Fußball vom Feinsten versus Kritik am Höhepunkt
Seit 2008 fühlen sich Fußballfreund_innen beim Public Viewing im WUK wohl. Auch der britische Guardian empfiehlt das WUK aufgrund des einzigartigen Zusammenspiels von hochkarätigem Fußball und alternativem Charakter des Hauses. Der Fußball steht im Mittelpunkt, doch auch der kritische Blick wird heuer nicht zu kurz kommen. Diskussionsveranstaltungen zu den Themen FIFA, Kommerz und Fankultur mit Gästen und Diskussionspartner_innen wie der Schriftstellerin Vea Kaiser, Michael Pammesberger (Kurier) und dem Schauspieler Michael Ostrowski sind unter anderem Teil des Rahmenprogramms. Der 14.6. wird anlässlich der jährlichen Regenbogenparade ganz im Zeichen von Fußball gegen Homophobie stehen. Gemeinsam mit unseren Medienpartnern 90minuten.at, Radio FM4, der Goodball Charity, dem Ute Bock Cup (am 1.6. beim Wiener Sport-Club Platz!) und der Initiative Fairplay schaffen wir so auch eine Plattform für fußballerischen Diskurs. Mit Moderationen vor Ort sowie Live-Übertragungen auf FM4, DJ-Partys (wie z.B. mit Katharina Seidler, Falter) und Auftritten von maschek (Kaderball!) bietet das WUK auch dieses Jahr wieder ein wahrhaftes Quartier für alle, die Fußball aus verschiedensten Gründen lieben. Selbstverständlich werden alle Spiele – auch zu später Stunde – live übertragen, Indoor & Outdoor, in HD und in bester Gesellschaft.
Alle vier Jahre kennen hunderte Millionen Fußballfans während der Weltmeisterschaft nur ein Thema. Brasilien, Spanien, Deutschland, England – um nur einige zu nennen – lassen Fußballherzen höher schlagen. Doch eine Fußballweltmeisterschaft zieht auch weniger Fußballaffine in seinen Bann und bringt Fußball-Runden zusammen, die es davor nicht gab und danach nicht mehr geben wird.
Die Kritik nimmt zu
Dennoch ist in den vergangenen Jahren immer häufiger Kritik an Fußball-Großereignissen aufgekommen. Vor allem die FIFA als „Hüter des Fußballsports“ ist gefordert. Die negativen Schlagzeilen rund um den Zuschlag zur WM 2022 in Katar nehmen kein Ende. Auch die WM in Brasilien dürfte – zumindest was die brasilianische Bevölkerung betrifft – nicht gerade zu uneingeschränkten Jubelstürmen animieren. FIFA-Präsident Sepp Blatter steht im Kreuzfeuer der Kritik, scheint aber bisher jedem Vorwurf erhaben zu sein und reinigt sein Image mit Charity-Projekten und als Entwicklungshelfer für das runde Leder auf der gesamten Fußball-Welt. Doch kann sich die FIFA künftig wirklich glaubwürdig zu einer transparenten Organisation emanzipieren?
Provokation für große Teile der Bevölkerung
Der nachhaltige positive Effekt für den armen Teil der Bevölkerung wird jedoch größtenteils ausbleiben. Mehr noch: Die WM ist für diese Bevölkerungsschicht zum Teil eine ziemliche Provokation, erst vor wenigen Wochen gab es daher massive Proteste wie schon ein Jahr zuvor beim Confederations Cup. Während Milliarden für Fußball-Infrastruktur investiert werden, bleiben die wahren Bedürfnisse wie verringerte Kosten für öffentliche Verkehrsmittel oder Investitionen im Bildungsbereich auf der Strecke.
Auch die Sicherheitsvorkehrungen werden massiv verstärkt. Ein Budget von 791 Millionen US-Dollar wurde für diesen Bereich reserviert, was etwa dem zehnfachen des Jahresbudgets von FUNAI (Schutzbehörde der indigenen Bevölkerung Brasiliens) entspricht – um ein Beispiel zu nennen. Linda Poppe, Koordinatorin von Survival Deutschland, einer globalen Vereinigung, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, sagte unlängst: „Die Fußball-WM wird Brasiliens indigenen Völkern nichts bringen. Regierung, FIFA und Sponsoren schreiben sie regelrecht aus Brasiliens Geschichte heraus oder wischen den Kampf um ihre Rechte beiseite. Wenn sich für indigene Völker etwas ändern soll, muss Brasiliens dunkle Seite dringend ans Licht der Öffentlichkeit. Dann wird sich Brasilien auch fragen müssen, ob es für seinen Ruf nicht besser wäre, mehr in die Rechte seiner eigenen Bevölkerung als in große Sportevents zu investieren.”
Dennoch sind und bleiben viele Brasilianerinnen und Brasilianer Fußballfans. Und sind daher hin- und hergerissen. Nur ein WM-Titel der Seleção könnte wohl an dieser Stimmung etwas zum Positiven ändern.
Boykott hilft nicht
Zum vierten Mal wird das WUK das WM Quartier gemeinsam mit FM4 austragen. Auch 90minuten.at wird als stolzer Medienpartner mit dabei sein. Doch wie verhält man sich als kritisches Medium bzw. als kritische_r Fußballkonsument_in zum Thema FIFA Weltmeisterschaft?
Für mich als Journalist und Herausgeber von 90minuten.at stellt die Weltmeisterschaft die Anforderung, beide Seiten der Medaille zu betrachten. Die WM birgt für uns die Aufgabe, nicht nur Ronaldo & Co zu pushen und abzufeiern. Gefragt sind kritische Hintergrundberichte, denn die WM bietet vor allem auch „Randgruppen“ die Chance, in den Fokus der Öffentlichkeit zu gelangen.
In diesem Sinne können auch die FM4-WM-Quartier-Besucher_innen ihrer Rolle gerecht werden, unterschiedlichen Meinungen Platz bieten und sich nicht der bedingungslosen WM-Lobhudelei anschließen. Ein Boykott hilft nicht; viel mehr sollte jeder Fußballfan rund um die WM eine gewisse Sensibilität für das Land und deren Bevölkerung entwickeln. Denn vielleicht führt gerade die hohe Aufmerksamkeit während der Weltmeisterschaft dazu, dass die eine oder andere Forderung der Bevölkerung erfüllt wird.
Michael Fiala, Chefredakteur und Herausgeber von 90minuten.at, dem kritischen Fußballmagazin im Internet.
FM4 WM Quartier
Do 12.6. bis So 13.7.