Rechte Mädel, rechte Burschen
Der Fall Udo Landbauer machte im Jänner deutlich, worauf Politikwissenschafter_innen und Institutionen wie das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) seit Jahrzehnten hinweisen:
Was hinter den verschlossenen Türen (deutschnationaler) burschenschaftlicher Buden passiert, steht demokratischen Grundwerten oftmals diametral entgegen. Landbauer, FPÖ-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Niederösterreich, war stellvertretender Obmann der pennalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt – wie Falter-Journalistin Nina Horaczek aufdeckte, wurde dort 1997 ein Liederbuch mit rassistischen, antisemitischen, menschenfeindlichen Texten gedruckt. Landbauer, der stetig wiederholte, zu diesem Zeitpunkt erst elf Jahre alt gewesen zu sein und von seiner Partei mit „Jetzt erst recht!“-Parolen angefeuert wurde, musste sich schließlich dem öffentlichen Druck beugen und legte nach der Wahl seine politischen Funktionen zurück.
Die Liederbuch-Affäre bei der Germania ist bei Weitem nicht der einzige dokumentierte Fall rechtsextremer Umtriebe im burschenschaftlichen Milieu. Die Wiener akademische Burschenschaft Olympia hatte etwa im Jahr 2005 den Holocaust-Leugner David Irving eingeladen, die Leobener Burschenschaft Leder verbreitete erst kürzlich ein homofeindliches Sujet mit einem Bild des nationalsozialistischen Malers Wolfgang Willrich. „Die Mehrheit der Burschenschaften in Österreich hat ein problematisches Verhältnis zur Demokratie. Das beginnt beim völkischen Nationalismus mit seiner Verneinung des Gleichheitspostulats und endet bei der Idealisierung von Autorität und Gehorsam“, so charakterisierte der Politologe Bernhard Weidinger die Männerbünde in einem Interview mit dem Profil. Frauen sind von einer Mitgliedschaft in Burschenschaften ausgeschlossen, traditionelle, biologistische Geschlechterbilder – männliches Heldentum steht der fürsorglichen Weiblichkeit entgegen – sind ein wichtiger Bestandteil ihres (rechts-)konservativen Weltbilds.
Obwohl Burschenschaften gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder ein überschaubares Phänomen bleiben, sind sie mithilfe der freiheitlichen Partei ins Zentrum der politischen Macht gerückt. Rund vierzig Prozent der FPÖ-Abgeordneten zum Nationalrat gehören deutschnationalen Verbindungen an, und auch in der aktuellen Regierung sind zwei Burschenschafter zu finden. Verkehrsminister Norbert Hofer ist Ehrenmitglied der Schülerverbindung Marko-Germania zu Pinkafeld, Vizekanzler Heinz-Christian Strache gehört der Schülerverbindung Vandalia an. Und auch in den Kabinetten finden sich unter den Mitarbeitern zahlreiche Korporierte.
Für die FPÖ sind Burschenschaften eine wichtige Personalreserve, als „stille Machtergreifung“ bezeichnet der Autor Hans-Henning Scharsach die Entwicklung innerhalb der Partei in seinem gleichnamigen Buch. Während Ende der 1990er-Jahre unter Parteiobmann Jörg Haider Burschenschafter eine untergeordnete Rolle spielten, besetzen sie heute zentrale Funktionen auf allen Ebenen.
Auch wenn Burschenschafter in der männerdominierten Rechtspartei vorwiegend im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen – auch Frauen haben in Österreich ihre eigenen Verbindungen, rund dreißig Studentinnenverbindungen existieren aktuell. Die deutschnationalen Mädelschafterinnen unter ihnen unterscheiden sich ideologisch kaum von den Burschenschaften („Ehre, Freiheit, Vaterland“) und müssten als politische Subjekte und Anhängerinnen eines menschenfeindlichen Gedankenguts ebenso ernst genommen werden, schreibt Politikwissenschaftlerin Judith Götz im feministischen Magazin an.schläge. Prominentes Mitglied zweier Mädelschaften (Iduna zu Linz und Sigrid zu Wien) ist Anneliese Kitzmüller, FPÖ-Abgeordnete und seit Ende 2017 Dritte Nationalratspräsidentin. Das Kulturverständnis der Mädelschaft Iduna zu Linz, wo Tradition großgeschrieben wird, ist auf deren Website nachzulesen: „Achte jedes Menschen Vaterland, aber das deinige liebe! In diesem Sinne pflegen wir das deutsche Liedgut in seiner vielfältigen Weise, wie Volks-, Wander- oder Studentenlieder. Bei unseren regelmäßigen Zusammenkünften lernen, lehren und bewahren wir dieses schöne kulturelle Erbe.“ Wer beitritt, ist nicht nur Mitglied auf Zeit – man baut auf das „Lebensbundprinzip“.
Um sich ihrer rechtsextremen Vergangenheit (und Gegenwart) zu stellen, richtete die FPÖ nun eine Historikerkommission ein, die schon aufgrund der Personalauswahl massive Glaubwürdigkeitsprobleme hat. Vorsitzender ist etwa Wilhelm Brauneder, ehemaliger Dekan des Juridicums, der Texte in der rechtsextremen Zeitschrift Aula publizierte. Burschenschaften wiederum sollen kein Teil der Untersuchung sein, da sie als „private Vereine“ nicht überprüft werden könnten. Was abseits von Fechtübungen und Trinkgelagen in den deutschnationalen Verbindungen vor sich geht, ist jedoch spätestens mit dem Antritt dieser Regierung von besonderer Relevanz. Der Koalitionspartner ÖVP – allen voran Kanzler Sebastian Kurz, der Österreich „echte Veränderung“ und einen „neuen Stil“ verordnet hat – schweigt indes zu den burschenschaftlichen Umtrieben und verweist lediglich auf das Verbotsgesetz. So wichtig dieses Bundesverfassungsgesetz auch ist – als alleiniger moralischer Kompass sollte es einer österreichischen Regierung nicht dienen.
Brigitte Theißl lebt als freie Journalistin und feministische Erwachsenenbildnerin in Wien. Sie bloggt unter www.denkwerkstattblog.net.