„Die ist so extrem. Ich glaub, die isst Männer.“
Von Spice-Girls-B-Seiten bis zu vermeintlichen Skandalen beim österreichischen Musikpreis Amadeus: Wenn sich die beiden Musikerinnen Mira Lu Kovacs (Schmieds Puls, 5K HD) und Yasmin Hafedh (Yasmo & die Klangkantine) treffen, haben sie einiges zu besprechen. Beide werden diesen Herbst das WUK bespielen.
Die eine – mit ihrer Band 5K HD im Coaching Export-Programm des Europavox-Projekts – stellt am 25. Oktober das neue Album von Schmieds Puls vor. Die andere wird am 2. November mit ihrer Band Yasmo & die Klangkantine die dritte Ausgabe des Festivals Europavox Vienna headlinen. Es soll in unserem Gespräch also um Europa gehen. Als wir das Aufnahmegerät starten, dreht sich die Unterhaltung allerdings gerade um die Kindheitsheldinnen Spice Girls.
Mira: Kennt jemand die Nummer Bumper To Bumper? Letztens hab ich zum ersten Mal den Text verstanden… It’s a bumpy road, I get it! Bei Paula Cole ging es mir ähnlich. Man kennt sie vom Titelsong von Dawson’s Creek. Sie hat aber auch einen anderen Song namens Mississippi – da singt sie „I like it from behind“. Ich hab das als Elfjährige gesungen!!!
Yasmo: Als ich mit Mieze Medusa in Barcelona auf Urlaub war, haben wir Genie In A Bottle von Christina Aguilera bei einer Party-Strandbar gehört. Ich hab den Text lauthals mitgesungen. Dann kam die Stelle mit „rub me the right way“ und ich so, Moment einmal, ah das meint sie! Voll der arge Text!
Weil du Late Night Shows erwähnst: Beim Europavox-Projekt geht es ja auch darum, mittels Popkultur Gemeinsamkeiten zu finden. Ich habe den Eindruck, in Amerika ist die Verbindung zwischen Pop und Politik viel stärker als in der EU, auch weil es eine sehr diverse Late Night-Landschaft gibt.
Yasmo: Popkultur so wie in den Staaten funktioniert bei uns nicht. Was Kultur ist, wird ganz anders definiert. In Europa wird eine Grenze gezogen: Entweder ist es Popkultur und lustig, aber nicht ernst zu nehmen, oder es ist Hochkultur und es ist akademisch.
Mira: Hochkultur ist ein Tourismusschwerpunkt und damit wird viel Geld gemacht. Da ist Österreich einfach sehr traditionsnahe. Die Staatsoper und die Philharmoniker sind Institutionen, an ihnen hängt ganz viel Identität. Und deswegen wird das natürlich anders wahrgenommen und größer geschrieben als Popkultur. In vielen Köpfen gibt es in der Popkultur in Österreich eh nur Falco, und davon muss man sich erst einmal befreien.
Yasmo: Ich hab den Eindruck, dass das in ganz Europa so ist. UK mal ausgenommen, aber die gehören ja eh nimmer dazu. Dort gibt es die gleichen Sendungskonzepte wie bei uns, wie Was gibt es Neues?, aber dort ist es lustig. Da kommt dann nicht ein sexistischer Schenkelklopfer nach dem anderen, sondern es ist sophisticated und das funktioniert. Popkultur ist ja etwas mit mass appeal, und wenn man sich die Masse in Österreich ansieht… Da sitzen alte weiße Männer und bei Was gibt es Neues? sitzt dann noch eine Frau…
Mira: … die dann sagt: „Ich bin eh eine von euch, ich finds eh auch lustig, haha, ich bin nicht so eine blöde Feministin, die sich über alles aufregen muss.“ Es gibt eigentlich eh nur eine Show, die ein bisschen kritisch ist – und das ist Willkommen Österreich, auch wenn es bei weitem nicht provokant genug ist und es auch wieder zwei weiße Männer sind. Das ist für mich ein Guilty Pleasure. Das schau ich mir manchmal an, obwohl ich mich über viele Aussagen ärgere.
Yasmo: Birgit Denk muss gelobt werden. Die hat nämlich Popkultur verstanden. DENK mit KULTUR ist eine Late-Night-Show, wie sie sein sollte: lustig, kurzweilig und catchy. Sie stellt nicht so Fragen wie „Hey Yasmo, wie kommst du eigentlich auf den Namen Yasmo und was sagst du zum Feminismus?“ Sondern Joke, Joke, Joke und läuft.
Mira: Ich liebe auch den Podcast WTF with Marc Maron. Das ist der grantige Typ aus Glow, aber eigentlich Comedian und ein reflektierter, weißer Mann in LA. Er fragt schon auch „Woher kommst du?“ und „Wie bist du dazu gekommen?“, aber besser. Am Ende versteht man, wie zum Beispiel eine ganze Generation zum Trap gekommen ist. Es braucht auch solche Formate, wo nicht nur am Ende der Sendung wer auftreten darf.
Hat das etwas mit der Erwartungshaltung an Künstlerinnen zu tun?
Yasmo: Meine Erfahrung als Arthur Liter war, dass die Menschen, die dich buchen wollen, vieles unterschätzen. In der Literaturecke mach ich mein Booking noch immer selber, aber als ich selbst. Mittlerweile bin ich alt genug, dass ich auch als Frau ernst genommen werde. Die Firmen, die es haben, sind überhaupt nicht zuvorkommend, und die, die es nicht haben, schon.
Als ich herausgefunden habe, dass viele Showcasefestivals nur wenig Gage zahlen, war ich verwundert. Was hat man dann als Band davon?
Mira: Was man bei Showcasefestivals bekommt, ist ein tatsächlich interessiertes Publikum. Wenn da kein großer Act dabei ist und Menschen kaufen trotzdem Tickets, dann sind sie wirklich interessiert. Das Bemühen dahinter ist absolut zu loben. Aber grundsätzlich ist es ein bisschen schwierig. Weil wer zahlt dann drauf? Es haben sicher viele Bands Erfahrungen von Showcasefestivals, bei denen in Folge nicht viel passiert ist. Dann ist es eigentlich ein Investment von den Bands in die Industrie und nicht umgekehrt.
Yasmo: Würden wir beim Reeperbahn Festival spielen, müssten wir die Kosten aus der Bandkassa übernehmen, schon ohne Gagenausgleich. Wir wollen aber auch noch den Anspruch erheben, dann trotzdem aus unserer Bandkassa eine kleine Gage für jeden zu zahlen.
Wie steht ihr dazu, wenn das Geld von einem Mäzen kommt, mit dem man eigentlich nicht assoziiert werden will? Es gab ja heuer eine Kontroverse im Zusammenhang mit dem Red Bull Festival in Wien, die durch einen offenen Brief von DJ Resista ausgelöst wurde. Wie hättet ihr reagiert?
Yasmo: Schapka haben das beim Popfest super gemacht. Sie sind zwar auf der Red Bull-Bühne aufgetreten, haben sich aber gegen den Konzern ausgesprochen. Überleben muss man halt auch irgendwie. Ich habe heuer ein Stipendium bekommen, über das ich mich sehr gefreut habe, aber es macht eigentlich überhaupt keinen Sinn, von dieser Regierung ein Stipendium zu bekommen. Klar nehm ich das Stipendium an, aber ich werde trotzdem diese Regierung kritisieren.
Mira: Absolut. Staatliche Gelder für Kunst? Lasst es springen. Ich war ja 2016 bei der RBMA. Man muss dazu sagen, dass die RBMA sehr viele gute Dinge versucht und veranstaltet. Vieles finde ich auch scheiße. Für mich war es aber eine super Erfahrung. Chilly Gonzales hat einen Vortrag gehalten. Ich habe Björk kennen gelernt. Aber der Rest der Welt checkt ja nicht wirklich, was Red Bull ist und wer da dahintersteckt.
Yasmo: Es ist ja auch was anderes, ob du für sie auftrittst oder ob du dich von ihnen kaufen lässt.
Mira: Ich möchte ehrlich gesagt nicht mehr auf Red Bull Bühnen stehen, wenn ich es mir leisten kann. Es ist halt schwierig, weil die RBMA natürlich von dem Red-Bull-Geld lebt. Wo findet ein bemühter Verein – da stecken ja viele super Leute dahinter – wie die RBMA sonst einen so großen Geldgeber? Ein Dilemma?
Ist es eine Lösung, zu thematisieren, wer wohinter steckt?
Yasmo: Das hab ich mal beim Stadtfest gemacht. Da hat ein ÖVP-Funktionär eine Eröffnungsrede darüber gehalten, wie schön es ist, dass es endlich einen Poetry Slam am Stadtfest gibt. Ich war die erste Poetin und hab einen Anti-ÖVP-Text gemacht. Es war ihm so unangenehm.
Mira: Wenn du das nutzt und so eloquent und wortgewandt bist, ist es super. Ich kann schon reden, aber manchmal fehlen mir die Worte. Wenn ich weiß, ich werde vor Wut beben und kann meine Gitarre nicht mehr halten, dann weiß ich, ich sollte es nicht machen.
Yasmo: Ich bin zum Sommergespräch vom Standard eingeladen worden, um mit der Frauenministerin zu reden, und hab es abgelehnt, weil ich gewusst habe, dass das nicht funktionieren kann. Ich habe Gender Studies studiert und kann alles argumentieren, aber ich wäre wahrscheinlich nur fassungslos dagesessen.
Mira: Das versteh ich. Wenn man gar keinen Common Ground findet, wo soll man anfangen? Ich war bei einer Veranstaltung in St. Pölten eingeladen, die von einem Verein organisiert wurde, aber dann saß da die niederösterreichische Regierungsspitze drin. Das hatte ich nicht erwartet. Ich habe es zum Glück geschafft, die allgemeine Message unterzubringen: St. Pölten darf nicht Wels werden. Kulturförderungen gibt es dort einfach nicht mehr. Oberösterreich war kulturell ein strahlendes Juwel und mittlerweile ist einfach alles gekürzt.
Ihr habt beide auch beim österreichischen Musikpreis Amadeus ein Statement gesetzt. Die Awardshow bringt fast nur männliche Gewinner hervor. Mira, du hattest 2017 ein T-Shirt mit der Aufschrift „Make Feminism A Threat Again“ an...
Mira: Das war ihnen allerdings zu extrem.
Ich wollte nämlich fragen, wie die Reaktionen darauf waren.
Mira: Do you wanna tell them, honey? Or should I?
Yasmo: Es war wunderbar. Als wir heuer unseren Auftritt geplant haben, bin ich alle Frauen durchgegangen und hab sie angerufen, ob sie mitmachen. Wenn der Amadeus auf dich zukommt und sagt „Wir hätten gern Girls Wanna Have Fun“, dann will ich auch was damit aussagen. „Ach so, ihr wollt die feministische Botschaft, versteh schon. Dann macht ihr aber auch, was ich will und nicht umgekehrt. Ich brauch nicht euch, ihr braucht mich.“ Da war ich ganz Business. Darauf meinte der Regisseur sinngemäß: „Super, feministisches Statement, nicht so arg wie die Schmieds Puls letztes Jahr.“ Wir haben uns alle verwirrt angeschaut. Du hattest ja nur dieses Leiberl an.
Mira: Jetzt glauben alle: „Die ist so extrem. Die ist echt oag, ich glaub die isst Männer.“ Not all men! Ich hab übrigens einen so guten Witz auf Twitter gelesen zu diesem #notallmen Hashtag, den Männeraktivisten benutzen: „Wie viele Männer braucht es, um eine Glühbirne auszutauschen? Not all men!“ Seit ich denken kann, sagt immer irgendwer: „Aber nicht alle Männer,… aber ich mach das nicht.“
Dass ihr keine Männerhasserinnen seid, liegt ja auf der Hand. Ihr umgebt euch in euren Bands mit Männern.
Mira: Aber die hasse ich total.
Yasmo: Die sind nur da, um uns anzutreiben. Die sind nur Beiwerk.
Mira, dein letztes Album hieß I Care A Little Less About Everything Now. Was hat sich mit dem neuen Album geändert? Wie fühlt es sich an, ein kräftiges „Fuck You“ in die Welt zu singen?
Mira: Es fühlt sich gut an. Es ist mit einem Augenzwinkern gesungen. Ich spiele ja normalerweise keine Powerchords mit fetten Verzerrern, aber es hat Spaß gemacht. Am Anfang gab es nur den Refrain, als wir bei einer Probe zwischendurch über Leute geredet haben, die einem nicht auf Augenhöhe begegnen. Und dann war da dieses „Fuck you and all your friends“ und es hat mich total glücklich gemacht. Es ist eher ein Befreiungssong für alle, die sich in ihrer Wut manchmal gefangen fühlen und in ihren Konflikten missverstanden. Es gibt meistens gute Gründe, warum man wütend ist. You’re not crazy, it’s really happening und du darfst auch wütend sein.
Eigentlich schön, dass es keine nach außen gerichtete Wut ist, sondern du singst das und fühlst dich damit besser. Yasmo, euer Motto „1000 Liebe“ geht ja auch eher in die positive Richtung.
Yasmo: Am nächsten Album wird’s ein bisschen anders, aber die 1000 Liebe bleibt. Beim letzten Album hab ich textlich wirklich versucht, alles mit Positivmeldungen auszudrücken, gerade bei den politischen Songs, um den Hörer in die richtige Richtung zu lenken. Da war gerade die Bundespräsidentenwahl und mein Motto war: „Wir machen jetzt ein Album und dann wählen alle Van der Bellen!“ Und jetzt ist die Lage noch verzwackter. Das 1000 Liebe-Ding ist etwas tief verankertes. Ich glaube ganz fest an Zusammenhalt von Menschen.
Mira: Ich finde gar nicht, dass man das als positive und negative Sprache gegenüberstellen kann. In dem Moment, in dem du dich verstanden fühlst oder dich wiedererkennst, ist das für dich nicht positiv oder negativ, sondern du bist dann ein Teil davon, was gesagt oder gesungen wird. Die Personen, die sich beim Spruch „Make feminism a threat again“ angegriffen gefühlt haben, haben ihn überhaupt nicht verstanden. Es ist keine Drohung für diejenigen, für die das ein Thema ist, über das geredet werden muss. Den einen befreit es, den anderen beklemmt es, weil er nicht versteht, was abgeht. Das „Fuck you“ ist auch nicht als „Alles ist scheiße und ich hasse Männer“-Aussage gedacht, sondern es ist ein erleichertes „Ich darf es sagen, weil du darfst mir egal sein und ich gehe weg von dir voller Stolz und hab ein wunderbares Leben“. Also auch sehr lebensbejahend und gemeinschaftsstiftend. Ich finde auch den Text von Girls Wanna Have Fun voll super. Damit veränderst du womöglich wahrhaftig vereiste Bilder in den Köpfen!
Interview: Teresa Havlicek und Astrid Exner