Olivier Heim
Aus deiner Musik kann man diffuseste Einsichten gewinnen, unterschiedlichste Einflüsse herauslesen. Du bist bereits viel herumgereist, welchen Orten fühlst du dich zugehörig oder verbunden?
Geboren bin ich in den Staaten, außerhalb von Washington D.C., und aufgewachsen in Luxemburg, meine Eltern kommen jedoch aus Holland. Seit sechs Jahren lebe ich in Warschau, Polen. Obwohl ich mich nicht wirklich zu einem bestimmten Ort zugehörig fühle, habe ich im Generellen kein Problem damit, die Rolle des Außenseiters einzunehmen, wo auch immer ich bin.
Wie könnte man deine Wahlheimat Polen – abseits des politischen Diskurses, der Kontroversen, die gerade jetzt sehr präsent sind – erklären, worin besteht die Faszination dieses Landes für dich?
Polen ist ein Land, in das ich mich vom ersten Moment an verliebt habe. Es hat eine wunderschöne, vielfältige Landschaft. Von weißen Stränden über Urwälder, bis hin zu eindrucksvollen Berglandschaften. Unbedingt besuchen sollte man die Altstadt von Warschau, sie bietet ein großes Spektrum an alter und neuer Architektur. Schön und hässlich zugleich, das ist ihr einzigartiger Charakter.
Viele Musiker_innen setzen auf Radikalität, auf Bombast und Lautstärke, um aufzurütteln oder anzuecken. Deine Musik hingegen ist gespeist von Gelassenheit, ist unaufdringlich, deine Texte sind schwelgerisch. Siehst du das genauso?
Meine Musik wird immer wieder als melancholisch und beruhigend beschrieben. Ich genieße das Gefühl, wenn Glück auf Traurigkeit trifft. In diesem Moment passiert etwas, wodurch beide Gefühlserfahrungen profitieren und sich ergänzen. Was meine Texte betrifft, versuche ich „down to Earth“ Alltagsgeschichten zu erzählen. Mein letztes Album „A Different Life“ erzählt Geschichten über das Reisen, das Leben an unterschiedlichen Orten, das Kennenlernen von Menschen und über die Momente, in denen man beschließt, etwas zu verändern und neu zu starten.
Du lebst nun schon länger in Europa als in den Staaten. Sind es dennoch die amerikanischen Musikgrößen, die dich in deinem musikalischen Schaffen am meisten beeinflussen?
Als Kind habe ich sehr viele Oldies und Popsongs aus den 50ern bis hin zu den 80ern gehört. Bands wie The Beach Boys, Marvin Gaye, Leonard Cohen oder Neil Young gefallen mir noch immer sehr gut. Was zeitgenössische Musik betrifft, bin ich aufgewachsen mit Nirvana, Sonic Youth und PJ Harvey. Im Moment begeistern mich Musiker wie Kurt Vile, Cass McCombs oder Connan Mockasin.
Du tourst ziemlich viel. Dieses Jahr hast du unter anderem bereits in London, Paris, Manchester und Berlin gespielt. Was macht eine Live-Show für dich besonders?
Ich hasse die Stunde vor dem Auftritt. Das Warten, bevor man auf die Bühne gehen kann, macht mich nervös. Doch wenn es endlich soweit ist, werde ich sehr euphorisch. Auch nach dem Ende einer Show überkommt mich eine Welle positiver Energie. Besonders bereichernd finde ich es, wenn das Publikum begeistert ist und es nach der Show noch Zeit für Gespräche gibt.
Inwiefern halten Spontanität und Improvisation Einzug in deine Liveshows? Änderst du ab und zu während einer Show deine Songtexte?
Normalerweise schreibe ich meine Texte, nachdem ich den Song fertig komponiert habe. Wenn wir einen neuen Song auf der Bühne performen, kommt es manchmal vor, dass ich tatsächlich noch keinen Text dafür geschrieben habe. Aber ich denke, es hat bis jetzt niemand bemerkt, dass ich manchmal improvisiere.
Worauf freust du dich beim Europavox Project, das ja dieses Jahr zum ersten Mal in Wien stattfinden wird?
Ich freue mich darauf, Wien mit meiner Band zu erkunden und vor dem Wiener Publikum zu spielen. Mit Freunden auf Tour zu sein, ist die beste Art, Zeit miteinander zu verbringen. Ich war nur einmal kurz in Wien, am Weg nach Bratislava. Deshalb freue ich mich umso mehr, die Stadt kennenlernen zu können.
Welche Möglichkeiten und Perspektiven ergeben sich durch ein Projekt wie Europavox für Musiker_innen?
Festivals wie Europavox bieten die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen und ein neues Publikum zu erreichen. Die Zeit unterwegs gibt mir neue Kraft, um weiter zu machen. Du weißt nie, wo und wann du jemanden zum Zusammenarbeiten triffst. Doch ein Festival wie Europavox, bei dem viele Künstler_innen zusammenkommen, bietet auf jeden Fall die Möglichkeit, so jemandem zu begegnen.
Siena Brunnthaler ist Seewiesenfest-Veteranin und Studentin der Politikwissenschaft, absolviert derzeit ein Praktikum im WUK.
Europavox Project
Steaming Satellites, Wrongonyou, Olivier Heim
Fr 4.11., 20 Uhr, Saal