"Der Himmel ist eitel und betrachtet sich gern selbst. Er tut das in stillen Bergseen, ungestört von Mensch und Tier. Unter diesem Siegel, der die sichtbare Welt von der verborgenen abtrennt wohnen die Ideen – in allen Größen und Formen. Ich spucke einen Geistesblitz aus und in den See hinein. Er verschlingt ihn und dankt mit makellosen Kreisen. Wie sieht es unter dieser Oberfläche aus? Ich halte meine Hand ins Wasser und warte, welche Kreatur anbeißt.
Utopie bedeutet „Nicht-Ort“. Kein fester Fuß lässt sich an diesen Ort setzen. Dort streift dich die Inspiration wie ein Schwarm von Fischen. Wie dicke Schneeflocken fallen die Ideen in deinen offenen Mund. Hierhin soll die Reise gehen. Doch wie gelange ich an diesen „Nicht-Ort”?
In einem Buch, das ich von einem selbsternannten Murtaler Schamanen bekommen habe, steht, dass es folgende Dinge braucht, um die Geisterwelt zu ergründen: Erstens: Ein Lied, um die Gefährten herbeizurufen. Zweitens: Freunde, die dich halten. Drittens: Eine Trommel, auf der du durch die Zwischenwelt reiten kannst. Ich lasse mir das nicht zweimal sagen: Ich sage Sprüche auf, schreibe meine Zeilen, versammle meine Band und wir wiederholen, bis Text und Zunge eins werden. Ich sehe meinen Fingern zu, wie sie über die Saiten reiten, an ihnen ziehen und zerren, ich beobachte meine Mitmusiker:innen, wie sie sich wie Schlangen um ihre Instrumente krümmen. Wir tauchen unter. Wir lösen uns auf. Der Nicht-Ort weitet sich in Kreisen aus und verschlingt mit einem Trommelschlag das Publikum.
Ehe ich mich versehe, verdichten wir uns wieder – mein Hemd ist nass vor Schweiß, vor mir sitzen Menschen auf Holzstühlen. Die Geister fahren zurück in die Knochen. Das Saallicht wird aufgedreht. Wir machen uns auf den Weg nach Hause."
Paul Plut präsentiert sein neues Album "Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse" am 20. Oktober.