Reizvolle Rollen-Parallelität
Gegründet im zukunftsweisenden Jahr 1989, versteht sich die Kunsthalle Exnergasse (KEX) im WUK als zeitgenössischer Ausstellungsraum sowie als lebendige Plattform der Gegenwartskunst für Künstler_innen und Akteur_innen verschiedenster Disziplinen und Biografien. Seit September 2022 leitet Künstler und langjähriger KEX-Mitarbeiter Klaus Schafler die Kunsthalle. Im Interview mit dem WUK Magazin erzählt er über seine Pläne und was ihn mit dem WUK verbindet.
Wird es unter deiner Leitung programmatische Schwerpunkte geben?
Klaus Schafler: Inhaltliche Schwerpunkte ergeben sich durch eine offene Auseinandersetzung mit den Fragen und Themen des Wandels unserer zusehends fragilen Welt. Wir werden versuchen, künstlerische Recherchen, Arbeiten und interdisziplinäre Projekte zu initiieren, ermöglichen und veröffentlichen, die dazu spannende, kritische und/oder berührende Fragen formulieren. Beispielsweise haben wir uns für das kommende Jahr vorgenommen, spartenübergreifende künstlerische Kollaborationen neu anzuregen. Es wird dabei um die Auseinandersetzung mit verschiedenen Kunstbegriffen im Verhältnis zum Werk / Werkstattgedanke / globale Bewegungen / Sharing gehen.
Außerdem möchten wir unser Artist-in-Residence-Programm mit den über alle Kontinente verstreuten kooperierenden Kunstinstitutionen am Zukunftshof weiterführen. Hier im 10. Wiener Gemeindebezirk soll mittelfristig eine KEX-Dependance etabliert werden. Im inhaltlichen Fokus stehen künstlerische Auseinandersetzungen zu den Themen Stadt-Landwirtschaft, Ökologie und Stadterweiterung.
Möglicherweise wird sich die bereichernde diskursive Außensicht des künstlerischen Beirats der KEX in Zukunft spezifischer gestalten, beispielsweise über thematisch wechselnde Schwerpunkte von den jährlichen Ausstellungsausschreibungen. Daran arbeiten wir gerade.
Eine Rolle spielt dabei auch die Weiterarbeit am Profil der KEX-Dependance am Zukunftshof und dessen Spiegelung im Ausstellungsraum im WUK. Hier wird es neben den bereits laufenden Residenzen für Künstler_innen zusätzliche themenspezifische Veranstaltungsblöcke sowie die Weiterarbeit am Aufbau eines lebendigen künstlerischen Archives zu und um die Themen des Zukunftshofes geben.
Was inspiriert dich?
Momente und Situationen zwischen Fakten und Fiktionen zu Alltag und Kunst. Die Gleichzeitigkeit von Ungleichem und die Auseinandersetzung mit dem Dazwischen. Lange Momente voll Humor und Selbstironie. Reizvolle Rollen-Parallelität in zeitlichem Wechsel zwischen eigener künstlerische Praxis, der Arbeit in temporären Kollektiven und der Leitung einer Kunstinstitution.
Welche Herausforderungen begegnen dir in deiner Arbeit?
Viele, aber momentan und wahrscheinlich auch noch demnächst akut: Die Kälte vor der Heizperiode und eine mögliche Kälte während der Heizperiode. Außerdem die fast unmöglich erscheinende Suche nach neuen Lagerungsmöglichkeiten von Ausstellungsmaterialien und technischem Equipment, da der Einbau von großen Lüftungsschächten im Zuge der WUK-Sanierung die bis dato bestehenden Lagerflächen der KEX immens verkleinerte.
Du kennst das WUK schon lange. Fällt dir eine spezielle Begegnung, Erfahrung, ein spezieller Raum ein, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
In den späten 1990ern, noch während meines Studiums an der Akademie der bildenden Künste und lange bevor ich für die KEX zu arbeiten begonnen habe, besuchte ich die Vernissage einer Ausstellung in der KEX von Viktor Rogy, einem damals eher in Insiderkreisen geschätzten Künstler. An jeder der vier Hallenwände war jeweils nur ein kleines Schwarzweißfoto von unterschiedlichen Menschen, die dem Künstler selbst ähnlich schauten, montiert, und zur Eröffnung gab er eine Leseperformance voller Humor, Absurdität und Konzentration. Diese erfrischende Reduktion künstlerischer Sprache und Form gepaart mit einer Portion Selbstironie, die im WUK so möglich war und ist, hat mich damals beeindruckt und zum Staunen gebracht und ist heute noch ein gelungener künstlerischer Auftritt für mich.
Ebenso bereits vor Jahren hatte ich die Gelegenheit, mit einem damaligen Zivildiener des WUK eine Tour mit „Geheimschlüssel“ durch die labyrinthischen Kellergänge des WUK zu machen, inklusive damals nur inoffiziell begehbarer Räume. Beeindruckend mit ab und zu auch etwas Grusel.
Was ist das WUK für dich?
Das WUK ist ein mich jahrelang begleitender Ort des Arbeitens und Eintauchens in verschiedenste, auch zufällige, Situationen – in einem Umfeld eines oftmals inspirierenden, aber auch hitzigen Austauschs mit Menschen und Themen. Wichtig für eine Großstadt wie Wien: lokal wie international ausgerichtet.
Das WUK ist auch eine lernende Organisation, eine gelebte Versuchsanstalt und Realutopie als Verbindung von Kunst, Alltag und den Dynamiken gesellschaftspolitischer Veränderungen, in dessen Umfeld sich Biografien und Weltbilder einzelner Menschen entwickeln und aus dem WUK in die Welt hinaustreiben können und sollen.
Das WUK ist eine vielfältige, große Organisation. Wird es, wie schon aktuell am Zukunftshof, Kooperationen mit anderen WUK-Projekten geben?
Die KEX ist grundsätzlich neugierig und interdisziplinär interessiert aufgestellt. Eines offenen, nicht-diskriminierenden, aber differenzierenden Kunstbegriffs folgend sind neue Kooperationen WUK-intern wie extern Teil unseres Arbeitsverständnisses. Beispielsweise haben wir nächstes Jahr in der „VERSUCHSANSTALT“ vor, mit einzelnen Werkstätten im WUK zu kollaborieren.
Multidisziplinäre ortsspezifische Ausstellungen, Veranstaltungen und Kollaborationen mit einem hybriden Raumprogramm ohne klassische Bühnen- und Tribünensituation sollen für bis zu je 250 Menschen für ein vielschichtiges Publikum sowie diverse Communities umgesetzt werden.
Thematische Schwerpunkte von Ausstellungs- und Programmblöcken der „VERSUCHSANSTALT“ beziehen sich auf große Begriffe wie Utopie, Zusammenarbeit, Offenheit/Sharing in künstlerischen wie interdisziplinären Zusammenhängen. Begriffe, die auch in der Geschichte des WUK tief verankert sind und eine durchaus wechselhafte Entwicklung des Verständnisses darüber durchlaufen haben.
Nebst „üblichen“ ein-abendlichen Konzerten, Performances oder Lectures, wird es auch performativ angelegte, „wachsende“ Ausstellungen, Programmteile und Themenblöcke geben, die spartenübergreifend konzipiert sind, die aufeinander reagieren, sich einmischen, sich Genre-übergreifend verschränken oder auch in Distanz zum Im-Raum-Vorhandenen verhalten. Beispielsweise kann eine Ausstellung Ort und Thema für einen nachmittäglichen Kinder- und Jugend-Workshop sowie ein abendliches Konzert oder eine Performance sein.
Zur räumlichen Verortung und erhöhten Sichtbarkeit der neuen „VERSUCHSANSTALT“ soll es vor allem im Übergang zwischen dem Innen des frisch renovierten Projektraums und dem Außen des neu gestalteten hinteren WUK-Hofs eine räumliche künstlerische Intervention und umfassende Zeichensetzung an der Gebäudefassade geben. Die „VERSUCHSANSTALT“ sowie die geplanten räumlichen Interventionen sollen, speziell nach und in Zeiten von Covid-bedingtem social distancing, einen barrierefreien neuen Ort zwischen Innen- und Außenraum definieren. Einen Ort, an dem in der Atmosphäre eines spannenden Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramms selbstverständliche, sich gut anfühlende Begegnungen und ausgedehntes Verweilen ermöglicht wird und real wie digital nachklingt.
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Biografie
Klaus Schafler hat Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien, Ökonomie an der Universität Graz und an der Facolta di Scienze-Politiche Messina studiert. Für die Kunsthalle Exnergasse arbeitet er bereits seit mehreren Jahren im Bereich Medien und Ausstellungsprogramm. Im Rahmen seiner künstlerischen wie kuratorischen Arbeit war er auch Co-Kurator des Kollektivs K.U.L.M., u.a. mit steirischer herbst; Fellow Artist am Lower Manhattan Cultural Council in New York; Gastkritiker bei ART OMI, NY; und ist Mit-Initiator der künstlerischen Projektplattform „Grammatik der Dringlichkeiten“ die derzeit zum Thema „Fleeting Territories“ arbeitet. Seit September 2022 leitet Schafler die Kunsthalle Exnergasse im WUK.