Gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben!
Wie ist es zu eurer Initiative gekommen? Wann und warum habt ihr euch organisiert? Gab es einen oder mehrere Anlässe?
Nach der österreichweiten Bewegung für Black Lives Matter 2020 wussten wir, wir müssen dieses Momentum nutzen. Allein in Wien waren 50.000 Menschen auf der Straße, 100.000 landesweit! Wir haben uns also kurzerhand entschlossen, ein Volksbegehren zu initiieren und mit Menschen aus Österreich Unterschriften gegen Rassismus und für mehr gesetzlichen Schutz für Schwarze, muslimische und alle anderen Menschen, die von Rassismus betroffen sind, zu sammeln. Unsere Vision war und ist ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus nach dem EU-Vorschlag. Diesen durften wir im März 2023 im Parlament vorstellen und wir setzen uns auch weiterhin dafür ein, dass dieser umgesetzt wird. Natürlich hängt viel vom politischen Willen und der aktuellen Regierung ab. Wichtig war uns auch ein Dialog in der Zivilgesellschaft: Aufarbeitung der österreichischen rassistischen Geschichte, Weiterbildung zum Thema, Workshops, Online-Präsenz und mehr. Es braucht eine strukturelle Veränderung auf allen Ebenen.
Ihr versteht euch als Anti-Rassismus-Initiative. Welche Rolle spielt das „Black“?
Die Initiative ist aus der Black Lives Matter-Bewegung entstanden, aus einem Bündnis von Schwarzen Menschen, somit waren die Erfahrungen und Lebensrealitäten von Schwarzen Menschen in Österreich von Anbeginn der Mittelpunkt unserer politischen Arbeit. Vor allem weil Diskriminierungserfahrungen sich innerhalb der migrantischen Communities auch differenzieren; Rassismus kann ja nicht nur von weißen Menschen ausgeübt werden. Somit sind wir ein Anti-Rassismus-Verein mit einem Schwerpunkt für die Erfahrungen von Schwarzen Menschen, vertreten aber auch andere Communities. Es war uns immer wichtig, community-übergreifend und vernetzend zu arbeiten, denn Rassismus ist kein isoliertes Problem.
Das WUK-Jahresthema 2025 heißt „DEMOKRATIE. Versuchsanstalt für immer.“ Das Vorrücken rechter Politik, national, international: Was bedeutet das für Black Voices? Welche Gedanken gehen euch durch den Kopf? Worüber diskutiert ihr? Gibt es Strategien und Maßnahmen, über die ihr nachdenkt oder schon plant?
Es macht uns Angst. Und wir verspüren eine zunehmende Politikverdrossenheit unserer Community – verständlich bei einer zermürbenden Arbeit, welche leider nur wenige Früchte trägt, da die österreichische Gesellschaft das Problem von Rassismus und Rechtsruck nicht oder oft zu spät anerkennt. Dies zeigt jedoch paradoxerweise, wie wichtig unsere Arbeit ist. Es gibt nicht mehr viele aktive Anti-Rassismus- und Selbstvertretungsorganisationen in Österreich, aus verschiedenen Gründen (Ressourcen, Energie, mentale Gesundheit) und wir wissen aus erster Hand auch, wie kräftezehrend es ist.
Wir arbeiten seit Anbeginn ehrenamtlich und sind auf Unterstützer*innen angewiesen; die politische Lage verunsichert unsere Existenz als Verein umso mehr, wenn es um mögliche Förderungen geht. Mittlerweile sind viele linke Organisationen und Strukturen dabei, sich (neu) zu organisieren und noch aktiver zu werden, und wir sehen Hoffnung in diesen Bemühungen. Gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben. Wir brauchen und nehmen uns aber auch Pausen, um kurz aufatmen zu können. Rechtsruck ist für uns schon längst Realität und wir sind damit nicht nur in unserer Arbeit damit konfrontiert, sondern auch im persönlichen Leben und haben somit eine doppelte Belastung. Das heißt, eine komplette Pause von den politischen Umständen gibt es leider nicht für uns. Österreich war nie offen anti-rassistisch oder anti-faschistisch. Vor allem in Zeiten wie diesen müssen wir aber mit solchen Werten als Priorität arbeiten und dürfen die Hoffnung nicht verlieren.
Wenn wir noch einen Augenblick aufs WUK schauen? Ihr seid seit kurzem Teil des selbstverwalteten Bereichs Interkulturelle Initiativen im WUK und damit eine von rund 150 Gruppen und Initiativen. Wie geht es euch im WUK? Welche Bilder und Erwartungen hattet ihr an das Haus? Und habt ihr Vorstellungen, was ihr vielleicht einbringen wollt?
Das WUK spiegelt unsere Arbeitsweise als Gebäude wider. Es bietet die Möglichkeit zu kooperieren, networken, es bietet gemeinschaftliche Infrastruktur und damit auch inhaltlichen Austausch mit so vielen anderen spannenden Initiativen. Die Geschichte des Hauses, ebenfalls geprägt von Zusammenhalt und politischem, progressivem Wandel, ist inspirierend und gibt uns Kraft in unserer täglichen Arbeit.
Was wollt ihr uns und euch und allen wünschen?
Wir wünschen uns Zivilcourage, und dass wir vor allem in Zeiten wie diesen nicht aufgeben. Die Welt wirkt düster, aber kann nur noch düsterer werden, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir wünschen uns auch, aufeinander zu schauen, Kraft zu geben und an die Stärke von Gemeinschaft zu glauben. Denn diese wird die Brücke für eine bessere Welt sein.***
Noomi Anyanwu ist Trainerin für Anti-Rassismus, Intersektionalität, Vorsitzende von Black Voices Austria. Mit Black Voices initiierte sie das erste Anti-Rassismus-Volksbegehren in der Geschichte des Landes. Sie ist Co-Herausgeberin des Anti-Rassismus-Handbuchs "War das jetzt rassistisch?“.
Elnara Türhan ist angehende Politikwissenschafterin und studiert zudem English and American Studies an der Universität Wien. Seit 2021 engagiert sie sich bei Black Voices als stellvertretende Vorsitzende und ist aktives Mitglied im kurdischen Studierendenverband. Ihre Schwerpunkte liegen auf Antirassismus, sozialer Ungleichheit und Menschenrechten, mit dem Ziel einer gerechteren und inklusiven Gesellschaft.
Black Voices Austria ist seit Kurzem Teil des selbstverwalteten Bereichs Interkulturelle Initiativen im WUK. Der Verein freut sich über neue Mitglieder zur Stärkung der Community.
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“Darf ich deine Haare anfassen?”, “Woher kommst du wirklich?”, “Wie hast du so gut Deutsch gelernt?”. Auch in scheinbar harmlosen Alltagsfragen verstecken sich oft Vorurteile. Jetzt melden sich People of Color selbst zu Wort und berichten darüber, wie Alltagsrassismus in Deutschland und Österreich aussieht. Antirassismus- Expert*innen aus der afrikanischen, muslimischen, asiatischen, jüdischen und Rom*nja-Community erklären, woran rassistische Fragen und Denkmuster erkannt werden können und geben Tipps, diese zu überwinden.