Gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben!

Gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben!

Ein Gespräch mit Noomi Anyanwu und Elnara Türhan von Black Voices Austria

Black Voices Austria kämpft gegen Rassismus und initiierte 2022 das erste Anti-Rassimus-Volksbegehren in Österreich. Seit kurzem ist die NGO Teil des selbstverwalteten Bereichs Interkulturelle Initiativen im WUK.

Wie ist es zu eurer Initiative gekommen? Wann und warum habt ihr euch organisiert? Gab es einen oder mehrere Anlässe? 

Nach der österreichweiten Bewegung für Black Lives Matter 2020 wussten wir, wir müssen dieses Momentum nutzen. Allein in Wien waren 50.000 Menschen auf der Straße, 100.000 landesweit! Wir haben uns also kurzerhand entschlossen, ein Volksbegehren zu initiieren und mit Menschen aus Österreich Unterschriften gegen Rassismus und für mehr gesetzlichen Schutz für Schwarze, muslimische und alle anderen Menschen, die von Rassismus betroffen sind, zu sammeln. Unsere Vision war und ist ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus nach dem EU-Vorschlag. Diesen durften wir im März 2023 im Parlament vorstellen und wir setzen uns auch weiterhin dafür ein, dass dieser umgesetzt wird. Natürlich hängt viel vom politischen Willen und der aktuellen Regierung ab. Wichtig war uns auch ein Dialog in der Zivilgesellschaft: Aufarbeitung der österreichischen rassistischen Geschichte, Weiterbildung zum Thema, Workshops, Online-Präsenz und mehr. Es braucht eine strukturelle Veränderung auf allen Ebenen.

> Mehr zum Anti-Rassismus-Volksbegehren 2022

Noomi Anyanwu (li.) und Elnara Türhan von Black Voices Austria. Foto: Benno Kossatz

Wer sind die Menschen, die hinter Black Voices stehen? 

Wir sind ein Team aus engagierten Menschen mit diversen Hintergründen. Ich, Noomi, bin zum Beispiel Trainerin gegen Rassismus und hab einen Abschluss in Menschenrechte und Diplomatie. Und ich, Elnara, bin angehende Politikwissenschafterin und engagiert in der kurdischen Bewegung in Wien. Wir sind beide im Vorstand von Black Voices, aber das machen wir nicht allein. Wir haben eine Lehrerin im Team, Aktivist*innen, Studierende, Künstler*innen, Pädagog*innen, Kommunikationsexpert*innen, Journalist*innen etc.

Was uns eint: Wir alle machen Diskriminierungserfahrungen in diesem Land, tagtäglich. Aber wir haben auch viel Hoffnung. Wir glauben, es kann sich noch was ändern. Österreich soll ein Ort sein, der die Diversität ihrer Bevölkerung anerkennt und sicher und inklusiv für uns alle wird.

Ihr versteht euch als Anti-Rassismus-Initiative. Welche Rolle spielt das „Black“?

Die Initiative ist aus der Black Lives Matter-Bewegung entstanden, aus einem Bündnis von Schwarzen Menschen, somit waren die Erfahrungen und Lebensrealitäten von Schwarzen Menschen in Österreich von Anbeginn der Mittelpunkt unserer politischen Arbeit. Vor allem weil Diskriminierungserfahrungen sich innerhalb der migrantischen Communities auch differenzieren; Rassismus kann ja nicht nur von weißen Menschen ausgeübt werden. Somit sind wir ein Anti-Rassismus-Verein mit einem Schwerpunkt für die Erfahrungen von Schwarzen Menschen, vertreten aber auch andere Communities. Es war uns immer wichtig, community-übergreifend und vernetzend zu arbeiten, denn Rassismus ist kein isoliertes Problem.

Erzählt uns bitte von eurem nächste Projekt.

Unser größtes Projekt war schon seit Anfang an der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus, für den wir österreichweit als erstes Anti-Rassismus-Volksbegehren knapp 100.000 Unterschriften gesammelt haben. Seitdem kämpfen wir weiterhin dafür, dass unsere Petition im Parlament umgesetzt wird. Zur Tagesordnung gehören Bildungsarbeit, Workshops, Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit, Community-Vernetzung und vieles mehr! Wir wünschen uns längerfristig natürlich, dass es irgendwann mal kein “nächstes Projekt” geben wird und Rassismus kein großes Problem mehr ist. Bis dahin sind wir noch bestrebt, unsere Mission einer anti-rassistischen Gesellschaft Realität werden zu lassen.

Das WUK-Jahresthema 2025 heißt „DEMOKRATIE. Versuchsanstalt für immer.“ Das Vorrücken rechter Politik, national, international: Was bedeutet das für Black Voices? Welche Gedanken gehen euch durch den Kopf? Worüber diskutiert ihr? Gibt es Strategien und Maßnahmen, über die ihr nachdenkt oder schon plant?

Es macht uns Angst. Und wir verspüren eine zunehmende Politikverdrossenheit unserer Community – verständlich bei einer zermürbenden Arbeit, welche leider nur wenige Früchte trägt, da die österreichische Gesellschaft das Problem von Rassismus und Rechtsruck nicht oder oft zu spät anerkennt. Dies zeigt jedoch paradoxerweise, wie wichtig unsere Arbeit ist. Es gibt nicht mehr viele aktive Anti-Rassismus- und Selbstvertretungsorganisationen in Österreich, aus verschiedenen Gründen (Ressourcen, Energie, mentale Gesundheit) und wir wissen aus erster Hand auch, wie kräftezehrend es ist.

Wir arbeiten seit Anbeginn ehrenamtlich und sind auf Unterstützer*innen angewiesen; die politische Lage verunsichert unsere Existenz als Verein umso mehr, wenn es um mögliche Förderungen geht. Mittlerweile sind viele linke Organisationen und Strukturen dabei, sich (neu) zu organisieren und noch aktiver zu werden, und wir sehen Hoffnung in diesen Bemühungen. Gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben. Wir brauchen und nehmen uns aber auch Pausen, um kurz aufatmen zu können. Rechtsruck ist für uns schon längst Realität und wir sind damit nicht nur in unserer Arbeit damit konfrontiert, sondern auch im persönlichen Leben und haben somit eine doppelte Belastung. Das heißt, eine komplette Pause von den politischen Umständen gibt es leider nicht für uns. Österreich war nie offen anti-rassistisch oder anti-faschistisch. Vor allem in Zeiten wie diesen müssen wir aber mit solchen Werten als Priorität arbeiten und dürfen die Hoffnung nicht verlieren.

Schwarze Geschichte ist 365 Tage im Jahr wichtig, aber besonders im Februar. Anlässlich des Black History Month wird jährlich auf Schwarze Geschichte aufmerksam und diese sichtbarer gemacht.

Noch mal einen Schritt zurück: Was wäre eure Antwort zu der banalen Frage „Wozu ist Demokratie gut?“ 

Für ein gutes (Zusammen-) Leben. Es braucht Vielfalt, es braucht neue und diverse Ideen und Stimmen. Und dieser Wandel muss von marginalisierten und diversen Menschen angeführt werden. Wenn nur eine bestimmte Gruppe einen Staat regiert, geht viel Potenzial für eine Gesellschaft verloren. Faschismus ist tückisch, er wendet sich schlicht gegen die “Anderen” und fasst nicht tatsächliche Probleme ins Auge. Die Ideologie stellt die Überlegenheit von weißen Menschen in den Mittelpunkt und kümmert sich nur um das Wohlbefinden dieser. Diese Strukturen können umso besser in unserer kapitalistischen und heteronormativen Welt überleben. Deshalb noch einmal: Widerstand, ja. Aber bitte mit uns: Schwarze, muslimische, trans, queere, behinderte Menschen.

Wenn wir noch einen Augenblick aufs WUK schauen? Ihr seid seit kurzem Teil des selbstverwalteten Bereichs Interkulturelle Initiativen im WUK und damit eine von rund 150 Gruppen und Initiativen. Wie geht es euch im WUK? Welche Bilder und Erwartungen hattet ihr an das Haus? Und habt ihr Vorstellungen, was ihr vielleicht einbringen wollt? 

Das WUK spiegelt unsere Arbeitsweise als Gebäude wider. Es bietet die Möglichkeit zu kooperieren, networken, es bietet gemeinschaftliche Infrastruktur und damit auch inhaltlichen Austausch mit so vielen anderen spannenden Initiativen. Die Geschichte des Hauses, ebenfalls geprägt von Zusammenhalt und politischem, progressivem Wandel, ist inspirierend und gibt uns Kraft in unserer täglichen Arbeit. 

Was wollt ihr uns und euch und allen wünschen?

Wir wünschen uns Zivilcourage, und dass wir vor allem in Zeiten wie diesen nicht aufgeben. Die Welt wirkt düster, aber kann nur noch düsterer werden, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir wünschen uns auch, aufeinander zu schauen, Kraft zu geben und an die Stärke von Gemeinschaft zu glauben. Denn diese wird die Brücke für eine bessere Welt sein.*** 

Noomi Anyanwu ist Trainerin für Anti-Rassismus, Intersektionalität, Vorsitzende von Black Voices Austria. Mit Black Voices initiierte sie das erste Anti-Rassismus-Volksbegehren in der Geschichte des Landes. Sie ist Co-Herausgeberin des Anti-Rassismus-Handbuchs "War das jetzt rassistisch?“.

Elnara Türhan ist angehende Politikwissenschafterin und studiert zudem English and American Studies an der Universität Wien. Seit 2021 engagiert sie sich bei Black Voices als stellvertretende Vorsitzende und ist aktives Mitglied im kurdischen Studierendenverband. Ihre Schwerpunkte liegen auf Antirassismus, sozialer Ungleichheit und Menschenrechten, mit dem Ziel einer gerechteren und inklusiven Gesellschaft.

Black Voices Austria ist seit Kurzem Teil des selbstverwalteten Bereichs Interkulturelle Initiativen im WUK. Der Verein freut sich über neue Mitglieder zur Stärkung der Community.

https://blackvoices.at/


Buchcover in gelb mit illustriertem Hinterkopf und Titel "War das jetzt rassistisch"

Buchempfehlung

War das jetzt rassistisch?

22 Antirassismus-Tipps für den Alltag

“Darf ich deine Haare anfassen?”, “Woher kommst du wirklich?”, “Wie hast du so gut Deutsch gelernt?”. Auch in scheinbar harmlosen Alltagsfragen verstecken sich oft Vorurteile. Jetzt melden sich People of Color selbst zu Wort und berichten darüber, wie Alltagsrassismus in Deutschland und Österreich aussieht. Antirassismus- Expert*innen aus der afrikanischen, muslimischen, asiatischen, jüdischen und Rom*nja-Community erklären, woran rassistische Fragen und Denkmuster erkannt werden können und geben Tipps, diese zu überwinden.

Gleich bestellen im Leykam-Verlag


DEMOKRATIE. Versuchsanstalt für immer.

Demokratie ist ein Prozess des Aushandelns, Anpassens, Verteidigens. Sie braucht Begegnung und Gespräch. 2025 wollen wir aus unterschiedlichen Perspektiven über Demokratie reden. Und die Frage stellen: Was tun?

Alle Artikel des Demokratie-Schwerpunkts

Artikel lesen

Demokratie: Es war einmal.

Von Mahir Yıldız, Esma Bošnjaković und Jonas Scheiner von "Demokratie, was geht?"

Artikel lesen

Stabil bleiben

Über Kunst in politisch unruhigen Zeiten