„KENNST EINEN, KENNST EBEN NUR EINEN“
Die Gänge sind weiß wegen der Reizüberflutung. Obwohl sich hier alles nur auf einer engen, halben Etage abspielt, wirkt WUK aut.fit lichter als unser vollgeräumtes, dreistöckiges WUK work.space. Am Weg zum Gruppenraum stehen schlichte weiße Spinte. Passend dazu sagt jemand, viele Menschen im Autismus-Spektrum gäben ihre „Themen in Kasteln.“ Vereinzelt hängen Akustikpaneele an den Wänden – nicht nur im Ruheraum. „Manche haben den zum Ausschlafen benutzt“, schmunzelt Projektleiterin Sabine Koch und ist damit mitten im Thema: Jugendliche im Autismus-Spektrum.
Ich denke an meine Teilnehmer_innen
Die haben oft Schlafprobleme, erklären die Kolleg_innen. Coach Conny, die selber im Spektrum ist, erklärt, dass bei Jugendlichen noch die Pubertät reinspielt. Ich denke an meinen Teilnehmer W., der oft erst nach drei Uhr morgens einschläft. Oder an M., der auch vertraute Menschen nicht direkt anschauen kann und auch immer wieder müde kommt. Dann ist die Rede von Parallelbeschäftigungen. Da ist K., der mehrere Radiobeiträge verfasste, während auf seinem Handy eine Serie lief. „Kennst du einen, kennst du eben nur einen“, meint Sabine.
Bei WUK work.space nimmt die Anzahl autistischer Teilnehmer_innen spürbar zu. Im Team gibt es zwar Therapeut_innen und Psycholog_innen, aber niemanden mit Schwerpunkt Autismus. So wuchs der Wunsch, mehr über den Umgang mit diesen Jugendlichen zu erlernen. Darum klärt WUK aut.fit uns über das eine oder andere No-Go auf, das mir nicht bewusst war.
Ich bin neurotypisch
Ich bin neurotypisch, denn ich bin nicht im Spektrum verortet. Autistische Menschen können im Job, in einer normalen Lehre eine Zeit lang unauffällig funktionieren. Aber jede Änderung, jede Besserung wird mit viel Aufwand kaschiert. Es kommt zu Lehrabbrüchen, vermehrten Krankenständen. Viele Firmen trauen sich nicht, autistische Jugendliche länger auszubilden, „sich an Berufsanfänger_innen fünf Jahre zu binden“, ergänzt Sabine. Auch deshalb gehöre der erste Arbeitsmarkt angepasst, meint Kollege Lev. Er rät davon ab, als neurotypischer Mensch auf eigene Herausforderungen zu verweisen, etwa Diäten. Das sei so, als sage man einem Depressiven, man sei ja auch mal down: „Aber depressive Menschen sind nicht mal eben traurig, die kommen nicht aus dem Bett.“ Helfen würden eher klare Ansagen, Rituale und Routinen. „Und Peers!“, ergänzt Conny, „Peers machen Mut.“
Unser Fachaustausch mit WUK aut.fit dauert gut zwei Stunden. Längst sind nicht alle Fragen geklärt, längst ist nicht allen Hoppalas vorgebeugt. Aber ein erster Einblick in die Welt autistischer Jugendlichen wurde eröffnet. Der Termin kommt so gut an, dass unsere Leitung weitere Fachaustausche mit anderen WUK Bildungs- und Beratungsangeboten initiieren will.
Text: Zoran Sergievski, Trainer media_lab, WUK work.space
Fotos: Herbert Schmitzberger, Coach und Projektleitung, WUK work.space