Bewegungsmosaik
„UNISONO“ fragt nach dem Wir, dem Gemeinsamen einer Gruppe oder eines Kollektivs. Warum habt ihr euch für dieses Thema entschieden?
makemake produktionen: Wenn sich eine Gruppe (von Menschen) gleichzeitig bewegt oder spricht, löst das einerseits Faszination, andererseits Unbehagen aus. Unisono ist ein großes Thema im Tanz- und Musikbereich und liegt dem kollektiven Arbeiten sehr nahe. Wir denken Unisono immer in der dem Thema eingeschriebenen Ambivalenz. Wir finden es spannend, dass dieser Prozess dadurch kaum je abgeschlossen sein kann. Unisono kann beides bedeuten: eine Verstärkung der einzelnen Stimme, aber auch deren Auflösung, Anonymität. An dieser Paradoxie arbeiten wir uns ab. Ein Individuum kann in der Masse verschwinden oder durch sie bestärkt werden. Wo verorte ich mich als Individuum und wie individuell kann ich im Kollektiv überhaupt sein? Wann entsteht Harmonie in einer Gruppe, wann Reibung? Wann wird der Einklang zur Norm, wann eine widerstände Praxis, in der ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, in der sich eine Gruppe gegen ein System stellt, ohne gleich sein zu wollen.
Der choreographische Score der Tanzperformance, also die Bewegungsvorgaben an die Performenden, erinnert mehr an mathematische Gleichungen, denn an eine Choreographie. Wie ist es dazu gekommen und was verbirgt sich dahinter?
makemake produktionen: Dieser Score ist nur ein Teil des choreografischen Materials, nicht alles in der Performance ist so „mathematisch“ gebaut. Zu unserem Thema war das eine passende Methode, die Bewegung für eine Szene zeitlich und räumlich zu strukturieren. Die Buchstaben stehen jeweils für eine Bewegungsabfolge der gleichen zeitlichen Länge. Diese werden manchmal gleichzeitig, in unterschiedliche oder gleiche Raumrichtungen getanzt. Dadurch ergibt sich ein Bewegungsmosaik, das verschiedene Überschneidungen und Begegnungen zeigt, sich ständig wandelt und immer neue Perspektiven auf die Bewegungen wirft. Es entsteht ein Bild, das Einzelteile einer Gesellschaft zeigt, die mehr oder weniger übereinstimmen, sich widersprechen, immer jedoch zusammenhängen. Eine Prozesshaftigkeit, die nie durchschaubar ist.
Es gibt aber auch Szenen und Scores, die offener angelegt sind und den Performer_innen mehr Freiraum lassen. Trotzdem: So viel haben wir schon lange nicht mehr gezählt auf Proben.
Bei „UNISONO“ werden Bewegung, Text und Komposition miteinander verschränkt. Wie seid ihr bei der Entwicklung dieses drei Komponenten und ihrer Verschränkung vorgegangen?
makemake produktionen: Erst versuchen wir, uns dem Thema in Gesprächen anzunähern. Es war schnell klar, dass zu “Unisono” alle Beteiligten die Perspektive ihrer Expertise vertreten. Das Wort Unisono hat in den verschiedenen Kontexten eine starke Bedeutung. In der Musik, im Tanz, in der theoretischen Beschäftigung, vor allem sobald wir das Wort öffnen zu Themen wie Gruppendynamik, Massenbewegungen, Zugehörigkeit.
Die Konzeption und Arbeit an den Elementen Bewegung, Text und Komposition passierte teils gemeinsam, teils individuell. In den Proben geht es nun darum auszutesten, wie die einzelnen Komponenten ineinanderfließen, sich ergänzen, sich kontrastieren, wann welches Element in den Vordergrund rückt, bzw. wie sie gleichwertig nebeneinander stehen können - für sich erzählen und ästhetisch wirksam werden. Es gibt Momente, die eine unisono Bewegung zeigen und sich am Reiz der ästhetischen Gleichzeitigkeit laben. Dann gibt es Momente, in denen ein gefühltes Kollektiv entsteht, eine gemeinsame Intention, eine Stimmung. Dann wiederum kommt die Musik oder der Text in den Vordergrund, um die eigene Definition von Einklang und dessen Reflexion zu zeigen.
Bei der Stückentwicklung waren auch acht junge Menschen beteiligt, mit denen ihr im Rahmen eines Workshops gearbeitet habt. Warum ist es euch wichtig die Sichtweise junger Menschen mit einzubeziehen?
makemake produktionen: Da sich das Stück an ein Publikum ab 12 Jahren richtet, war es uns sehr wichtig, uns mit diesen Menschen auszutauschen. Gruppenzugehörigkeit ist im Alter der Teens sehr wichtig, nahmen wir an. Die Altersgruppe ist uns aber so fern wie kaum eine andere, daher wollten wir wissen was Menschen in diesem Alter mit unseren Assoziationen, Texten und Ansätzen anfangen können. Gleichzeitig ist es inspirierend, eine andere Perspektive zu erfahren und sie in die Produktion einfließen zu lassen.
Der von uns konzipierte Research Workshop war ein offenes Angebot, zu dem sich acht jungen Menschen zwischen 12-19 Jahren mit uns für ein Wochenende verbündet haben. Gemeinsam haben wir Themen des Stücks reflektiert, über ihre Erfahrungen und Fragen gesprochen und künstlerisch gearbeitet.