Leftovers (c) Anna Francesca - am 16.4.2025 im WUK
Time

We 16.4.2025
8.00 pm Hrs

Price

€ 32

Place

Saal

Leftovers (c) Anna Francesca
MusikKonzert

Leftovers

Leftovers - Es kann sein, dass alles endet

Das am 11.10.2024 erschienene neue und dritte Album der Wiener Überholspur-Wahnsinnsband Leftovers heißt: »Es kann sein, dass alles endet«. Ein guter Titel, der nun aber auf keinen Fall für die Band selbst gilt, die mit diesem Album auf die denkbar beste Weise erwachsen geworden ist – und gleichzeitig weiterhin lichterloh brennt. Der Autor Eric Pfeil hat kürzlich in einer Kolumne für den »Rolling Stone« ein Hohelied auf die romantische Idee von der Band als Gang aus Freund*innen geschrieben. Eine Rockband, so Pfeil, sei eine »Brutstätte des Unfugs« mit »irrlichternden Ambitionen«, selbst eine solche zu gründen, zähle »für junge Menschen zu den sinnvollsten Unternehmungen überhaupt.«

Vielleicht hat Eric Pfeil ja an die Wiener Band Leftovers gedacht, als er diesen flammenden Appell verfasst hat. Was es bedeutet, mit seinen Freundinnen und Freunden die Welt aus den Angeln zu heben, zelebrieren Leftovers nun schon seit drei Alben auf stromstoßartig belebende Weise. Das am 11.10.2024 erschienene neue Album, »Es kann sein, dass alles endet«, ist nun mehr denn je die »Alle-machen-alles-Platte« dieser Band – und insofern die bislang kollaborativste Leftovers-Musik. Alle vier haben Texte geschrieben, gesungen, alles geht ineinander auf und verstärkt sich gegenseitig. Oft weiß man nicht, wer gerade singt oder was auch immer macht, aber das ist auch nicht wichtig: Alles auf diesem bestürzend umwerfenden Album ist Leftovers.

Das womöglich gar nicht mal so überraschende, keineswegs selbstverständliche daran: Anna Grob, Leon Eder, Leonid Sushon und Alex Waismayer, deren Namen wir hier ausnahmsweise ein einziges Mal ausschreiben, bevor wir sie dann wieder Anna, Leon, Leonid und Alex nennen, sind durchaus vier höchst unterschiedliche Individuen. Die natürlich unterschiedlich fühlen, wahrnehmen, träumen, ja: sind. Aber genau darum geht es ja! Erst ihre Unterschiedlichkeit macht Leftovers nicht nur größer als die Summe der Teile, sondern unschlagbar. »Wir haben für die Songs gearbeitet, nicht für unser Ego«, sagt Alex.

Auf »Müde« sangen Leftovers 2023 von chronischer Überforderung, von Panikattacken, toxischen Beziehungen und anderen Katastrophen der Adoleszenz, nun sind sie schon wieder einen Schritt weiter. Es geht in »Es kann sein, dass alles endet« um die Kraft der Gemeinschaft, um ein Aufrichten aneinander in finsteren Zeiten, um die Sehnsucht nach Liebe und die Abwesenheit derselben. Während der Produktion ergaben sich Trennungen, neue Bindungen, andere stabilisierten sich, das alles natürlich vor dem Hintergrund der großen globalen Krisen.

»Wenn die Welt untergeht, bin ich bei dir«, singen alle Leftovers etwa zusammen im Outro ihres bislang gewaltigsten, epochalsten Songs. Er heißt »Wenn die Welt untergeht«, ist ein alles verschlingender Mahlstrom von einem Epos, der einen zu gleichen Teilen überrollt und mitzieht und ganz am Ende dieses wunderbaren Albums knapp sieben Minuten lang die unterschiedlichen Gefühle, Ängste und Sehnsüchte der Leftovers in einer herrlich harmonischen Kakophonie sowie einem leisen Hoffnungsschimmer bündelt. Und nein, das ist bei dieser Band kein Widerspruch.

»›Wenn die Welt untergeht‹ ist nicht nur mein Lieblingssong auf dem Album«, sagt Leon, »ich finde, das ist der reifste und größte Leftovers-Song überhaupt bislang.«

Dabei wollte die Band eigentlich in diesem Jahr überhaupt kein neues Album aufnehmen. Nicht schon wieder! Nach unzähligen Konzerten und zwei Alben in ebenso vielen Jahren wollten sie die Dinge mal ein bisschen entspannter angehen. Ein bis zwei EPs veröffentlichen, hier und da noch mal einen Song vielleicht, einfach raushauen, was fertig ist. Es kam aber dann ganz anders: „Wir haben uns mit Kolleg*innen unterhalten, und die meinten: ‚Echte Bands machen Alben, keine EPs‘“, sagt Schlagzeuger Leon, »dieser Haltung haben wir uns angeschlossen.

Überhaupt hatten sie zu viele Songs und als sie dann mit dem Produzenten Georg Gabler im Studio waren, konnten sie sich nicht entscheiden, welche veröffentlicht werden sollten. Also am besten alle. Ein Segen! Man hätte nämlich ungern verzichtet auf Songs wie den herrlich nihilistischen Album-Opener »Mensch am Mond«, das euphorische »Verliebt« (mit der tollen Zeile »Es wäre manchmal schön, wenn mir mehr egal sein könnte«), auf das Basssolo in »Heimlich« oder auf jenen von Anna gesungenen Laut-leise-Grunge-Hymnus, der den grundsätzlichen Aggregatzustand dieser Band womöglich am besten beschreibt: »Dass du brennst«.

»Mir tun Leute leid, die nichts in ihrem Leben haben, für das sie wirklich brennen«, sagt Anna dazu. »Für mich war einfach immer schon absolut klar, dass ich Musik machten wollte. Ohne Musik wäre ich lost.«

Diese Band muss diese Musik machen, daher kommt die Dringlichkeit, die Leftovers-Songs traditionell zugrunde liegt. Dennoch ist hörbar etwas passiert bei der Produktion von »Es kann sein, dass alles endet«: Immer noch kommt diese Musik einer Katharsis gleich, ist chronisch überdreht, auch mal lärmig bis zur Schmerzgrenze. Die Texte changieren zwischen Gebrauchslyrik, DADA, Punk und sind also ebenso unmittelbar wie die Musik. So weit, so Leftovers.   

Man hört aber auch, dass die Band so gründlich an diesen reichhaltigen, tiefgründigen Stücken gearbeitet hat wie noch nie. »Der Anspruch an unsere eigene Musik ist gewachsen«, bestätigt Leon. Dazu passt, dass sich Leftovers zum ersten Mal bislang auf eine wirklich kollaborative Zusammenarbeit mit gleich zwei Produzenten einließen.

Den größten Teil von »Es kann sein, dass alles endet« hat die Band zwischen März und August 2024 mit dem Produzenten Georg Gabler in Wien aufgenommen. Außerdem begaben sich Leftovers für drei Tage nach Berlin ins legendäre Tritonus-Studio, um dort mit Sven Regener drei Songs zu produzieren. Richtig gelesen, der Element-of-Crime-Sänger und Schriftsteller Sven Regener hatte Leftovers live gesehen und war begeistert von der stürmischen Energie der Band. »Element of Crime waren für uns als Texter eine große Inspiration«, sagt Leon.

Im Tritonus Studio entstand nun auch ein krachender Höhepunkt des Albums, das nicht einmal eine Minute lange »Berlin Berlin«, das den ganzen Weltekel und die ungebremste Energie dieser Band in 51 Sekunden kondensiert – und in dem Leonid einen bemerkenswerten Satz über Berlin singt: »Ich kann dein Wasser nicht trinken, aber das Bier ist billig«. »Das Berliner Leitungswasser ist einfach kacke«, sagt er dazu. »Das erste, was man als Wiener macht, wenn man nach Hause kommt: einen Schluck Leitungswasser trinken«, ergänzt Alex.

Sie werden jetzt erstmal eine ganze Weile nicht so oft nach Wien kommen, sondern diese neuen Lieder in die Welt tragen. Etwa den Sorglosigkeits-New-Wave »An nichts denken«, in dem Leon den jüngst von der Band gewonnenen Amadeus Austrian Music Award als Percussioninstrument einsetzt. Die hedonistische Hymne und zweite Single aus »Es kann sein, dass alles endet«, »Zwei Bier«, wiederum nimmt uns mit einer euphorisch gen Himmel strebenden Gitarrenmelodie direkt an den Haken, ehe Leonid singt: »Komm wir trinken noch zwei Bier / Und warten ab ob irgendwann mal irgendwo noch was passiert.«

Im Refrain singen dann alle zusammen einen herrlichen La-la-la-Chor, es wird jetzt groß und gewaltig, wie ein endloser Moment im Sommer, den man nie wieder loslassen möchte. »Zwei Bier« ist ein klarer Hit-Hit, er trägt aber auch diese herrliche Leftovers-Lakonie in sich, die bei dieser Band niemals in Zynismus abkippt. Leftovers gucken nicht klug von außen drauf, sie sind immer mitten im Getümmel.

»Schlecht gelaunt« ist anschließend ein wunderbarer, klassischer Laut-leise-Grunge-Kracher über die Magie der Nacht und den Kater danach, dann kommt »Viel zu gern«, ein Song, der von einer tragischen anrührenden Begegnung mit einem Fan nach einem ihrer Konzerte inspiriert ist. Es geht um Abschiede, das Loch, das geliebte Menschen hinterlassen – und plötzlich wird klar, dass diese Band nur noch am Rand etwas zu tun hat mit der juvenilen Sturm-und-Drang-Leftovers von vor zwei Jahren. »Es kann sein, dass alles endet« hat eine Tiefe, eine Substanz, eine emotionale Offenheit, dass es einem den Atem raubt.

Hier nun also das fiese Wort: Leftovers sind erwachsen geworden. Auf die denkbar beste und reifste Weise. Das zeigt auch das gleich zweimal enthaltene »Keine Tränen«, einmal als mächtiges Grunge-Aufbegehren, dann noch mal als zart anrührende Klavierballade, gesungen von Leon. Oder »Rauschen«, wo es um die chronische Überforderung einer Generation im medialen Dauerfeuer geht.

Und dann eben das große Finale, »Wenn die Welt untergeht«: Alle singen zusammen, untrennbar, eine Band, eine Gang. Eine gigantische Eruption, Leftovers brüllen das Verzagte, die Erschöpfung und die Überforderung einfach hinaus und sind danach: Leer, müde, erschöpft – aber frei.

»Es kann sein, dass alles endet«? Klar, jederzeit. Aber jetzt geht’s für die Gruppe Leftovers aus Wien erstmal so richtig los.

Vorverkaufsstellen

Barrierefrei für Rollstuhlfahrer_innen – um Anmeldung wird gebeten.
Veranstalter: Spoon Agency

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