Bewerbungen, Bonbons und Bots

Bewerbungen, Bonbons und Bots

WE:DESIGN: JUGENDLICHE ALS EXPERT_INNEN FÜR BEWERBUNGEN

Kürzlich launchte ein Uni-Wien-Projekt seine Bewerbungs-App. Das media_lab bei WUK work.space begleitete die Entwicklung vom Prototyp bis zur Party.

Es ist einer dieser viel zu warmen Abende Ende September. In der Alten Kapelle des Alten AKH ragt an einem Ende ein Altar hinter der Leinwand hoch. Am anderen Ende ist ein Buffet angerichtet. Brote und Mehlspeisen reihen sich darauf wie zum Rapport. Dann wuseln da noch Jugendliche zwischen den Erwachsenen herum; hier richten sie Kameras her. Dort prüfen sie Aufnahmegeräte auf Empfindlichkeit, Batteriestand und Speicherplatz. Alle Teenager_innen sind adrett angezogen, sie arbeiten nämlich nicht nur, sie feiern heute. An diesem Abend geht eine App online, die sie mitentwickelt haben.

Bewerbungen

Suzana Jovičić von der Uni Wien erinnert sich vor der Tür, wie es überhaupt zum Projekt kam: In ihrer Forschung merkte sie, „dass viele junge Menschen keine Computer oder Laptops nutzen oder zuhause haben, sich aber gleichzeitig sehr oft bewerben müssen.“ Die Anthropologin wusste, so gut wie alle Jugendlichen haben ein Smartphone in der Tasche. Es war und ist für viele die erste und einzige Art Gerät, das digitale Dienste und Anwendungen intuitiv ermöglicht – wenn man von Konsolen absieht. Jovičić kam daher die Idee einer App für Bewerbungen. So entstand das von ihr geleitete Forschungsprojekt We:Design.

Nachdem sich vor 150 Jahren das Telefon, vor 70 Jahren das Autotelefon und dann Tastenhandys in der Berufswelt breitmachten, war auch die Verbreitung des Smartphones nur logisch: Polierer können Bautrupps in Echtzeit Mängel mit Standort und Foto übermitteln. Designer verschicken per Slack ihren Teams neue Pitches und Entwürfe. Berater_innen kommunizieren per Signal sicher mit ihren Klient_innen. Und Jugendliche können mit APPly, der App von We:Design, „sehr einfache Bewerbungsunterlagen erstellen“, erzählt Suzana Jovičić. Wie entstand also die App? Wie wirkten die Jugendlichen vom media_lab an ihr mit?

Bonbons

Die Forscher_innen gewannen nicht nur den Digifonds der AK Wien als Financier; als Partner:innen arbeiteten der HAK Aufbaulehrgang Friesgasse und das media_lab bei WUK work.space mit. Der Zugang des Uni-Wien-Teams war, die Jugendlichen zu Expert_innen zu machen. So gab es drei Projektphasen. In der ersten, der Exploration, produzierten die Teilnehmer_innen des media_lab unter Anleitung von Viktoria Paar Kurzfilme zum Thema Bewerbung. Dabei setzten sie sich mal mehr, mal weniger ironisch und kritisch mit dem Druck auseinander, der auf Jugendlichen beim Eintritt in die Arbeitswelt lastet. Am 20. Juli 2022 zeigte das Top Kino diese Videos. Im Beitrag „DAS ZEUG DAZU“ berichteten wir von der Uraufführung.

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In mehreren Prototyping-Workshops sammelten unsere Jugendlichen und die HAK-Schüler_innen konkrete Ideen. Sie entwickelten Personas wie User Stories für die App. Es entstanden auch erste analoge wie digitale Entwürfe der Oberfläche. media_lab-Absolventin Leona Pitsch taufte die App: APPly, also App und to apply, englisch für „bewerben“. In anderen Workshops wurden Logos entwickelt, und das in agenturartigen internen Wettbewerben des media_lab.

In meiner Rede am Abend erinnerte ich daran, dass die produktive Arbeit unserer Jugendlichen nicht nur durch die offene und respektvolle Art von Suzana Jovičićs Team gelang. Die Forscher_innen knüpften das Band über Monate auch mit etwa „30 Kilogramm Schokolade und Knabbereien“ sowie Bonbons.

Bots

Viele Tische in der Alten Kapelle geben Einblicke ins Forschungsprojekt. iPads zeigen die erwähnten Videos, Zetteln die Skizzen vom Prototyping. Auf einem Tisch am Rand stehen mehrere Kisten voller Bausteine und Robotik-Elemente von Lego. Das erinnert an die dritte Projektphase, die Berufsorientierung. Dabei konnte unsere Werkstatt u.a. das Indie-Game-Studio Broken Rules besuchen (siehe auch unsere Sendung vom Dezember 2022). Bei einem Ausflug ins Computational Empowerment Lab der Uni Wien erhielten die Jugendlichen Einblick in den Forschungsalltag. Dabei konnten sie Videospiele zum Thema Arbeitswelt zocken, einen Lasercutter ausprobieren und eben Lego-Roboter bauen.

An jenem lauen Septemberabend geht We:Design nach achtzehn Monaten zu Ende. APPly ist jetzt da, quelloffen und kostenlos. Entwickelt von Jugendlichen für Jugendliche. Vielleicht geht ja die Kooperation, die Entwicklung der App in irgendeiner Form weiter. Wir alle würden uns freuen.

Tipps: Auf der Projekthomepage von We:Design sind die Videos vom media_lab zu sehen. In der aktuellen Folge des work&chill Radio auf Radio Orange berichtet unsere Werkstatt ausführlich vom Launch von APPly. Dort hört ihr auch die erwähnte Rede, Suzana Jovičić und ein Interview mit dem Programmierer Leo Luttenberger vom We:Design-Team.

APPly ist auf Android und bald auch auf iOS verfügbar.
 

Text: Zoran Sergievski, Trainer media_lab bei WUK work.space
Fotos: We:Design | Rezo und Mario, Teilnehmer media_lab WUK work.space

Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds als Teil der Reaktion der Union auf die COVID-19-Pandemie finanziert.

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