media_lab-Trainer Zoran Sergievski berichtet von Kolibris und Baukunst in Favoriten – und was das mit Jugendlichen macht.
Ein Kolibri schwebt beim Blumenkistl eines Unterstands. Am Pfeiler gegenüber steigen große Schmetterlinge empor. Das Wort „Jugendviertel“ prangt auf einer Sitzlandschaft. Am Weg Richtung Sonnwendgarten und daran vorbei leuchten gesprühte Wegmarken, Spielfelder und Sprüche. Anrainer_innen bleiben stehen; schmunzeln, schimpfen, diskutieren die Botschaften und Kunstwerke.
Die Stencils und Writings aus Sprühkreide sind die sichtbarsten Ergebnisse des Projekts ‚Switch‘. Dabei kooperieren das media_lab von WUK work.space mit dem Favoritener Verein Wanderklasse. Durch Spaziergänge, Diskussionen und künstlerische Interventionen sollten sich unsere Teilnehmer_innen den öffentlichen Raum aneignen. Am Ende steht noch der indirekte Austausch mit Gleichaltrigen aus Hirschstetten. Dieser läuft coronabedingt über Dokus, die mit den Teilnehmenden im Sonnwendviertel und in der Donaustadt gedreht wurden.
Die Wanderklasse ist ein Verein zur „BauKulturVermittlung“. Erklärtes Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zur Auseinandersetzung mit der (baulichen) Umwelt anzuregen. Die Mitgestaltung durch selbst konzipierte Touren und Street Art baute darauf auf.
ÖFFENTLICH UND PRIVAT
Obwohl keiner der Teilnehmenden im Sonnwendviertel wohnt, haben sie das Grätzel (und den benachbarten Altbestand) ausführlich erkundet. Dabei identifizierten sie meist von sich aus klare Defizite in der Landschaftsplanung.
So fehlen etwa
klare “Jugendzonen” abseits des Motorikparks (im Kontrast zu Spielplätzen),
konsumfreie wie schattige Rückzugsorte,
ausreichend Sitzbänke,
klar ausgewiesene, kostenlose öffentliche Klos.
Gerade beim letzten Punkt war interessant zu sehen, wie die Heranwachsenden die Unterschiede zwischen öffentlich, teilöffentlich, pseudoöffentlich und privat selbst ausdifferenzierten. Einerseits befindet sich hinterm Bildungscampus ein LIDL-Markt mit großem Parkplatz. Diese versiegelte Fläche ist der Kundschaft des Diskonters vorbehalten, könnte aber zu Schließzeiten sinnvoll anders genutzt werden. Auf der anderen Seite befindet sich in der Wiese die Filiale einer Gastro-Kette. Hier existiert eine teilöffentliche Toilette. Sie ist nur übers Bistro zugänglich und nicht prominent ausgewiesen.
Die Jugendlichen beschäftigten sich also praktisch mit Eigentum und Raumnutzung, sozialer Teilhabe und Ausschluss. Ihr Fazit greift auf das Stencil eines Kollegen zurück: das Sonnwendviertel ist zwar schön und modern, aber eben kein “Jugendviertel”. Damit sich junge Menschen mit ihrer baulichen Umwelt, mit ihrer Stadt identifizieren, müssen sie ernstgenommen werden und bei Planungen mitreden dürfen. ‘Switch’ zeigt, dass sie mitreden können.