15 Jahre Kunstzelle
Im ersten Leben war die KUNSTZELLE eine Telefonzelle mit Münzfernsprecher. Gebaut in den 1960er bzw. 1970er-Jahren stand sie wahrscheinlich seit damals neben dem Eingangstor und bot ihre Kommunikationsdienste an. Sie war damals als Telefonzelle sehr beliebt. Während Menschen telefonierten, standen oft ungeduldig Wartende davor. Durch Tricks mit Hochspannungsfunken aus Piezo-Zündern, die man von Feuerzeugen kennt, konnte die Zählelektronik gestört und endlos telefoniert werden. Einmal im Monat trugen Zivildiener die schwere Münzausbeute zur Bank. Später übernahm die Telekom den Apparat und das lästige Münzenschleppen entfiel.
Mit Aufkommen des Handys wurden die Dienste der Zelle weniger genutzt. Zuletzt verwendeten Drogendealer die Zelle zu anonymen Telefonaten. Das gab den Anstoß, den Münzfernsprecher zu
demontieren. Auch die Zelle sollte weg. Das wollte ich nicht! Viel zu charmant war dieses Kleinstgebäude mit den seltenen, nicht durchbrochenen Scheiben.
Für die Eröffnung wähle ich gerne Redner*innen, die nicht aus dem Kunstkontext kommen, sondern in einer anderen Beziehung zum Thema stehen. Das eröffnet neue Perspektiven und führt zu spannenden Gesprächen. Die „Gewitterzelle“ von Lampalzer/Oppermann wurde von Klimaforscher und Storm-Chaser Mag. Georg Pistotnik eröffnet. Die Eröffnungen finden bei Wind und Wetter statt und dauern oft bis in die Nacht hinein.
Die KUNSTZELLE ist barrierefrei zugänglich. Mit ihrem Standplatz im Freien ist sie auch in der Pandemiezeit gut zu besuchen. Die künstlerischen Arbeiten sind eine Einladung, sich mit einem einzelnen Werk zu beschäftigen. Eine frühere Initiative von mir, das „Bild des Monats“ im Infobüro, entstammt dem gleichen Interesse den Fokus auf eine Arbeit zu legen. Die Zusammenarbeit mit den ausstellenden Künstler*innen ist spannend. Ich kann sie auf Stärken und Marotten der KUNSTZELLE hinweisen. So klein der Ort ist, so fordernd ist er. Künstler*innen, die von außerhalb kommen oder einen Arbeitsplatz benötigen, stelle ich mein Atelier zur Verfügung und bringe sie, wenn möglich, bei mir zu Hause unter.
Letzten Sommer hat Hanna Besenhard die KUNSTZELLE auf Urlaub an den Neusiedlersee geschickt. Nun muss die alte Dame KUNSTZELLE vorübergehend wieder ausziehen und dem Baugerüst vor dem Währinger Trakt weichen. Da ich erst 2023 mit dem Auszug gerechnet hatte, musste ich schnell einen neuen Platz finden. Verwöhnt vom WUK, braucht die KUNSTZELLE ein breites Publikum. Jeder Standort geht nicht, sie ist nach 15 Jahre schon wer! Die Karlskirche war schon ganz ok und der Podersdorfer Strand war bei schönem Wetter wohl auch nicht zu verachten.
Text: Christine Baumann
erschienen in WUK Info-Intern 1/2022
Die KUNSTZELLE
Die KUNSTZELLE, eine ehemalige Telefonzelle im Innenhof, ist der kleinste Ausstellungsraum im WUK. Seit über 15 Jahren ist sie Ort für künstlerische Installation und Intervention. Rund 70 Künstler_innen haben sich seit 2006 das minimale Gebäude zum Spielfeld genommen und ihre Projektideen umgesetzt. Dadurch wurde der besondere Ort immer wieder neu ausgelotet. Kuratiert wird die Zelle von Christine Baumann, die das Projekt initiiert hat.
Während der Sanierung des WUK ist die KUNSTZELLE Gast im MuseumsQuartier Wien und Q21 und zieht ab April 2022 für ein Jahr auf den Vorplatz. Am neuen Standort wird die KUNSTZELLE im Jahr 2022 drei Installationen und eine Reihe kürzerer Interventionen zeigen. Kuratiert wird die KUNSTZELLE ab 2022 von Christine Baumann und Pablo Chiereghin.