Mein Rave ist jeden Tag
Lazyblood und Ravemachine
Zum Saisonabschluss präsentiert WUK performing arts einen Doppelabend mit zwei Produktionen, die um das Thema Musik kreisen. Dabei nähern sich beide Teile dem Thema sehr physisch. Die IsländerInnen Erna Ómarsdóttir & Valdimar Jóhannsson zeigen mit „Lazyblood“ eine Art elektronisch verzerrter Heavy-Metal-Oper, ein exzessives Spiel mit den Emotionen, die Musik erzeugen kann. Sie erschaffen eine theatrale und physische Extremsituation. Davor zeigt Doris Uhlich die Skizze „Ravemachine“. Mit „Universal Dancer“ (2014) begann für Doris Uhlich die Beschäftigung mit der Techno-Kultur. Aus dem Solo wird gemeinsam mit dem Tänzer Michael Turinsky ein Duett.
Für deine letzte Arbeit „Universal Dancer“ hast du eine beatübertragende Maschine aus Wäschetrommeln bauen lassen, wie sieht die „Ravemachine“ aus?
Wir mieten für Michael einen elektrischen Rollstuhl. Er sitzt in einer Maschine, die auch Sound produziert. Ich bin DJ und mische den Sound zu Technosound. Techno ist ja ein Maschinensound. Der Sound überträgt sich auf den Körper und das soll sichtbar werden.
Tanzt du auch oder spielst du nur den Sound ein?
Nein, es ist auch ein Duett und ich tanze gemeinsam mit Michael. Ich habe ihn zum ersten Mal vor zwei Jahren in seinem Stück „heteronomous male“ gesehen und dachte sofort: Wenn ich Mal ein Duett mache, dann mit ihm. So eine Kombination aus „Fleischfrau“ und „Knochenmann“ müsste spannend sein.
Geht es um Körper als Material, eine „Fleischlichkeit“, wie schon in „more than naked“?
Auch. Aber anders. Es ist weniger die Materialität des Fleisches, die uns interessiert, sondern mehr die Energie des Fleisches. Michael hat eine eigene Dynamik, die perfekt zu Techno passt. Mich interessiert seit „more than naked“ die Suche nach Bewegungen, in denen die Energie wichtiger wird als die Form und die Energie überhandnimmt im Sinne von the body is the brain. Ich will einen extatischen Moment erzeugen – untypisch für einen Körper, der „limitiert“ ist.
Wie bist du auf die Idee gekommen, mit Michael zusammen zu arbeiten?
Bei meiner Arbeit „Universal Dancer“ waren Rollstuhlfahrer im Publikum, und die haben mich als Tanzpädagogin und Künstlerin angesprochen: „Deine Maschine ist echt super, wir sitzen ja auch in einer Maschine, hättest du ein (Bewegungs)konzept für uns?“ In diesem Moment dachte ich mir: Menschen im Rollstuhl sind die eigentlichen Ravemaschinenexpert_innen, nicht ich. Vielleicht schmeiße ich irgendwann Maschinenraves, Partys für Menschen mit oder ohne Maschine. So unter dem Motto: All machines welcome!
Deine ersten Arbeiten waren fast andächtig leise wie und, Spitze oder auch Johannen. Dann kam zunehmend ein Interesse für Musik, etwa auch dein Auftritt als „Falcoris“ – ein Wortspiel aus Falco und Doris – und immer mehr ein Interesse für Pop. Bei „more than naked“ warst du schließlich als DJ auf der Bühne. Nimmt Musik in deinen Arbeiten eine immer größere Rolle ein?
Ja, unbedingt! Sound durchbricht die vierte Wand, es ist wie eine Welle, die durch den Zuschauerraum geht, er hat etwas Unbändiges.
Bleibst du bei Technomusik oder erweiterst du das Soundrepertoire wie in „more than naked“, das von Barockmusik über Disco bis zu Heavy Metal reichte?
Nein, es bleibt bei Rave und Techno.
Gehst du selbst auf Raves?
Ich tobe mich in der Kunst aus, ich muss nicht in den Club gehen. Wenn ich ausgehe, suche ich keine körperliche Verausgabung. Ich habe die ganze Woche Rave. Mein Rave ist jeden Tag.
Du hast „Universal Dancer“ gerade im Jänner in der Grellen Forelle gezeigt, morgen schon im Berliner Club Berghain?
Das Berghain wäre mein Ziel! Diese Kontextverschiebungen interessieren mich im Moment enorm. Die Möglichkeit, dass Leute um einen rumstehen und angesteckt werden, fasziniert mich als Performerin, die eine starre Bühnensituation gewohnt ist. Ich möchte es unbedingt weiter im Club versuchen.
Deine bisherige Arbeit war immer von Gesten bestimmt, du hast eine regelrechte Gestenarchäologie betrieben, Ballettcodes wurden auseinandergenommen und auch Alltagsgesten. Und jetzt die reine Reduktion auf Bewegung ohne kulturelle Referenz?
Momentan suche ich nach einem eigenen Bewegungsrepertoire, ausgehend von verschiedenen Interessen. Das kann sich auch wieder ändern. Bei „Ravemachine“ suche ich nach Verausgabung. Die Energie, die dabei entsteht, soll sich auch auf den Zuschauer, die Zuschauerin übertragen. Im Idealfall schaut man sich das an und denkt sich einfach „Wow“.
Von Helma Bittermann
Saisonabschluss WUK performing arts
"Lazyblood"
von Erna Ómarsdóttir & Valdimar Jóhannsson
"Ravemachine"
von Doris Uhlich mit Michael Turinsky
Fr 5.6. und Sa 6.6., 20 Uhr, Saal