Anerkennung für ein perfektes Muttersein
Zum Saisonstart von WUK performing arts zeigen die Rabtaldirndln das Stück Luise 37. Schauplatz ist ein zu Wohlstand gekommener Ort im Speckgürtel einer Stadt. Dort hat sich für viele Jungfamilien der Traum vom eigenen Haus oder vom Leben in einer adretten Wohnsiedlung erfüllt. Doch das Leben fährt an den jungen Frauen vorbei „wie die Pendler auf der Bundesstraße“.
In eurem Stück geht es um eine neue Generation Hausfrauen, Latte-macchiato-Mütter, wie man sie auch nennt. Warum habt ihr dieses Thema gewählt?
Wir entwickeln in der Gruppe immer Stücke zu Themen, die uns in unserem persönlichen Umfeld begegnen. Im Fall von Luise 37 war das die Thematik der sogenannten „Fußballmutter“. Die ist in unserer Performance keine Latte-macchiato-Mutter, sondern eine sehr eingespannte Frau, die es schafft, Haus, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Sie ist wegen der Kinder und aus Kostengründen in den Speckgürtel gezogen und sitzt ständig im Auto, um ihre Kinder zu diversen Freizeitaktivitäten zu bringen.
Wie habt ihr für euer Stück recherchiert?
Wir haben Interviews mit Frauen geführt, die ihre Kinder bis zu viermal die Woche zum Fußballplatz bringen. Wir waren an einem Wochenende bei einem Wettkampf dabei und haben die Atmosphäre aufgesogen. Und wir haben einige Male selbst an einem Fußballtraining teilnehmen dürfen.
Sogar berufstätige Frauen kümmern sich nahezu allein um Kinder und Haushalt. Warum lassen sich Frauen so schnell in alte Rollen drängen und verlangen nach wie vor so wenig von ihren Partnern?
Das liegt wohl daran, dass wir da so eine Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen. Viele der Interviewpartnerinnen waren halbtags beschäftigt. Wenn der Mann in seinem Beruf mehr verdient, wäre es ja blöd, wenn er zu Hause bliebe. Oft läuft auch noch ein Kredit auf das Reihenhaus. Und dann hat Kinder und Haushalt zu managen natürlich wenig Reputation, das ist etwas Dienendes, und dafür sind noch immer die Frauen zuständig – unbezahlt, versteht sich. Das hat viel mit unserer Erziehung zu tun. Was dann passiert, ist, dass dies bei den Frauen einen Karriereknick nach sich zieht und dass dadurch erfolgreiche Männer in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter sind. Und damit beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Wir hatten aber auch eine Interviewpartnerin, die einen Vollzeitberuf ausübt und deren Mann Kinder und Haushalt betreut. Aber das ist tatsächlich leider noch immer eine Ausnahme.
Woher kommt der Anspruch, Kinder perfekt fördern zu müssen, sprich Baby-Yoga, Chinesischkurs ab zwei, Violineunterricht ab drei? Es scheint, als würden diese Mütter nicht nur sich, sondern auch ihren Kindern ziemlich viel zumuten.
Vielleicht ist es unsere Wettbewerbsgesellschaft. Das Dogma des Neoliberalismus, dass du deines Glückes eigene Schmiedin sein musst. Und da kann man mit dem Aneignen von Fertigkeiten und Fähigkeiten nicht früh genug beginnen. Das möchte man, die finanziellen Möglichkeiten vorausgesetzt, seinen Kindern nicht vorenthalten. Und wer weiß, vielleicht wird die eigene Tochter ja Cellospielerin in einem Orchester, und falls es dafür nicht reicht: Es ist bewiesen, dass Cellospielen Gehör, Ausdauer und Koordination trainiert. Die andere Seite ist die Projektion. Oft genug hört man „WIR haben morgen Schularbeit“, „WIR können schon Rad fahren“. Also ist der Erfolg meiner Kinder auch mein Erfolg.
Bedeutet Muttersein nach wie vor die Bankrotterklärung für die Karriere? Oder wartet ohnehin nur auf wenige Frauen eine Karriere, und man kann sich so zumindest gesellschaftliche Anerkennung als perfekte Mutter abholen?
Eine Karriere wartet eben leider nicht. Man müsste in diesem Zusammenhang auch über die Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen sprechen, über die gläserne Decke. Und gesellschaftliche Anerkennung für ein perfektes Muttersein, das klingt bestenfalls nach einem manipulativen Schmäh.
Das Gespräch führte Helma Bittermann
Saisonabschluss WUK performing arts
Marlene Hausegger, Indira Nunez, Die Rabtaldirndln und Charlotta Ruth.
Fr 9.9. und Sa 10.9., 19 Uhr, Saal, Foyer, WUK Areal