Freedom is a Verb
Freedom is a verb, an action and an urge (Daniel Kahn)
Jahrtausende lang hatten sich die Menschen Geschichten erzählt, gelauscht und weitererzählt. Mit der Industrialisierung mussten die Dinge dann etwas schneller gehen, Kanäle wurden gegraben, Schienen gelegt, Lokomotivfabriken wurden gebaut. Waren, Kriegsgüter und strategische Nachrichten mussten rasch von einem Ort zum anderen gebracht werden. Das Funkzeitalter begann. Anlässlich von 25 Jahre WUK Radio widmet sich Helga Neumayer der Geschichte und Bedeutung freier Radios.
Alle Wege offen
Gehen wir in die 1920er Jahre, an den Anfang der Utopie einer demokratischen Kommunikationsgesellschaft. Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung war arm und schlecht ernährt, aber es gab eine organisierte Arbeiter_innenbewegung, die die Teilhabe am Ganzen verlangte.
Schon im Jahre des Sendungsbeginns der bürgerlichen Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) 1924 schlossen sich Leute aus den Arbeiterkulturorganisationen zusammen und gründeten den Freien Radiobund, der innerhalb kürzester Zeit österreichweit 4.000 Mitglieder zählte. Diese beschäftigten sich mit dem Bau kostengünstiger Radiogeräte und der Verein gab eine Zeitschrift mit 4.000 Stück Auflage heraus, es wurde die Erlaubnis für Sender mit Kurzwellen diskutiert, man forderte den Bildungsauftrag des Rundfunks, die Informationsfreiheit, einen Radiobeirat und 1926 die Gründung einer Radio-Internationale.
Ab in die Gleichschaltung
Aus Polizeiberichten über ausgehobene Sender wissen wir, dass es Sendeaktivitäten außerhalb der RAVAG gab.1933 kommt es zur Ausschaltung des Parlaments und bis Ende 1933 kündigten 33.000 sozialdemokratische Hörer_innen ihr Abo bei der RAVAG, das waren 13% der gesamten Hörer_innenschaft, die so ihren Protest gegen das zunehmend klerikal-nationale Radioprogramm zum Ausdruck brachte. Die austrofaschistische Regierung und die Exekutive setzten ab 1934 das Radio für sich ein. Das Vermögen des Arbeiter-Funkverbandes wurde liquidiert. Die österreichische Medienwelt war nun bestens gleichgeschaltet für die Nazi-Gewaltherrschaft.
Der lange Weg zurück zur Freiheit
Von 1979 bis in die frühen 1990er Jahre kam es immer wieder zu Radiopirat_innen-Aktivitäten in ganz Österreich, mit großem finanziellen Risiko. Der Staat reagierte unverhältnismäßig auf die vielfältigen Aktivitäten mit Hubschraubereinsätzen, Hausdurchsuchungen, mit extremen Geldstrafen und Beschlagnahmen von Sendeanlagen. Daraufhin richtete man das Hauptaugenmerk auf die Legalisierung der Sendearbeit. Über eine Beschwerde von Einzelpersonen, Organisationen und Unternehmen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen das Rundfunkmonopol und eine weitere beim Verfassungsgerichtshof kam es schließlich 1997 zu einer Neuregelung und acht freie Radiobewerber erhielten eine Lizenz. Orange 94.0, das ein Jahr später die Homebase für das WUK-Radio werden sollte, war ab Sommer 1998 mit einer eigenen Frequenz dabei.
Herausforderungen der Zeit
Terrestrische freie Radiotätigkeit hat Zukunft, steht aber vor einigen Herausforderungen. Laut Jahresbericht des Verbands Freier Rundfunk Österreichs (VFRÖ) 2023 sind in ganz Österreich knapp 2.800 ehrenamtliche Sendungsmacher_innen aktiv. Sie benötigen einen niederschwelligen Zugang, um ihre Radiobeiträge live zu senden oder digital ins laufende Tagesprogramm einspeisen zu können. Das braucht Fachpersonal, kreative Lösungen und einen alerten Blick auf technologische Neuerungen.
In einer Welt der Podcasts, wo alle Menschen durch sogenannte „Social Media“ einfach zu Medienproduzent_innen werden, die Gesellschaft aber insgesamt fragmentiert, stellt sich die Frage nach emanzipatorischer Medienarbeit neu. Wie kann man die Menschen wieder zusammenbringen und wichtige Diskurse kollektiv führen? Die Freien Radios leisten bezüglich Medienbildung Ungeheures, 2023 gab es laut VFRÖ insgesamt 231 Schulworkshops und 8.132 Workshopteilnehmer_innen aller Generationen in Österreich.
Digitale Transformation, Bürobetrieb, Radioinfrastruktur, Weiterbildung und Ausbildung im Sinne partizipativer Demokratie für Schüler_innen und für alle Generationen im Sinne prozessorientierter Bildungsaneignung kosten Geld. Seit 2011 kommen den Freien Radios aus dem Fonds zur Förderung des Nichtkommerziellen Rundfunks Subventionen zu, auch der Fonds zur Förderung der digitalen Transformation und weitere Förderungen z. B. der Stadt Wien sind hilfreich, aber das alles reicht nur für Teilzeitarbeitsstellen und verlangt enorme Kreativität, um mit wenig viel zu bewegen.
Die Aktivist_innen aus dem freien Radiobereich sind dennoch zahlreich und bezüglich der Zukunft zuversichtlich, denn der freie Funk ist immer noch jenes Kommunikationsmittel, welches die geringste Gefahr läuft, überwacht oder mit Werbung zugespammt zu werden.
Auf die nächsten 100 Jahre!
Die Autorin
Helga Neumayer (Ph.D.) ist Ethnologin, Autorin und Radioredakteurin. Sie lebt in Wien.
25 Jahre WUK Radio
WUK Radio sendet seit August 1999 einmal wöchentlich, jeden Montag von 18.30 bis 19 Uhr auf Orange 94.0. Themen der Sendungen sind Aktivitäten, Veranstaltungen, Philosophie des WUK sowie Sondersendungen zu Politik, Gesellschaft und Kultur.
Nach 25 Jahren Sendetätigkeit und zahlreichen Sendungsgestalter_innen kann das WUK Radio auf mehr als 1.000 Sendungen zurückschauen. Bislang wurde erst eine einzige Sendung (freiwillig) ausgelassen und zwar am 11. September 2001, als die ganze Welt die Anschläge in den USA vor dem TV-Schirm verfolgte.
WUK Radio Days - als den Pirat_innen die Türen geöffnet wurden
„work & chill radio“ von
WUK work.space
Eine der zentralen Aktivitäten des media_labs von WUK work.space, einem Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene am Übergang Schule-Beruf,ist seit 2021 die Gestaltung einer monatlichen Radiosendung (früher spacelab-Radio).
Die Themen, die so vielfältig sind wie die Jugendlichen selbst, dürfen die Teilnehmer_innen frei wählen – von Hobbies über KI bis Musik aus Wien.
Sobald eine Sendung fertig erarbeitet und produziert ist, wird sie im „work & chill radio“ ausgestrahlt. Zu hören ist die Sendereihe jeden Dienstag von 18 bis 18.30 Uhr auf Orange 94.0.
Was heißt eigentlich „offen“? Ist Offenheit ein Gut?
Wir wollen offen sein, Offenheit zum Thema machen, infrage stellen, umsetzen - barrierefrei, niederschwellig, vermittelnd.
Wer kann unter welchen Bedingungen an Kunst und Kultur teilhaben? Und wer bleibt aufgrund von strukturellen Schwellen außen vor? Was ist notwendig, um eine möglichst breite Teilhabe zu gewährleisten?