15 Jahre Kunstzelle

Michael R. Jimenez: Naïvete, 2021

15 Jahre Kunstzelle

Der kleinste Ausstellungsraum im WUK feiert Geburtstag

Die KUNSTZELLE, eine ehemalige Telefonzelle, ist seit 15 Jahren Ort für künstlerische Installation und Intervention. Rund 70 Künstler_innen haben sich seit 2006 das minimale Gebäude zum Spielfeld genommen.

Im ersten Leben war die KUNSTZELLE eine Telefonzelle mit Münzfernsprecher. Gebaut in den 1960er bzw. 1970er-Jahren stand sie wahrscheinlich seit damals neben dem Eingangstor und bot ihre Kommunikationsdienste an. Sie war damals als Telefonzelle sehr beliebt. Während Menschen telefonierten, standen oft ungeduldig Wartende davor. Durch Tricks mit Hochspannungsfunken aus Piezo-Zündern, die man von Feuerzeugen kennt, konnte die Zählelektronik gestört und endlos telefoniert werden. Einmal im Monat trugen Zivildiener die schwere Münzausbeute zur Bank. Später übernahm die Telekom den Apparat und das lästige Münzenschleppen entfiel.

Mit Aufkommen des Handys wurden die Dienste der Zelle weniger genutzt. Zuletzt verwendeten Drogendealer die Zelle zu anonymen Telefonaten. Das gab den Anstoß, den Münzfernsprecher zu
demontieren. Auch die Zelle sollte weg. Das wollte ich nicht! Viel zu charmant war dieses Kleinstgebäude mit den seltenen, nicht durchbrochenen Scheiben.

Neustart als Kunstzelle

Die Idee eines Raumes für Kunst war schnell geboren. Maria Bergstötter unterstützte mich darin. Im Jahr 2006 strich ich am Muttertag die Zelle heimlich in hellem Senfgelb. „Hallo“ sollte sie sagen, „seht mich, ich bin noch da!“ Für die erste Installation konnte ich Karl-Heinz Ströhle gewinnen, der sich stets offen für Neues zeigte. Am 6. Juni 2006 wurde „Dancing Star“, eine tanzende Wireframe-Skulptur, eröffnet. Von da an bis heute fanden 70 Installationen in der KUNSTZELLE statt. Anfangs hatte ich kein Budget. Im Laufe der Zeit wurden die Arbeiten aufwändiger und es reichte nicht mehr, Künstler*innen nur mit Öffentlichkeit zu honorieren. Material und technische Unterstützung wurden gebraucht. Thomas Braudisch, der damals in der Haustechnik arbeitete, war mir lange eine große Hilfe. Mit seinen Erfahrungen vom Aufbau in der Secession fand er immer gute Lösungen für Künstler*innen und die Zelle. Manchmal bekomme ich Subventionen und dankenswerter Weise gibt es ein Budget vom WUK, mit dem ein Basisbetrieb der Zelle möglich ist.

Das Programm der KUNSTZELLE zu kuratieren braucht Zeit. Zunächst lade ich Künstler*innen ein und frage, ob sie eine Idee haben und Lust, ein Konzept zu entwickeln. Wenn ein Konzept erstellt ist und passt, dann wird geplant, wann eröffnet wird. Nicht jede Arbeit ist für jede Jahreszeit gleichermaßen geeignet. Für Bewerbungen bin ich offen. Wichtig ist mir, dass ein breites Publikum bei Interesse einen Einstieg in die Arbeit finden kann.

Luca Mikitz: Schaltzelle, 2018.
Foto Luca Mikitz
Kim Dotty Hachmann: Show down, 2013.
Foto Christine Baumann

Anziehungspunkt für Kinder

Bereits während des Aufbaus werden die Künstler*innen von den Kindern im Hof gelöchert. Sie fragen, was in die Zelle kommt, wann sie wieder baden dürfen, wie in der „Freien Badekultur“ von Alfredo Barsuglia. Oder sie fragen, wann sie den Mann via Ansage durch die Gegend schicken dürfen, wie bei Luca Mikitzs „Schaltzelle“. Bei Andrea Reisingers „Mauskulturhaus“ schrieben die Kids eine Petition für die lebenden Mäuse im Minikulturhaus. Mit Erfolg, denn die Mäuse wurden im Zoo Schönbrunn nicht an Schlangen verfüttert, sondern zur Zucht eingesetzt.

Für die Eröffnung wähle ich gerne Redner*innen, die nicht aus dem Kunstkontext kommen, sondern in einer anderen Beziehung zum Thema stehen. Das eröffnet neue Perspektiven und führt zu spannenden Gesprächen. Die „Gewitterzelle“ von Lampalzer/Oppermann wurde von Klimaforscher und Storm-Chaser Mag. Georg Pistotnik eröffnet. Die Eröffnungen finden bei Wind und Wetter statt und dauern oft bis in die Nacht hinein.

Die KUNSTZELLE ist barrierefrei zugänglich. Mit ihrem Standplatz im Freien ist sie auch in der Pandemiezeit gut zu besuchen. Die künstlerischen Arbeiten sind eine Einladung, sich mit einem einzelnen Werk zu beschäftigen. Eine frühere Initiative von mir, das „Bild des Monats“ im Infobüro, entstammt dem gleichen Interesse den Fokus auf eine Arbeit zu legen. Die Zusammenarbeit mit den ausstellenden Künstler*innen ist spannend. Ich kann sie auf Stärken und Marotten der KUNSTZELLE hinweisen. So klein der Ort ist, so fordernd ist er. Künstler*innen, die von außerhalb kommen oder einen Arbeitsplatz benötigen, stelle ich mein Atelier zur Verfügung und bringe sie, wenn möglich, bei mir zu Hause unter.

Studierende der Klasse TransArts

Ein Highlight sind gemeinsame Projekte mit Roman Pfeffer und seiner Klasse TransArts / die Angewandte. Die KUNSTZELLE ist in diesem Fall ein Projekt für die Studierenden. Zu Semesterbeginn halte ich einen Vortrag gefolgt von einer Ortsbegehung. Die Arbeiten werden intensiv von Roman Pfeffer betreut, der daneben Lehrinhalte zum Thema künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum vermittelt. Am Ende des Semesters werden die Projektentwürfe präsentiert und zwei Sieger*innenprojekte von Roman Pfeffer und mir ausgewählt, die in der Folge umgesetzt werden. Die Studierenden gehen mit großem Engagement an die Aufgabe heran. Der für alle Beteiligten höchst befriedigende Prozess hat letztes Jahr zum dritten Mal stattgefunden. Jedes Projekt war von hoher Qualität.

Hanna Besenhard: Jollydays, 2021
Foto Hanna Besenhard

Letzten Sommer hat Hanna Besenhard die KUNSTZELLE auf Urlaub an den Neusiedlersee geschickt. Nun muss die alte Dame KUNSTZELLE vorübergehend wieder ausziehen und dem Baugerüst vor dem Währinger Trakt weichen. Da ich erst 2023 mit dem Auszug gerechnet hatte, musste ich schnell einen neuen Platz finden. Verwöhnt vom WUK, braucht die KUNSTZELLE ein breites Publikum. Jeder Standort geht nicht, sie ist nach 15 Jahre schon wer! Die Karlskirche war schon ganz ok und der Podersdorfer Strand war bei schönem Wetter wohl auch nicht zu verachten.

Beate Schachinger: Ein-Zelle - Zellatumung, 2022

Umzug ins Museumsquartier

Ein Quartier hat sie nun wortwörtlich gefunden: sie ist Gast des MQ Museumsquartiers Wien und dem Q21 und steht rechts vor dem Haupteingang am Museumsplatz 1 vor dem Eingang ins Quartier 21, in dem 50 verschiedene Initiativen zu finden sind. Lorenz Seidler, bekannt durch esel.at, hat mich unterstützt, diesen spannenden Platz zu bekommen. Da ich gerne im Team arbeite, kuratiere ich das kommende Jahr gemeinsam mit Pablo Chiereghin. Mit „Ausstellungsraum günstig zu vermieten“ hat er selbst bereits die KUNSTZELLE bespielt. Dabei veranstaltete er Kunstausstellungen, einen Flohmarkt und andere Veranstaltungen im Hof. Sein partizipatorisches „10 min Shift“ war Teil von MAZE 2018 und vernetzte Künstler*innen und Publikum.

Beate Schachinger eröffnet mit der Installation „Ein-Zelle“ das Programm am neuen Ort. Neben dem Programm mit Eröffnungen planen wir Talks, Picknicks und Interventionen. Vom WUK-Dach weht weiter die Fahne aus der Arbeit „Hold.it“ von Andrea Böning und zeigt das Bild der KUNSTZELLE bis zu ihrer Rückkehr.

Bleibt der Zelle gewogen und besucht sie im Museumsquartier Wien!

Text: Christine Baumann
erschienen in WUK Info-Intern 1/2022

Die KUNSTZELLE

Die KUNSTZELLE, eine ehemalige Telefonzelle im Innenhof, ist der kleinste Ausstellungsraum im WUK. Seit über 15 Jahren ist sie Ort für künstlerische Installation und Intervention. Rund 70 Künstler_innen haben sich seit 2006 das minimale Gebäude zum Spielfeld genommen und ihre Projektideen umgesetzt. Dadurch wurde der besondere Ort immer wieder neu ausgelotet. Kuratiert wird die Zelle von Christine Baumann, die das Projekt initiiert hat.

Während der Sanierung des WUK ist die KUNSTZELLE Gast im MuseumsQuartier Wien und Q21 und zieht ab April 2022 für ein Jahr auf den Vorplatz. Am neuen Standort wird die KUNSTZELLE im Jahr 2022 drei Installationen und eine Reihe kürzerer Interventionen zeigen. Kuratiert wird die KUNSTZELLE ab 2022 von Christine Baumann und Pablo Chiereghin.

Nähere Informationen und Archiv

Programm

Mi 13.11. bis Do 30.1.2025

Kunstzelle

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