DanceAbility

Tänzer_innen und ein Rollstuhl liegen auf Leinwand mit Farbe verschmiert.
© Andrew Rinkhy

DanceAbility

Interview mit Vera Rosner-Nógel

DanceAbility im WUK ist eine einzigartige Möglichkeit zu tanzen, die für alle offen ist – für erfahrene und weniger erfahrene Tänzer_innen, für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Die Menschen kommen, um zu tanzen, Spaß zu haben, sich künstlerisch zu entfalten und eine gemeinsame Sprache, die Sprache des Körpers und der Bewegung zu entwickeln.

Du selbst bist Rollstuhlfahrerin. Wie bist du zum Tanzen gekommen?

Sehr spät. Ich dachte immer, dass Tanzen nur für Leute ohne Behinderung in Frage kommt. Angesprochen hat mich Alito Alessi, der Gründer von DanceAbility International: „Would you like to dance with me?“ – ich war unangenehm berührt und habe ihn weggeschickt. Und war dann baff, wie viel Spaß es macht.

Was sind die Angebote von DanceAbility?

Jeden Freitag von 17-19 Uhr findet eine offene Gruppe statt, jeden Montag Training in geschlossener Gruppe. Wir veranstalten DanceLabs, zudem finden Proben für Straßeninterventionen und Showings uvm. statt.

Es entstehen also auch Arbeiten für Bühne und Publikum?

Straßenkunstinterventionen, Showings, Präsentationen werden erarbeitet. Bühnentanz ist eine andere Schiene, wobei einige Tänzer_innen in beiden Welten verankert sind. Dazwischen liegt das Format Jattle, BAM + poetry, wo sich Improvisation in Wort, Musik und Tanz findet.

Was sind eure Ziele?

Kommunikation durch Bewegungssprache, …
Wir haben keine definierten Ziele, obschon das Tanzen viele positive „Nebeneffekte“ hat.  

Warum tanzen? Eignet sich Tanz besser als andere Kulturtechniken, um sich mit dem Verhältnis Behinderung – Nichtbehinderung auseinanderzusetzten?

Tanz ist sicher nicht die einzige Möglichkeit, doch eine ganz wundervolle. Mich hat fasziniert, dass es jenseits der Sprache so viele Möglichkeiten gibt. Und ich bin der festen Meinung, dass viele Probleme zwischen Menschen gar nicht entstünden, wenn sie schon einmal fein miteinander getanzt hätten.

Wie ist das Verhältnis von inklusiven zu künstlerischen Ansprüchen?

Ich sehe DanceAbility als Community Tanz, als eine Basis. Für Bühnentanz gelten die gleichen Regeln wie in nicht-mixed-abled Compagnies.

Tanzworkshop Rosner mit Kindern im Turnsaal.
© Clarubel Koss

Auf eurer Homepage bin ich auf das Projekt "Reduzierte Vielfalt" gestoßen, für das ihr tanzinteressierte Rollstuhlfahrer_innen sucht. Vielleicht kannst du dieses Projekt kurz beschreiben?

Im Rahmen eines Workshops für Rollstuhltechnik mit Katharina Zabransky und Sabine Wutschek ist die Idee einer Straßenperformance entstanden. Sind Rollstuhl fahrende Menschen im öffentlichen Raum meist vereinzelt anzutreffen, kehrt die Performancegruppe dieses Verhältnis für eine Weile um. Zeit und Raum sind wesentliche Aspekte im Tanz, die gehend und gerollt ihre Poesie entfalten können.

Was würdest du sagen, sind die größten Hindernisse bzw. Diskriminierungen, denen Menschen mit Beeinträchtigungen im Alltag ausgesetzt sind?

Es beginnt schon bei den baulichen Hindernissen: Wenn bereits das Hineinkommen ein Problem ist, fühlt man/frau sich nicht willkommen. Sogar im WUK können wir an vielen Veranstaltungen nicht teilnehmen. Manchmal bin ich dann des ewigen Kämpfens müde und bleibe einfach weg. Mein Alltag ist sicherlich schwieriger als von Leuten ohne Behinderungen: alleine am Morgen brauche ich länger, bis ich aus dem Haus komme, ich muss immer überlegen, wie ich wo reinkomme, ob ich Assistenz mitnehmen soll. Darf ich etwas trinken im Café? Oder haben sie kein WC für mich?
Sitze ich im Theater neben meinem Partner? Oder irgendwo am Rand, wo die Akustik Mist ist?

Zwei Menschen beim Tanztraining
© Lilli Strauss

Da wären wir auch schon beim großen Stichwort Inklusion.

Inklusion ist ein Un-Wort für mich. Inklusion sagt ja auch, dass man/frau jemand inkludieren will/soll/muss. Gäbe es echte Inklusion, wäre das Wort fehl am Platz, weil dann eh schon alle dabei sind. Ein „Seiteneffekt“ von DanceAbility ist, dass die Leute die Dinge anders sehen. Ich denke, es passiert mehr Inklusion, wenn wir gemeinsam Pizza backen oder Blumen setzen, als wenn ich einen langen Vortrag über Teilhabe halte. Meiner Meinung nach kann man/frau das gemeinsame Erleben gar nicht überschätzen.

Wir führen dieses Interview zu Jahreswechsel. Was ist dein radikalster Wunsch oder deine radikalste Forderung?

Echte Teilhabe – Gerechtigkeit – das klingt simpel, wir sind jedoch weit davon entfernt: Viele Menschen mit Behinderungen leben in Österreich nicht in frei gewählter Wohn- oder Arbeitsform, sind ihr Leben lang Sozialhilfeempfänger_innen ohne Aussicht auf eine Pension mit einem Taschengeld von € 35 und zwar im Monat! Die Arbeitslosenstatistik für uns ist besonders hoch und Frauen mit Behinderungen haben ein wesentlich höheres Risiko, Gewalt zu erfahren als nichtbehinderte Frauen.

Kehren wir noch einmal zurück zu deiner Arbeit als Tänzerin, die sich sich zwischen Community-Dance und High-End-Kunst bewegt. Wie siehst du das Verhältnis dieser beiden Pole?

Dieses Thema wird tatsächlich oft heiß diskutiert. Einerseits behaupten Kulturvereine und Werkstätten immer wieder, dass das, was sie tun, Kunst ist, andererseits gibt es die High-End-Kunst. Innerhalb dieses Bogens passieren viele Dinge.
In Österreich wird klar getrennt und Leute mit sogenannten Behinderungen kommen erst einmal automatisch ins Schachterl „Soziales“, auch bei Fördergebern. Nur sehr langsam weicht das auf, da Leute wie Michael Turinsky, Cornelia Scheuer, Elisabeth Löffler auf die Bühne getreten sind.
In England ist der Umgang entspannter und fließender. Adam Benjamin, der Gründer von Candoco Dance Company of Disabled and Non-Disabled Dancers, der zur Zeit an der Uni Plymouth Tanz unterrichtet, hat mir erzählt, dass bei ihnen Förderkriterium Numero Eins ist, ob die Theater voll sind. Ausverkaufte Häuser – und die Compagnie wird weiter unterstützt.
Auch haben dort fast alle Compagnien offene Trainings und Workshops, wo jedermann und frau mittrainieren kann. Und es gibt viele semi-professionelle Gruppen, die sich dann einen Profi dazu holen für einzelne Stücke. Dazu kommt wohl der britische Humor. Sie halten auf der Bühne nicht so viel von Correctness und da entstehen oft skurrile, spannende und unerwartete Dinge. Zu viel Correctness kann ziemlich lähmend sein, doch das ist meine Meinung und da bin ich auch schon angeeckt.

Das Interview führte Susanna Rade.

DanceAbility

mixed-abled dance

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Do 23.2., 13 – 15 Uhr, Saal

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