Im Prinzessinnengarten
Es ist Spätsommer 2020. Wir stehen vor der Tür zu einem urbanen Garten. Die Tür ist offen. Wir freuen uns darüber, dass wir in den Garten hineingehen können. Die Kollegin sagt, dass wir hier ein wenig Erholung finden werden. Sie ist, wie ich, nicht aus Berlin. Sie ist mit dem Zug aus Schweden angereist. Die Reise, vor allem die Zugfahrt in Deutschland, war anstrengend, alle Sitzplätze besetzt.
Auf dem hohen Zaun, der den Prinzessinnengarten umgibt, ist ein riesiges Transparent montiert. In riesigen schwarzen Buchstaben steht darauf das Wort „Soilidarity“. Auf der anderen Seite des Gartens Richtung Prinzessinnenstraße steht auf einer haushohen schwarzen Plane in großen weißen Buchstaben „Black Lives Matter“. Das globalisierte Regime der Gewalttätigkeit des rassistischen Kapitalismus, der Leben und Lebensgrundlagen vernichtet, ist allgegenwärtig. Die Bewegungen des Widerstands flankieren den Garten. Jeden Tag beginnen die verschiedensten Kämpfe gegen die Zerstörung von Leben und Lebensgrundlagen aufs Neue. Jeden Tag ist Regeneration der Kämpfe überlebensnotwendig.
Der Garten ist heute in einem Veränderungsprozess begriffen. Das erste was auffällt, ist, dass das Gartencafé, das an diesem Ort immer auch viele Berlinbesucher_innen angezogen hatte, die an der mobilen urbanen Landwirtschaft, die Hochbeete aus Stapelbehältern und Reissäcke für das Anpflan- zen verwendete, vorbeigingen und sich dann im Schatten sitzend an den Produkten aus dem Garten im Garten als Konsument_innen erfreuten, verschwunden ist. Der Garten ist nur mehr an machen Wochentagen zu bestimmten Zeiten öffentlich zugänglich. Er befindet sich in einem Prozess der nachbarschaftlichen Neubestimmung, auf andere Art ein Commons zu werden.
Ich denke darüber nach, was es bedeuten würde, einem urbanen Garten wie diesem zuhören zu lernen. Ich denke darüber nach, ob und wie dieser Garten ein Gedächtnisort ist für die Erinnerungen der Pflanzenwesen, die Erinnerungen der Tierwesen und die Erinnerungen an die vielen Gespräche, die von Menschen an diesem öffentlich zugänglichen Gartenort geführt worden sind. Ich frage mich, was in diesen unsicheren Zeiten mit diesem Garten gelernt werden wird.
Text: Elke Krasny
Elke Kransy ist Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien.
www.elkekrasny.at
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