Goldene Formel
Ziemlich bald nach der Inbesitznahme des Hauses 1981, als WUK Aktivist_innen das einem Totalschaden nahe Backsteingebäude Stück für Stück in stand setzten, als Prozesse der Aneignung die Schulruine in ein alternatives Kulturgelände verwandelten, schufen Ona B., Walter Berger und Thomas Unseld die bis heute einzige relevante permanente künstlerische Arbeit im öffentlichen WUK Raum.
An der Front des Mittelhauses im WUK Hof prangt in großen Jugendstillettern aus der Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts, für jede_r Besucher_in des WUK Hofes sofort sichtbar, die Aufschrift VERSUCHS ANSTALT FÜR BAU u. MASCHINEN METALLE. Die Künstler_innen hoben einzelne Teile des Schriftzuges mit Goldfarbe hervor, sodass, liest man nur die goldenen Zeichen, ein neuer Sinn entstand: VERSUCHS ANSTALT FÜR IMMER.
Die denkbar einfache Intervention spannte den Bogen von der Vergangenheit – das Gebäude als Versuchs- und Lehranstalt – zur quasi nicht endend wollenden Zukunft des Experimentellen, Unfertigen, Offenen. Der Schriftzug manifestierte so nicht nur den Anspruch der WUK Besetzer_innen und Nutzer_innen, er vollbrachte zugleich die Transformation einer banalen Inschrift über Baumaterialien ins nahezu „Welthistorische“.
Die Künstler_innen Christine Baumann und Andreas Dworak haben 2011 aus Anlass der 30-Jahr-Feier des WUK die Arbeit ihrer Vorgänger_innen erweitert: Der Freilegung des vom Wilden Wein zugewachsenen Schriftzuges und dessen Restaurierung folgte die reale Vergoldung der VERSUCHS ANSTALT FÜR IMMER. Zum einen steht diese Fortschreibung der Arbeit für eine neuerliche Bekräftigung oder gar Verewigung des vergemeinschafteten Anspruchs. Zum anderen steht Gold jedoch für Beständigkeit und Werthaltigkeit und damit im Gegensatz zu eben jenem Experimentellen, Offenen und Unfertigen.
Die vergoldete VERSUCHS ANSTALT FÜR IMMER ist Reibefläche und die nach wie vor gültige Formel und tägliche Herausforderung im WUK.