Wundertüte WUK
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Stefanie, du bist seit Frühjahr 2024 im WUK und damit seit rund einem Jahr, Christoph, du schon seit 1992. Was ist das WUK für euch?
Stefanie Steinwendtner (STS): Das WUK ist für mich eine Wundertüte, in die ich eintauchen durfte. Auch nach knapp einem Jahr hier entdecke ich noch beinahe täglich neue Seiten dieses bunten Mikrokosmos. Das fordert und inspiriert. Hier wird diskutiert, programmiert und produziert – das WUK ist ein Ort des kreativen Miteinanders, ressourcenstark und belebt von Menschen mit enormem Gestaltungswillen.
Christoph Trauner (CHT): In meiner Bewerbung für die Geschäftsleitung WUK Bildung und Beratung habe ich 2015 den Satz geschrieben: Ich bin Teil des WUK und das WUK ist ein Teil von mir. – Das ist immer noch gültig. Für mich ist das WUK ein Wohlfühlort, an dem ich ein unglaublich privilegiertes Leben mit einem sehr großen Gestaltungsspielraum führen kann.
Mit eurer Bestellung bzw. Weiterbeauftragung mit der Geschäftsleitung wurde auch die Struktur verändert. Was war der Anlass dafür?
CHT: Der Impuls ging von einem Organisationsentwicklungsprozess im Jahr 2021 aus. Ein Ergebnis dieses Prozesses war, dass aufgrund des erheblichen Wachstums des Betriebsteils Bildung und Beratung die Gliederung in Kultur und Verwaltung sowie Bildung und Beratung nicht mehr zeitgemäß ist. Dem mit der Pensionierung von Vincent Abbrederis verbundenen Wechsel in der Geschäftsleitung ging eine umfassende Beschäftigung mit möglichen Leitungsmodellen voraus. Eine Form der Geschäftsleitung, die eine klare Zuständigkeit für Kunst und Kultur bzw. Bildung und Beratung vorsieht, kristallisierte sich dabei als beste Option der kontinuierlichen Weiterentwicklung heraus.
Die Zusammenarbeit mit Stefanie und die Art und Weise, wie wir gemeinsam den Herausforderungen an die Geschäftsleitung begegnen, empfinde ich als sehr bereichernd.
STS: Die neue Leitungsstruktur erlaubt dem Verein, Synergien unter Berücksichtigung der Eigenständigkeit und Besonderheiten von Kunst und Kultur bzw. Bildung und Beratung weiter auszuloten. Viele Themenstellungen beschäftigen uns betriebsteilübergreifend. Strategien und Konzepte in den Bereichen Digitalisierung, Gleichstellung, Nachhaltigkeit und vielem mehr sollen ganzheitlich gedacht werden. So kann das bereits vorhandene Know-how für die Gesamtorganisation genutzt werden. Darüber hinaus schätze ich den regelmäßigen Austausch mit Christoph sehr.
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An welchen großen WUK-Themen arbeitet ihr gerade und welche Herausforderungen begegnen euch dabei vielleicht?
STS: Für 2025 sind weitere bauliche Maßnahmen wie die Gestaltung des Hofes, die Erweiterung der Barrierefreiheit unserer Infrastruktur und die Aktualisierung unseres Schließsystems geplant. Alle sind für sich kleine Großprojekte, die viele Abstimmungsprozesse erfordern. Daneben beschäftigt uns nach wie vor das Wiedereinfinden in den sanierten Räumlichkeiten mitsamt neuer Anlagen.
CHT: Auf der Ebene des Vereins beschäftigt mich zurzeit zum Beispiel die Überarbeitung der WUK Vereinsstatuten und der Geschäftsordnung für die WUK Mitgliederversammlung.
Im Geschäftsbereich Bildung und Beratung sehen wir uns mit grundlegenden Änderungen der Umsetzungsrichtlinien für das Jugendcoaching konfrontiert, wo ich nach ersten Rückmeldungen der betroffenen Kolleg*innen Zweifel habe, ob die intendierte Wirkungsabsicht mit diesen Maßnahmen wirklich gut erreicht werden kann.
Sehr erfreulich, wenngleich in vielerlei Hinsicht eine sehr große Herausforderung ist die Ausweitung der Beauftragung durch das AMS NÖ für unseren sozial-ökonomischen Betrieb in Gänserndorf. Neben der bewährten Tätigkeit im Rahmen von WUK bio.pflanzen ist für 2025 der Aufbau eines Teilbetriebs im Bereich Kreislaufwirtschaft geplant.
Das WUK ist ein Ort für Kunst und Kultur, wobei der Kulturbegriff über die herkömmliche Bedeutung hinaus weit in die Gesellschaft reicht. Inwieweit versteht ihr das WUK als politische Institution?
CHT: Sowohl im WUK Leitbild als auch im Leitbild für den Betriebsteil WUK Bildung und Beratung finden sich klare Aussagen darüber, dass wir unser Handeln als politischen Akt verstehen. Beispielsweise habe ich in einer Arbeitsgruppe namhafter NPOs mitgearbeitet, um Empfehlungen zum Thema Bildung an die zukünftige Bundesregierung zu formulieren.
STS: Ein Blick auf die Geschichte des Vereins zeigt, dass das WUK schon immer ein politischer Raum war. Ohne das aktivistische Engagement der Vereinsgründer*innen gäbe es das WUK nicht in seiner gegenwärtigen Form. Heute spiegelt sich die Auseinandersetzung mit aktuellen, gesellschaftspolitischen Themenstellungen sowohl im künstlerischen Schaffen der Programmabteilungen als auch in der Arbeit vieler WUK-Tätigen wider. Dabei erfordern die Ausgestaltung des Zusammenarbeitens im Haus, die Öffnung nach außen, unsere Angebote und präsentierten Inhalte ein ständiges Verhandeln, Reflektieren und Adaptieren.
Das WUK ist in den letzten Jahren saniert worden und seit 2024 wieder ganz geöffnet. Das Thema „Offenheit“ hat sich tatsächlich und metaphorisch als roter Faden durch das WUK-Jahr 2024 gezogen. Was heißt „Offenheit“ für euch?
CHT: Offenheit ist gepaart mit Neugier und verlangt ein gutes Selbstbewusstsein. Wenn ich andere Meinungen nicht gut aushalte, werde ich vermutlich Schwierigkeiten haben, offen auf Menschen zuzugehen oder sie auf mich zukommen zu lassen. Insofern ist Offenheit für mich auch gepaart mit dem Mut, sich verletzlich zu zeigen, womit wir wieder beim Thema wären, dass ein gesundes Selbstbewusstsein Offenheit sehr begünstigt.
STS: Ich sehe das ähnlich. Offenheit bedarf einer aktiven und kontinuierlichen Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt. Dazu gehört für mich einerseits die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und neue Perspektiven einzunehmen, andererseits auch Selbstreflexion und Selbstkritik. Offenheit erfordert somit nicht nur das Aufnehmen von äußeren Eindrücken, sondern auch die Fähigkeit, die eigene Meinung und das eigene Verhalten zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern.
Auf „Offenheit“ aufbauend beschäftigen wir uns im WUK 2025 mit dem Jahresthema „Demokratie“. Was heißt Demokratie für euch? Wozu ist sie gut?
STS: Demokratie ist für mich ein dynamischer Prozess, der auf gemeinsamen Grundwerten basiert. Die Möglichkeit, politische und gesellschaftliche Strukturen gleichberechtigt mitgestalten zu können, spielt dabei eine zentrale Rolle. Demokratie lebt vom Dialog, von Meinungsvielfalt und Pressefreiheit. Sie benötigt aktive Beteiligung, kritische Auseinandersetzung und Weiterentwicklung. Denn wir wissen, dass auch in Österreich vielen Menschen politisches Mitspracherecht noch immer verwehrt bleibt oder Teilhabe erschwert wird. Eine demokratische Gesellschaft muss unterschiedliche Positionen zulassen können und gleichzeitig die Rechte von Minderheiten schützen.
CHT: Stefanies Aussage kann ich nur voll beipflichten. Ich sehe besorgniserregende Tendenzen, die Aushöhlung von demokratischen Strukturen weltweit. Eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Stellenwert von Demokratie, wie das im Rahmen des WUK Jahresthemas 2025 vorgesehen ist, halte ich für dringend notwendig.
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Was motiviert euch?
STS: Ein ständiger Antrieb für mich sind die vielen bereichernden Gespräche mit den Menschen, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammenarbeiten durfte oder die mir im Publikum bzw. als Teilnehmende von Workshops begegnet sind. Es macht mir Freude, zu sehen und hören, wie das Geschehen auf der Bühne nach Vorstellungsende nachwirkt.
CHT: Mein Quellberuf ist Sozialarbeiter und ich habe fast fünfzehn Jahre Basisarbeit gemacht.
Ich weiß daher um die Wichtigkeit, unter guten Rahmenbedingungen arbeiten zu können. Vorgaben der Fördergeber*innen lassen trotz zunehmender Strenge zum Glück immer noch einen Gestaltungsspielraum zu, wie wir die Arbeit erledigen. Als Geschäftsleiter motiviert es mich, gemeinsam mit den Kolleg*innen dafür zu sorgen, dass wir qualitätsvolle Arbeit ohne Selbstausbeutung leisten können.
Das letzte Buch, Theaterstück, eine Reise oder Erfahrung, die euch beeindruckt haben.
STS: Vor kurzem habe ich nach längerer Pause wieder einmal das Ars Electronica Center in Linz besucht und war vor allem von der Videoprojektion „Virtual Anatomy“ im Deep Space beeindruckt, die den Einsatz von Virtual Reality in der Medizin veranschaulicht. Ich finde es immer wieder unglaublich faszinierend, welche technologischen Fortschritte in relativ kurzen Zeitspannen erreicht werden. Die voranschreitende Digitalisierung, ihre Chancen und Herausforderungen, beschäftigt uns auch innerhalb des WUK. Ich bin gespannt, welche Entwicklungen wir im Kunst- und Kulturbereich, aber auch auf Verwaltungsebene erleben werden.
CHT: Ich bin jeden Tag aufs Neue beeindruckt! Unlängst hatte ich beispielsweise ein Gespräch mit einer*m Kolleg*in, das trotz schwieriger Ausgangslage von beiden Seiten sehr respektvoll, klar und lösungsorientiert geführt wurde. Wenn es in einem Gespräch um die Bearbeitung eines Konflikts geht, ist das alles andere als selbstverständlich. Die Offenheit sowie der Grad an Selbstreflexion des*der Kolleg*in hat mich sehr beeindruckt.
Welche Veranstaltung im WUK hast du zuletzt besucht oder hast du vor, zu besuchen?
STS: Vergangene Woche besuchte ich die Ausstellungseröffnung von „Care Webs and Cuddles“ in der kunsthalle exnergasse (kex) mit einer humorvollen Performance der Gruppe DanceAbility. Das Wochenende davor bin ich mit WUK performing arts und God’s Entertainment in eine phantastische Unterwasserwelt im Saal abgetaucht, wo ich kurz danach im Rahmen des Programms der WUK KinderKultur mit Theater Asou zum Südpol gereist bin. Außerdem habe ich mir bereits Karten für die Konzerte von Ja, Panik und Garishgesichert, die aber sicher nicht die einzigen bleiben werden.
CHT: Neben unserem WUK Mitarbeiter*innentag ist mir noch das Fest anlässlich 10 Jahre Kooperation von WUK und Attac gut in Erinnerung. Ein weiteres Highlight war natürlich die WUK-Weihnachtsfeier!
Wenn ihr euch die Geschäftsbereiche Kunst und Kultur bzw. Bildung und Beratung anseht – welche Herausforderungen und Themen werden uns hier gesamtgesellschaftlich in der Zukunft beschäftigen?
CHT: Für beide Geschäftsbereiche gilt, dass die politische Entwicklung einen entscheidenden Einfluss auf uns hat. Als Organisation, die ihre Vorhaben überwiegend aus öffentlichen Fördergeldern finanziert, hängen wir unmittelbar davon ab, ob unsere Aktivitäten auch zukünftig als förderwürdig eingestuft werden. Das darf aber kein Grund dafür sein, die Gesinnung an der Garderobe abzugeben. Niemals!
STS: Dem stimme ich voll und ganz zu. In Zeiten wachsender Krisen und zunehmender Polarisierung bieten insbesondere Kultureinrichtungen Räume für Reflexion, Austausch und kritisches Denken. Sie fördern Kreativität, Selbstausdruck und die Auseinandersetzung mit komplexen Fragestellungen. Die Erhaltung dieser Räume, ihrer Autonomie und der künstlerischen Freiheit ist das Fundament einer pluralistischen, offenen Gesellschaft und muss unbedingt gesichert werden.