Mach es dir selbst!

Arbeitsplatz in der Buchbinderei aus der Vogelperspektive
© Lisa Rastl

Mach es dir selbst!

Handwerk, Kunst oder Design: Die WUK-Werkstätten füllen das Prinzip des Selbermachens seit fast 35 Jahren mit Leben.

Stephan Wabl begab sich auf einen Rundgang durch die unterschiedlichen Werkstätten und Ateliers im WUK. Entstanden ist ein Beitrag über die Geschichte, das Selbstverständnis und die Besonderheit des selbstverwalteten Bereich im WUK.

Der Werkstättenbereich ist einer von sieben selbstverwalteten Bereichen im WUK. Hier arbeiten 18 Gruppen und Einzelkünstler_innen in 12 Werkstätten, sechs Ateliers und drei Gastateliers.

Der Werkstättenbereich versteht sich sowohl als Experimentierfeld als auch Produktionsstätte für traditionelle handwerkliche Techniken und Fertigkeiten sowie für interdisziplinäre künstlerisch-handwerkliche Projekte.

Werkstätten: Austria Filmmakers Cooperative, Bildhauerei, Buch- und Papiergestaltung, Fahrrad.Selbsthilfe.Werkstatt, Lederwerkstatt, LumenX – Fotolabor, Motorradwerkstatt, Offene Keramikwerkstatt, Produktgestaltung, Textilwerkstatt, Tiefdruckwerkstatt, Werkstatt für Holz und Design.

Am Anfang stand ein Bild

„Wir wollen Werkstätten“ prangte in großen Buchstaben auf einem Brett geschrieben. Die Zeit? Anfang der 1980er-Jahre, kurz nach der Besetzung des heutigen WUK-Gebäudes. Das Ziel? Produktionsräume für innovative künstlerisch-handwerkliche Projekte und Gegenstände zu schaffen. Die Devise? Wir machen es selber. So war das damals, als die Nachwehen der 1968er-Proteste auch das Prinzip des Selbermachens weltweit ins Zentrum des sozio-kulturellen Selbstverständnisses einer alternativen Bewegung rückten.

Heute, knapp 35 Jahre später, ist dieser Gedanke Zeitgeist geworden und wird vom großen Baumarkt über das schicke Hinterhofstudio bis zum kleinen Bastel-Blog zelebriert.  Hände anlegen und schmutzig machen indem man sich durch alle möglichen Materialien wühlt, hämmert, schmiedet, schneidert und das Geschaffene mit einem gutklingenden Labelnamen versieht, ist populärer denn je. Davon zeugen auch die beliebten Verkaufsmärkte von Ottakring bis zum Bregenzer Wald. Und: Die handgemachten Stücke versprühen dabei häufig einen Charakter der genügsamen Unmittelbarkeit und Individualität. Kein schlechtes Mittel gegen den Stress unter der Woche. So weit, so selbstgemacht.

Die Werkstatt als Forschungslabor

Doch zurück zum Anfang. Die Forderung von damals ist bald Realität geworden, das Schild konnte verräumt und das Schaffen der ersten Werkstätten im WUK in Angriff genommen werden. Über die Jahre sind manche von ihnen wieder verschwunden, andere sind hinzugekommen, die meisten haben sich über die Jahrzehnte mit ihren Nutzer_innen verändert und weiterentwickelt. Heute sind im Werkstättenbereich des WUK zwölf Werkstätten, sechs Ateliers und drei Gastateliers beheimatet. Darunter befindet sich zum Beispiel mit der Fahrrad.Selbsthilfe.Werkstatt die älteste kollektive Fahrradwerkstatt Wiens. Einst als „Chaosforschungslabor“ (Eigenbeschreibung) ins Leben gerufen, können sich hier Menschen, die die Dinge gerne selbst in die Hand nehmen, für einen kleinen Beitrag Hilfe für ihre Radreparatur holen – inmitten dutzender alter Rahmen und Räder.

Autonom und mittels Plena selbst verwaltet organisiert, trifft der Begriff des Forschungslabors den Charakter der WUK-Werkstätten wohl am besten. „Erforschen“ muss man sich die Arbeitsräume aber auch erst einmal als interessierte_r Besucher_in. Denn während Kinder im Hof lautstark vor den Kindergruppen spielen, Musiker gemächlich in Richtung Konzerthalle schlendern und Beisl-Besucher_innen im Schanigarten an ihrem Bier nippen, verstecken sich die Werkstätten am Ende von verwinkelten Gängen oder hinter labyrinthähnlichen Treppenparcours.

„Und es funktioniert!“

Doch hat man die richtigen Türen erst einmal gefunden, tun sich innerhalb weniger Meter die unterschiedlichsten Welten gefüllt mit Handwerk und Kunst auf. So trifft man zum Beispiel Stephan Ortbauer in der Buchbinderwerkstatt an, der gerade in aller Gelassenheit und mit ruhiger Hand einen Einband für ein Künstlerbuch verarbeitet. Zweimal umgedreht, steht wiederrum Gerhard Brandstötter mit Schutzbrille in der Werkstatt für Holz und Design und feilt an einem Mobiliar. „Ich bin seit über 20 Jahren hier. Bei uns werken die unterschiedlichsten Leute: Designstudent_innen, Tischlerlehrlinge, ehemalige Meister oder Gäste. Und es funktioniert!“, meint der gelernte Tischler, der an der Universität für angewandte Kunst unterrichtet. Die Treppe hinaufgehuscht, bedruckt die Künstlerin Linde Hörl gerade zwischen ihren Arbeiten einen Wintermantel in der Textilwerkstatt. Einen Raum weiter warten die Webarbeiten von Kyoko Adaniya-Baier auf die nächsten Ideen.

In den Werkstätten sind die Räume hoch, die Fenster groß und das Drucken, Hämmern, Binden entspannt-konzentriert. Die Architektur des alten Fabrikgebäudes und die jahrzehntelange Erfahrung machen es möglich.

Arbeitsplatz Buchbinderei aus Vogelperspektive
(c) Lisa Rastl

Nebenan anklopfen

Das Nebeneinander der vielen Werkstätten ermöglicht zudem ein regelmäßiges Miteinander. „Für ein Projekt von Karl-Heinz Ströhle, bei dem Buchstaben aus federndem Stahl im Wind leicht wackeln, mache ich zum Beispiel die Metallverarbeitung“, erzählt Eva Eisenbacher, die in der Werkstatt für Produktgestaltung ihrer Arbeit nachgeht. Während Eisenbacher über das Projekt spricht, stehen hinter, neben und vor ihr zahlreiche Konstruktionen und Werke, die für Installationen gedacht sind oder auf Theaterbühnen zum Einsatz kommen. Der erwähnte Karl-Heinz Ströhle hat sein Atelier am Ende eines weiteren Ganges. Der Objektkünstler hat bereits jene Zeiten miterlebt, als das „Wir wollen Werkstätten“-Schild gerade erst an den WUK-Mauern angebracht worden war. An diesem sonnigen Herbsttag fast 35 Jahre später bereitet er gerade die letzten Kleinigkeiten für eine Präsentation im Rahmen von KEX Open Material, einem experimentellen Vermittlungsformat in der hauseigenen Kunsthalle Exnergasse vor. „Das Schöne hier ist, dass jeder seine Ideen selbstständig verwirklichen kann, es aber auch möglich ist, ohne lange Wege mit Kunstschaffenden aus anderen handwerklichen Bereichen zusammenzuarbeiten“, meint Ströhle.

Einmal im Jahr übrigens, wenn vor Weihnachten auf Initiative des Werkstättenbereichs der Kunst- und Designmarkt lights ins WUK einzieht, treffen sie sich, die modernen Labels und die alten Werkstätten. Und dann wird auch hier angeklopft, ausgetauscht und verknüpft. Denn die Dinge in die Hand nehmen, muss jede_r immer noch selbst.

Stephan Wabl ist Journalist in Wien.

ART à la Carte

Werkschau des Werkstättenbereichs im WUK
Mi 11.11., 19 Uhr, Projektraum, Eintritt frei

Synthese: Text und Film IV
Mo 16.11., 19 Uhr, Foyer, Eintritt frei

lights. Kunst- und Designmarkt im WUK
Fr 4.12. bis So 6.12., Eintritt frei

Workshops

Skulptur. Techniken der Bearbeitung von Stein, Holz, Gips, Speckstein, Ton u.a. kennenlernen. Mit Leslie De Melo. Info und Anmeldung: leslie@demelo.at | 0699/109 63 138 | www.demelo.at

The Art of Cut Out Collage. Mit Lym Morenoeigenen Kompositionen aus Scherenschnitten, Formen und Teilen aus Papier gestalten. Sa 14.11., 14 – 16.30 Uhr, Anmeldung bis 12.11.

Papercut Diorama. Mit Lym Morenoeigene Szenerien mit dreidimensionalem Eindruck in einer kleinen Holzbox entwerfen. Sa 28.11., 14 – 17.30 Uhr, Info  und Anmeldung bis 26.11. 
Info und Anmeldung beide:  lym@conmostaza.com | conmostaza.com

"Shoe be do" Schuhe machen mit Craft-Werk: Ziel ist, die eigenen handwerklichen Fähigkeiten zu entdecken sowie ein individuell gefertigtes Paars Schuhe herzustellen. Sa 14.11., 10 -19 Uhr, S0 15.11., 10 – 18 Uhr .

"Re-Imagine" Accessories aus Leder: Craft-Werk  stellen die Lederwerkstatt vor und erläutern Werkzeuge, Maschinen und vor allem das Material. Restleder kann dann in ganz persönliche Accessoires verwandelt werden.  Sa 21.11., 10 -18 Uhr.
Info und Anmeldung beide: www.craft-werk.at | bernadette@craft-werk.at

Werkstätten

Offene Werkstätten, Ateliers, Künstler*innen

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