„Wir kommen nicht zusammen, obwohl wir ähnliche Agenden haben.“
Warum ist Performance wieder en vogue? Da war ein riesiger Gap zwischen den 1970er-Jahren bis in die 2000er, in der Performance mehr oder weniger ein Nischendasein gefristet hat.
Ich glaube, dass man mit dem Körper Dinge abhandeln kann, für die es oft keine Sprache gibt. Die Performance bietet eine direktere physische Art und Weise, Bilder herzustellen. Das trifft einen Nerv. Ich mache das aus einer inneren Notwendigkeit, nicht weil es „in“ ist. Man kann Dinge seh-, hör- und fühlbar, das funktioniert mit anderen Kunstformen so nicht immer.
Das trifft gerade auch gut auf feministische Themen. Performance war schon immer auch ein feministisches Kunstgenre.
Ja, ich denke, dass Performance das ideale Mittel ist, die Bilder, die Massenmedien – auch Social Media – von Frauen herstellen, zu redefinieren. Auch soziale Normen lassen sich so infrage stellen und es gibt die Möglichkeit unsere Vielseitigkeit in allen Farben und Formen sichtbar zu machen. Man eignet sich etwas an, definiert es aber neu. Es geht auch um ein Recht auf Eigendefinition. Performance eignet sich perfekt dafür.
Social Media haben den Feminismus ja einerseits vorangetrieben, andererseits auch das Problem verstärkt, dass Feminismus immer mehr zum Lifestyleprodukt verkommt, zu einem Wohlfühlslogan. Inzwischen kann man T-Shirts von Dior erstehen, auf die der Spruch „We should all be feminists “ gedruckt ist – eines kostet btw. 550 Euro. Hat der Feminismus seine eigentliche Mission verraten?
Ich sehe auch sehr kritisch, dass Feminismus kommerzialisiert und zweckentfremdet wird. Im besten Fall macht diese Präsenz ihn zugänglicher, gesellschaftsfähiger, nimmt in diesem Zuge die Forderungen ernst und führt zu einem Empowerment aller Geschlechter. Schwierig wird es, wenn der Kommerz Feminismus mit misogynen Botschaften und Haltungen vermischt. Auch verkommen die Inhalte mit dem Schlagwort Feminismus, da sind schnell die Fronten verhärtet, anstatt einen Dialog zu führen und sich auszutauschen. Das finde ich sehr schade. Man darf auch nicht vergessen, dass es viele Arten und Formen von Feminismen gibt und so viele sehr wichtige Forderungen. Ich wünsche mir, dass diese trotz Kommerzialisierung ernst- und wahrgenommen werden.
Du bist sportlich, Sport oder auch Yoga ist in deinen Produktionen eigentlich auch oft präsent, wenn nicht sogar Thema, wie in der Performance-Serie "Art Work Out". Was hältst du von den ganzen neuen Slogans wie „strong ist the new sexy“? Geht es bei der ganzen Athletik-Propaganda wirklich um „strong“ im Sinne von Selbstermächtigung?
Ich denke, da geht es vordergründig um einen weiteren Schritt der Körpernormierung. Für mich ist die Köperarbeit natürlich wichtig, das Gefühl, mein Körper gehöre mir. Natürlich kämpfe ich aber auch immer mit diesen Normierungszwängen, die in unserer neoliberalen Gesellschaft sehr präsent sind. Es ist natürlich auch eine Form der Kontrolle. Der Körperkult war immer da. Ich schau mir auch regelmäßig Formate wie Germanys Next Topmodel an, die sicher ganze Generationen prägen und mich gleichzeitig faszinieren und unglaublich ärgern.
Um was geht es in deiner kommenden Arbeit „DU (aber eigentlich geht es um mich)“?
Es handelt von Projektionen, Missverständnissen, auch vom Glauben, Erwartungen erfüllen zu müssen. Da geht es sehr viel um unser Selbstbild. Ich sehe uns Performer_innen wie Avatare, leere Hüllen. Wir kommen nicht zusammen, obwohl wir ähnliche Agenden haben. Wir missverstehen uns. Es wird sicher auch sehr visuell und abstrakt. Das „Du“ steht auch für den omnipräsenten neoliberalen Imperativ: „Sei du selbst“ oder „Mach, was du willst“.
Barbis Ruder
"DU (aber eigentlich geht es um mich)"
Fr 23.6. bis So 25.6., 20 Uhr
Saal