Ein Leben ist zu wenig
Rocko, Du bringst Dein neues Buch nach Wien. „Fünf Löcher im Himmel“ hat einen neuen Helden Namens Paul. Warum hast Du Dich von Michael Sonntag verabschiedet?
Michael Sonntag wird als mein Alter Ego ausgelegt und in diesem Fall wollte ich ein Buch schreiben, das mit mir und meiner Welt nichts zu tun hat. Sonntag war mein Parallelwelt-Sklave, den ich alles tun lassen konnte, was mir selber zu unangenehm gewesen wäre. Ich freue mich, jetzt das erste Mal echte Distanz zu meinem Protagonisten zu haben. Ich möchte nicht den Eindruck eines Bedürfnisses nach Nabelschau erwecken.
Was bedeutet für Dich der Unterschied zwischen Öffentlichem und Privatem?
Ich finde mein Privatleben für die Öffentlichkeit nicht wichtig. Ich möchte für meine Kunst beachtet werden bzw. für das, zu dem ich meine, etwas sagen zu müssen. Je älter ich werde, desto mehr gefällt mir der Gedanke des Verschwindens. Leute, die glauben, die Gegenwart ständig mit ihrer Meinung verpesten zu müssen, sind mir ein Gräuel.
Du arbeitest als Autor, Musiker, Schauspieler, Humorist und Aktionist. Was reizt Dich am Springen zwischen den Genres?
Ich langweile mich schnell, war in der Schule bereits ADS-Kandidat (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, Anm.), interessiere mich für viele Bereiche, möchte gerne alles lernen und ausführen können. Ein Leben ist zu wenig für all die Möglichkeiten, die es in der Kunst gibt.
Kannst Du Dir vorstellen, dass Dich die Wiener_innen lieben, weil Dein Humor mit Hang zum Morbiden ihren Nerv trifft?
Schwer zu sagen. Das, was man als deutschen Humor (RTL und Pro7 Comedy) bezeichnet, finde ich in der Regel einschläfernd. Das, was ich als österreichischen Humor kenne (Hader, Stermann und Grissemann, etc.), gefällt mir dagegen sehr gut.
Du setzt Dich kritisch und aktionistisch mit der Entwicklung Deiner Stadt auseinander. Wie sieht es aus in Hamburg?
Hamburg ist nicht mehr zu retten. Alle wilden Quartiere, Orte wo normalerweise die Kunst her kommt, sind verkauft. Diese Entwicklung ist nicht rückgängig zu machen. Was einmal im Privatbesitz gelandet ist, ist der Öffentlichkeit entzogen. Wir haben in dieser Stadt nicht mehr viel mitzureden. Irgendwann werden wir, die Künstler_innen, die Spinner_innen, die Nichtbesitzer_innen, vermutlich alle wegziehen.
Rocko Schamoni
liest aus „Fünf Löcher im Himmel“
Mi 22.10. und Do 23.10., 20 Uhr, Saal