest du mit deiner Arbeit ansprechen?
Verantwortung der Künstler_in besteht darin, das Denken anzuregen und die Menschen zur aktiven Teilnahme an sozialen Veränderungen zu ermutigen. Mit meiner Arbeit möchte ich Menschen ansprechen, die offen für neue Perspektiven sind, die den Dialog über gesellschaftliche Herausforderungen suchen und die bereit sind, durch Kunst inspiriert zu werden, um positive Veränderungen herbeizuführen.
Kunst hat die Kraft, Brücken zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaften zu bauen, und ich hoffe, dass meine Arbeit einen Beitrag zu einem tieferen Verständnis und einer positiven Veränderung leisten kann.
Was heißt eigentlich „offen“? Ist Offenheit ein Gut?
Wir wollen offen sein, Offenheit zum Thema machen, infrage stellen, umsetzen - barrierefrei, niederschwellig, vermittelnd.
Wer kann unter welchen Bedingungen an Kunst und Kultur teilhaben? Und wer bleibt aufgrund von strukturellen Schwellen außen vor? Was ist notwendig, um eine möglichst breite Teilhabe zu gewährleisten?