Bless my homeland forever
Eröffnung: Mittwoch, 15.09.2010, 19:00 Uhr
Künstler/innen: A2 company (Alit Kreiz / Anton Mirto), Javier Bernasconi / Omar Estela / Marcelo Montanari / Marcela Oliva / Luciano Parodi, Stefan Constantinescu, Yael Farber, Lamia Joreige, Werner Kaligofsky, Ioana Marinescu, Karoline Mayer, Lucia Nimcova, Rastko Novakovic / Ger Duijzings, Cora Piantoni, Nada Prlja, Susan Silas
Konzept und Organisation: Ioana Marinescu und Karoline Mayer
Rahmenprogramm:
Podiumsdiskussion: 16.09.2010, 18:00 Uhr
Teilnehmer/innen: Werner Kaligofsky, Ioana Marinescu, Karoline Mayer, Lucia Nimcova, Luciano Parodi , Cora Piantoni, Nada Prlja, Susan Silas, Martin Fritz (Moderation)
Filmvorführungim Rumänischen Kulturinstitut Wien, Argentinierstr. 39, 1040 Wien: 17.09.2010, 19:00 Uhr: My Beautiful Dacia von Stefan Constantinescu und Julio Soto
“…Bloss' of snow may you bloom and grow
Bloom and grow forever
Edelweiss, Edelweiss
Bless my homeland forever”
(aus dem Amerikanischen Musical (1959) und Film (1965) “The Sound of Music”)
“The Sound of Music” ist einer der zehn erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Er hat bisher ein Publikum von weltweit ungefähr 1.2 Milliarden Menschen erreicht und 5 Oscars und 2 Golden Globes gewonnen. Heute, mehr als 40 Jahre später, setzt sich sein Erfolg fort.
Der Film hat das Bild Österreichs im Ausland nachhaltig geprägt, indem er es als schönen Landschaftshintergrund für ein naiv-kreatives, fröhliches Völkchen portraitiert, welches dem „Anschluss“, wenn nicht aktiv unterstützend, dann zumindest gleichgültig gegenübersteht. In Österreich selbst war der Film ein Flop und ist bis heute beinahe gänzlich unbekannt geblieben.
Der Gegensatz zwischen dem großen internationalen Bekanntheitsgrad des Filmes und der totalen Ablehnung in Österreich kann nur als bizarre Manifestation des österreichischen Unwillens verstanden werden, sich mit einer Version der Vergangenheit auseinanderzusetzen, die nicht dem eigenen Selbstbild angepasst wurde. Die beiläufig ehrliche Darstellung Österreichs nationalsozialistischer Vergangenheit war und ist ganz einfach ein Affront für ein Volk, das mit aller Kraft versucht, zu vergessen.
Dieser Gegensatz wirft unweigerlich die folgenden Fragen auf:
Inwieweit ist unsere Identität vom Bewusstsein über unsere Geschichte geprägt?
Um die Zukunft annehmen zu können, müssen wir die Vergangenheit verstehen, und wie uns diese geprägt hat?
Wie legitim ist andererseits die Redensart „vergeben und vergessen“?
Es ist ein natürlicher menschlicher Prozess, unangenehme Tatsachen aus dem Gedächtnis und damit aus dem Selbstbild auszublenden. Gleichzeitig illustriert vor allem zeitgenössische Kunstpraxis klar unser Bedürfnis, herauszufinden, wo wir wirklich herkommen. Die Ausstellung wirft diese Fragen in einem internationalen Kontext auf, indem sie die Bedeutung dieses Projekts gerade durch die Präsentation in Österreich hervorhebt – einem Land, das für seine problematische Position hinsichtlich seines Verhältnisses zur eigenen Vergangenheit bekannt ist.
Geschichte und deren Wiedergabe, Erinnerung und der Prozess des Gedenkens und ihre Auswirkung auf unser Verständnis von (nationaler) Identität sind die gemeinsamen Themen in den verschiedenartigen internationalen Projekten, die an dieser Gruppenausstellung teilnehmen. Künstler/innen aus zwölf Ländern zeigen Projekte, die sich einer Vielfalt von Medien als Werkzeug zur Ergründung der Vergangenheit und deren Einfluss auf uns bedienen: unter anderem Fotografie, Film, Theater, Installations- und Performancekunst und sogar ein Pop-up Buch.
Susan Silas (USA), Lamia Joreige (Libanon) und Yael Farber (Südafrika) sind unter den international bekannten Künstler/innen, die im Rahmen dieser Ausstellung ihre Arbeit zum ersten Mal in Österreich zeigen werden.
Die Projekte:
Lamia Joreige’s (* Beirut, Libanon) „Objects of War“ sind eine Serie von Zeugnissen zum libanesischen Krieg. Jede Person wählt ein Objekt, alltäglich oder ungewöhnlich, das als Ausgangspunkt für seine / ihre Geschichte dient. Diese Zeugenaussagen helfen dabei, ein kollektives Gedächtnis zu schaffen, zeigen aber auch die Unmöglichkeit eine einzige Geschichte dieses Krieges zu erzählen. Es werden hier Fragmente der Geschichte nacherzählt, die Wahrheit derer, die sie zum Ausdruck bringen. „Objects of War“ hat nicht die Absicht, die Wahrheit zu enthüllen, sondern viele unterschiedliche Versionen und Diskurse über das Thema zu sammeln und zu konfrontieren.
"Helmbrechts walk" von Susan Silas (USA / Ungarn) ist ein Projekt im Gedenken an den Todesmarsch weiblicher, jüdischer Gefangener, im Zuge der Evakuierung von Helmbrechts, einem Nebenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg in Bayern, gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Es ist eine visuelle Repräsentation des Gehens durch eine Landschaft, die durch die historische Spezifität dieses Todesmarsches geprägt ist. Das Projekt, bestehend aus 48 Farbfotografien, ist die Dokumentation dieses Unterfangens – des 22-tägigen, 225 Meilen langen Marsches durch Deutschland und Tschechien zum 53. Jubiläum dieser Geschehnisse. Die Bilder werden durch Silas’ Kommentare über ihre eigenen Erlebnisse und Zeitungsschlagzeilen der selben Tage im Jahr 1998 ergänzt.
In "Advanced Science of Morphology" führt Nada Prlja (* Sarajevo; Mazedonische Künstlerin) nationale Identität ad absurdum, indem sie die Flaggen der Staaten Exjugoslawiens „morpht“ während sie sich mit den Themen Ähnlichkeit und Abgrenzung auseinandersetzt. "Advanced Science of Morphology" ist ein ortspezifisches Public Art Projekt, das die Möglichkeit der Einheit in Europa in Frage stellt, indem es die Veränderungen, die in den Ländern vor sich gehen, die früher Jugoslawien ausmachten, reflektiert.
Yael Farber (* Johannesburg, Südafrika) schrieb und inszenierte, kommissioniert vom North West Arts Council, das Theaterstück “Amajuba – like doves we rise” während einer sechswöchigen residency in Mafikeng, Südafrika. Das Stück basiert auf dem Leben der fünf Schauspieler, die in dem Stück Geschichten über ihr Aufwachsen während der Apartheidjahre erzählen. Wie in vielen ihrer Stücke sieht Yael Farber Theater als Zeugen. Sie sagt: „Wir können nicht vorwärts gehen, bevor wir nicht aufrichtig und mit großer Integrität zurückblicken. Wir können erst vorwärts gehen, wenn wir wissen, woher wir kommen. Unsere Vergangenheit zu akzeptieren ist ein Schritt weg von der Verleugnung hin in Richtung eines Heilprozesses...“
Der Film “Dacia 1300 – My Generation” von Stefan Constantinescu (*Bukarest, Rumänien) hat seinen Ausgangspunkt in den Fragen: Wer bin ich? Wie war meine Kindheit während Ceausescu’s “Goldener Ära”? Die Diskussionen mit früheren Nachbarn aus dem Colentina Bezirk in Bukarest drehen sich in weiten Kreisen um den “Dacia” – die Automarke des kommunistischen Rumäniens unter Ceausescu, welche ein Symbol für Freiheit wurde, ein Paradox in einer Gesellschaft, die in Angst und Schmutz versinkt.
In „Verkehrsflächen 1” dokumentiert Werner Kaligofsky (* Wörgl, Österreich) Straßen und Plätze in Innsbruck, die seit den 1980er Jahren nach Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus umbenannt wurden. Er erfasst daneben nicht nur die Biografien der Menschen, deren gedacht wird, sondern auch die Chronologie des oft heftigen Widerstandes der Bevölkerung gegen die Umbenennungen.
In “Verkehrsflächen 2” „...widmete Werner Kaligofsky temporär Erlaufer Plätze und Straßen zu Denkmälern um. Seine Arbeit zum Thema Holocaust und Widerstand handelt vom kollektiven Wieder-Erinnern und basiert auf mündlicher Recherche vor Ort und der Einsichtnahme in Akten: …. Damit erinnert Kaligofsky an die vertriebenen und meist vergessenen jüdischen Familien, die bis 1938/39 in Erlauf ansässig waren. …” (Hedwig Saxenhuber)
In ihrer Arbeit versucht Ioana Marinescu (* Bukarest, Rumänien) mit Hilfe von Interviews, Skizzen und alten Bildern, welche sie von früheren Bewohnern gesammelt hat, das Bukarest ihrer Kindheit zu rekonstruieren, welches in den 1980er Jahren teilweise für den gigantischen Palast Ceausescus Platz machen musste.
In “autores ideológicos” machen Javier Bernasconi, Omar Estela, Marcelo Montanari, Marcela Oliva und Luciano Parodi (Argentinien) einen Ford Focus – das Auto, das im Argentinien der 70er Jahre von der Militärdiktatur für Entführungen verwendet wurde, während es gleichzeitig das Lieblingsauto der argentinischen Familie war - zum Subjekt künstlerischer Erfahrung, in einer Geste, die dessen Spezifität verändert, eine Kritik die nicht im Narrativen liegt, sondern im Objekt selbst, in welchem verschiedene Episoden abgelaufen sind. Eine Frage, die versucht, einen Teil argentinischer Geschichte zu exhumieren.
In ihrem laufenden Projekt “Katalog österreichischer Kriegerdenkmäler” legt Karoline Mayer (*Wien, Österreich) ein Archiv von Fotografien und Hintergrundinformationen oft in ländlicher Umgebung versteckt gelegener Kriegerdenkmäler an, die in ihrer Art eine selektive, konstruierte oder zumindest höchst unkritische Version Österreichs jüngster Vergangenheit zu transportieren, als physische Manifestationen einer Kultur der Verleugnung gesehen werden können. Im Zuge dieses Projektes stolpert sie unweigerlich auch über die Geschichte ihrer eigenen Familie im ländlichen Niederösterreich.
"Unofficial" und "Double Coding" von Lucia Nimcova (* Humenné, Slowakei) sind Teil einer Trilogie, in welcher die Künstlerin die Typologien, Fiktionen und gelebten Realitäten einer „neuen Gesellschaft“ untersucht, die aus dem kommunistischen Regime in ihrem Heimatland entstanden sind. In der Video Installation „Double Coding“ analysiert und rekonfiguriert Nimcova Filmmaterial von 40 slowakischen Filmen, die nach dem Prager Frühling zwischen 1968 und 1989 in einer Zeit intensiver Zensur entstanden sind. Für das Projekt "Unofficial" recherchierte sie in Archiven offizieller Kulturorganisationen in der Region Humenné. Als Teil des Projektes suchte sie die Orte, an denen die Bilder entstanden sind, wieder auf und bat die ältere Generation, die in diesen Bildern portraitiert ist, für die Kamera gewisse Übungen durchzuführen.
In der Sound Installation "Lebensraum" hält Ger Duijzings (Niederlande / London) eine öffentliche Vorlesung von Einträgen aus seinem persönlichen Tagebuch, die er zwischen März und August 1992 geschrieben hat, während er als Anthropologe im ehemaligen Jugoslawien tätig war; Reflexionen über seine Arbeit, über Erinnerung, über Miterleben, die Niederschrift und den Gebrauch von Geschichte. Die Lesung wurde von dem Künstler Rastko Novakovic (*Belgrade, lebt in London) aufgezeichnet und interpretiert.
In “Wir waren das Kino” führt Cora Piantoni (*München/lebt in Zürich) Interviews mit ehemaligen Dresdner Kinomitarbeitern. Die Interviews befassen sich mit der Zeit vor 1989, mit den sozialen und politischen Veränderungen, die vor den Kinotüren vor sich gingen, aus der Sicht derjeniger, die im Zwischenraum zwischen der Fiktion auf der Leinwand und der Realität vor der Kinotür im Foyer sitzend diskutieren. Gesprächsthemen waren neben den Filmen die marode politische Situation und die Utopie einer Veränderung des Systems von innen. Der Fokus des Films liegt darin zu zeigen, wie sich politisches Geschehen im Alltagsleben manifestiert, wie kleine Veränderungen und Ereignisse die „Wende“ ankündigten.
In ihrer Performance “I would like to say sorry” hinterfragen A2 company (Alit Kreiz / Anton Mirto –London) die Rolle des „Guten“ und des "Schlechten", den Mythos Perfektion und reflektieren die Notwendigkeit, Verantwortung für seine eigene Taten zu übernehmen um Veränderung zu bewirken.