Zuhause in der Schule
„Mich erinnert das österreichische Schulsystem ein wenig an Schönheitschirurgie“, sagt Aimée Blaskovic. „Es wird nicht an der Wurzel behandelt, sondern es werden Falten ausgebessert.“ Was die 40-jährige Künstlerin zur Bildungsexpertin macht? Ganz einfach: Aimée Blaskovic ging jahrelang zur Schule. Und doch war bei ihr alles ganz anders. Blaskovic gehörte zu jenen 16 Kindern, mit denen 1980 in der Tempelgasse im zweiten Bezirk das Abenteuer „Schülerschule“ begann: eine basisdemokratisch organisierte Alternativschule ohne Noten, Hierarchien und Zwänge, dafür mit ganz viel Mitbestimmungsmöglichkeiten. Mitte der Achtziger übersiedelte die Schule ins WUK, Anfang der 1990er wurde der Name dem emanzipatorischen Selbstverständnis angepasst. Seitdem heißt sie Schüler_innenschule.
„Schade, dass das Thema Schule oft so negativ besetzt ist, auch im öffentlichen Diskurs“, sagt Blaskovic. „Denn Schule kann so schön und freudvoll sein.“ Jetzt könnte man natürlich abwägen, relativieren und vorsichtig um den heißen Brei herumreden. Man kann es aber auch ganz direkt formulieren: Das österreichische Bildungssystem ist ein Problembär. Es ist teuer, ineffizient und von Mittelmäßigkeit geprägt, es verfestigt soziale Gegensätze anstatt sie aufzuweichen, es sorgt für viel Frust und wirkt weitgehend veränderungsresistent.
Und doch ruft das Konzept „Schule“, wie man es nun einmal kennt, meist weniger Irritation und Widerspruch hervor als Gegenentwürfe dazu. Kinder, die Alternativschulen besuchen, werden nach wie vor skeptisch beäugt, ihre Eltern haben Erklärungsbedarf, ebenso die Lehrer_innen, die dort unterrichten. Weil offenbar nicht sein kann, was nicht sein darf: dass Schule auch ganz anders funktioniert. Ohne Lernstress, ohne Schularbeiten, ohne Disziplinierungen, ohne starre Lehrpläne und vor allem: ohne Ängste.
Von Gerhard Stöger
35 Jahre Schüler_innenschule
Buchpräsentation „Zuhause in der Schule“
Moderation Corinna Milborn
Anschließend Fest
Fr 8.5., 19 Uhr (Einlass 18 Uhr), Projektraum und Schüler_innenschule
Eintritt frei