Eine gut getarnte Schatzkammer

Eine gut getarnte Schatzkammer

Oder was Demokratie mit Tanz zu tun hat.

Die Choreographin Inge Gappmaier über den selbstverwalteten Bereich ttp im WUK, ihre Arbeit und darüber, was Tanz mit Demokratie zu tun hat.

tanztheaterperformance WUK, kurz ttp, ist einer von sieben selbstverwalteten Bereiche im WUK. Der Bereich bietet Raum für Produktion, Training und Research für rund 40 Künstler_innen und Gruppen der freien Szene.

Wie würdest du den ttp charakterisieren oder sein Selbstverständnis beschreiben?

Die ttp ist für mich wie ein von außen gut getarnte, aber im Inneren schillernder Schatzkammer. Sie ist ein Geflecht von vielfältig engagierten Personen, die sich vordergründig drei Proberäume und ein Büro teilen. Was die ttp über die Raumverwaltung hinaus auszeichnet, sind die Gestaltungsräume, die sie ermöglicht. Entsprechend den variierenden Arbeitsrhythmen der freien Szene erfindet sich die ttp im kollektiven Miteinander immer wieder neu und adaptiert ihre Struktur: neue Gesichter, neue Bedürfnisse, neue Ideen und Aufgaben. Der Verein versucht immer unbedingt solidarisch zu agieren und gemeinsam Lösungen zu finden. Ein derart basisdemokratisches sowie non-hierarchisches Vereinsleben empfinde ich als besonders inspirierend.

Die ttp steht für mich dafür, Raum zum künstlerischen wie strukturellen Experimentieren zu schaffen, Dialoge zu ermöglichen und mit Beständigkeit ihre Mitglieder auch in unruhigen, prekären Lebenslagen in Ihrer Arbeit zu unterstützen.
Dies bedeutet viel Kommunikation, Diskussion und Verwaltungsarbeit, aber auch das wichtige Lernen, konstruktiv mit Konflikten umzugehen und bei der Lösungssuche immer die Menschen, nicht die Struktur ins Zentrum zu stellen. Eine Qualität, die, wie ich finde, in unserer Zeit nicht genug geübt werden kann.

Woran arbeitest du gerade?

In meiner Arbeit beschäftige ich mich momentan ganz grundsätzlich mit der Frage, wie ich nachhaltig und der Zeit entsprechend Kunst schaffen kann. Was ist die Gegenwart und Zukunft des Tanzes oder des Theaters? Welche Formen der Begegnung und Inspiration brauchen wir in unserer Gesellschaft aktuell?
Ich verbringe viel Zeit damit, mich mit den Arbeitsbedingungen in der freien darstellenden Kunst auseinanderzusetzen. In meinem Tun und künstlerischem Schaffen versuche ich die Art und Weise zu reflektieren, wie wir im Kleinen Gemeinschaft leben und diese gestalten können. Es sind die Fragen nach Präsenz, Selbstverständnis und Handlungsspielraum, die mich umtreiben.
Konkret bereite ich zur Zeit gemeinsam mit der Fotografin Natali Glišić und der Autorin Alexandra Pâzgu eine Projekt mit dem Titel without body vor, das im Juni im Kubus EXPORT präsentiert werden wird. Ein einfühlsamer Körper im Dialog mit dem Stadtraum, dessen Geometrie und Materialität im Fokus steht. Parallel dazu finden Proben für das Stück Glückselig. War gestern, oder? mit dem Lebendigen Tanzarchiv Wien unter der Leitung von Andrea Amort statt Es ist eine Auseinandersetzung mit Zeit und Tanzweise der ersten freien Tänzerin Wiens, Grete Wiesenthal (1885-1970), die am 30. März im brut Wien uraufgeführt wird. Meine Aufgaben sind Produktionsleitung und Dramaturgie.

Was fällt dir ein, wenn du an die Begriffe Tanz und Demokratie denkst?

Tanz ist für mich im besten Fall gelebte Demokratie und bedingungslose gegenseitige Wertschätzung. Tanz verhandelt Präsenz, Bewegungsfreiheit und Handlungsspielraum auf individueller ebenso wie auf gemeinschaftlicher Ebene. - Wer wären wir ohne Körper? Wie begegnen wir einander? Wie stehen wir zueinander? Wie blicken wir einander an? Wie organisieren wir uns in Zeit und Raum?

Im Tanz wird wie in keiner anderen Kunstform der Blick und die Wahrnehmung per se auf den menschlichen Körper geübt. Die Existenz des Menschen selbst steht im Fokus, nonverbale Kommunikation als auch das physische Erleben und Fühlen von Emotionen. Was bewegt uns? Tanz funktioniert - im besten Fall - über alle Kultur- und Sprachcodes hinweg, da er auf der uns alle vereinenden Ebene stattfindet: Wir alle haben einen (intelligenten) Körper, der sich mit einem bestimmten Impuls in Zeit und Raum bewegt.
 

Inge Gappmaier arbeitet als freie Choreographin, Tänzerin, Tanzpädagogin und Tanzwissenschafterin. Sie unterrichtet im Raum für Tanz, istMitglied im ttp WUK und Vorstandsmitglied der IG Freie Theaterarbeit. Inge Gappmaier präsentierte ihre Arbeit u.a. bei brut Wien, Kosmos Theater sowie internationalen Symposien und Festivals.

www.ingegappmaier.at

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