Eine Art Utopietraining.
Wie ist die Idee entstanden einen Audiowalk zu konzeptionieren, der in die mögliche Zukunft einer Stadt blickt?
theaternyx*: über.morgen ist die Weiterentwicklung einer Beschäftigung mit Zukunft und Utopie, die im Projekt QUARTIER 2030 – die Stadt sind wir ihren Ausgang genommen hat. Damit hat Claudia Seigmann (in Zusammenarbeit mit Claudia Tondl) im Herbst 2016 im Areal des Wiener Museumsquartiers gemeinsam mit 18 Beteiligten einen Performance-Parcours entwickelt, der das MuseumsQuartier in eine prototypische Stadt im Jahr 2030 verwandelte. Im Probenprozess hat sich ein positiver, freudvoller Zugang zu einer möglichen Zukunft als besonders inspirierend herauskristallisiert. Das sehr diverse Ensemble erlebte eine Selbstermächtigung, die sich in den Performances auf das Publikum übertragen hat. Nachdem im Q2030 Performer_innen in die Zukunft geführt haben und das Publikum immer wieder in eine aktive, imaginierende, teilhabende Rolle einluden, ergab sich daraus die Frage, wie sich das Erleben für die Zuseher_innen noch intensivieren lässt; wie lassen sich Imagination und Selbstermächtigung der Besucher_innen noch direkter ansprechen. Das war der Kristallisationspunkt für einen Audiowalk, der uns in die Zukunft versetzt.
Ihr fragt in der Ankündigung "Wie lässt sich ein nachhaltiges und gerechtes Leben in der Stadt vorstellen? Wie wollen wir miteinander leben?" Inwiefern gibt der Audiowalk eine mögliche Antwort auf diese Fragen?
theaternyx*: über.morgen führt eine Besucher_innen-Gruppe durch eine mögliche Zukunft von Wien im Jahr 2050. Einerseits mittels einer Erzählstimme, sowie subjektiven Eindrücken von Menschen, die im Jahr 2050 auf die Entwicklungen der letzten 30 Jahre zurückblicken („Zeitzeug_innen der Zukunft“); andererseits mit ihrem Sounddesign projiziert die Erzählung Fragmente einer urbanen Utopie in die Köpfe der Flanierenden.
Da wir die verschiedenen Aspekte dieser Utopie an der Strecke ortspezifisch verankern, tritt an der einen Stelle mehr das eine Thema in den Vordergrund und dann – mit der Weiterbewegung – das andere: die Post-Arbeitsgesellschaft, ihre sozial-ökologischen Absicherungen wie z.B. ein bedingungsloses Grundeinkommen, das zukünftige städtische Mobilitätsnetzwerk, Möglichkeiten lokaler demokratischer Teilhabe und der von uns so getaufte Neurohumanismus: ein Menschenbild, das auf dem Gehirn als sozialem Organ aufbaut.
Mit diesen Themen überschreiben wir die bestehende Stadt. Und da uns die Technik alleine nicht retten wird, spürt die Erzählung auch den veränderten Wertvorstellungen nach, die diese Utopie aus der Tiefe heraus speisen können.
Ihr sprecht von einer Mut machenden Reise durch die Stadt. Inwiefern kann uns der Audiowalk Mut schenken?
theaternyx*: Manche Theoretiker_innen, die sich mit Städten beschäftigen, halten die gebaute Realität für eines der größten Hindernisse für den Willen zu Veränderungen. Fest gebaute Strukturen vermitteln Dauer und suggerieren, es wäre immer so gewesen und würde immer so bleiben. Betrachten wir eine Stadt aber über einen längeren Zeitraum, zeigt sich, dass auch sie einmal so geworden ist, wie sie sich uns jetzt zeigt. Das bedeutet, sie ist in Veränderung und wird auch in Zukunft eine andere werden. Wohin sie sich entwickelt, ist nie ganz festgelegt. Und vor allem ist das von uns Menschen abhängig. Wir machen die Stadt nach dem Bild, das wir von uns selber haben.
Um Zukunft zu denken, brauchen wir genau das: die Vorstellungskraft dafür, dass es auch ganz anders sein könnte. Ein positiver Entwurf, der Sehnsüchte weckt, macht – zumindest uns – mehr Mut als das medial vielfach verstärkte Gerede von der Apokalypse. In diesem Sinn ist der Audiowalk eine Art Utopietraining. Die Utopiemuskulatur ist ja bei den meisten von uns nicht sonderlich stark ausgeprägt…
Könnt ihr schon ein wenig von der Strecke verraten, die die Teilnehmenden des Walk begehen werden?
theaternyx*: Ein Teil des Erlebnisses ist diese gemeinsame Bewegung durch die Stadt; und dass sich die Strecke während des Gehens vor uns entfaltet. Die Strecke selbst zu verraten, wäre daher ein zu großer spoiler. Aber so viel können wir sagen: Wir streifen um bekannte Ecken Wiens und gehen dann wieder Pfade, die sonst nur jene benutzen, die unmittelbar dort leben. Wir tauchen in ein Waldstück ein; wir kommen hoch hinaus; und für einen kurzen Abschnitt der Strecke brauchen wir nicht einen Fuß vor den anderen setzen…