Kultur der Einschüchterung

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Kultur der Einschüchterung

Sollte die FPÖ in Wien über Kulturagenden mitbestimmen, ist mit radikalen Kürzungen und Einschüchterungen zu rechnen. Das zeigen Beispiele aus anderen Bundesländern.

Dieser Artikel wurde noch vor der Affäre rund um Odin Wiesinger in Oberösterreich und dem Ibiza-Skandal verfasst. Inwieweit jetzt die FPÖ noch zu fürchten ist, soll anderswo diskutiert werden, ob die Verrohung der Gesellschaft durch Kurz und Co nicht auch Teil des Problems ist, ebenso. 

Sobald die FPÖ den nächsten ORF-Chef stellt, wird Elizabeth T. Spira auswandern. Das kündigte die kürzlich verstorbene Filmemacherin noch wenige Monate vor ihrem Tod an. Spira machte nie ein Geheimnis aus ihrer jüdischen Herkunft und linken Verortung.

Angesichts der wachsenden Einflussnahme der FPÖ in den Bundes- und gewissen Landesinstitutionen sprach Spira aus, was viele Kunst- und Kulturschaffenden längst gedacht haben: Die Zeiten werden rauer und die Kunst wird vom momentanen politischen Machtwechsel besonders betroffen sein. Selbst wenn eine Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien noch nicht einmal in den Sternen stehen mag, bleibt eine gewisse Angst. Was passiert, sollte die FPÖ Kulturagenden übernehmen oder diese zumindest mitbestimmen?

Kulturpolitisch visionslos?

Es kann nur spekuliert werden, was eine FPÖ-Regierungsbeteiligung für die Wiener Kunst- und Kulturszene konkret bedeuten würde. Bisher fallen die meisten Entscheidungen im Wiener Kulturausschuss einstimmig. Ausgenommen sind Subventionen, die das Amerlinghaus, WUK oder Arena betreffen sowie SPÖ-nahe Veranstaltungen wie das Donauinselfest oder gewisse Teile der Erinnerungskultur. Da stimmen die Freiheitlichen konsequent dagegen.

Die Suche nach aktiven kulturpolitischen Positionen der Landespartei gestaltet sich mühsam. Im Parteiprogramm für die letzte Wien-Wahl kommt das Stichwort „Kultur“ nur im Kontext von Integrationspolitik vor. Was ihre kulturpolitische Vision für Wien ist, will die Partei offensichtlich nicht kommunizieren. Auf vermehrte Nachfrage reagieren weder der Landeskultursprecher Gerald Ebinger, noch die nicht amtsführende Stadträtin Ursula Schweiger-Stenzel, die in ihren politischen Schwerpunkten Kulturpolitik gleich zweimal erwähnt.

Bundesländer als Beispiel

Ein Blick in jene Bundesländer und Landeshauptstädte kann Aufschluss geben, was kulturpolitisch von einer FPÖ-Regierung zu erwarten sein könnte. Zur Erinnerung: Kärnten überstand 14 Jahre einer FPÖ- bzw. BZÖ-Regierung. Von den radikalen Kürzungen und dem regressiven Klima habe sich die freie Kulturszene aber bis heute nicht vollständig erholt, sagt Alina Zeichen, Obfrau der Interessensgemeinschaft der Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška.

Auch im schwarz-blauen Oberösterreich wurden die Mittel für Kultur im letzten Jahr radikal gekürzt, das obwohl für die Kulturagenden ein ÖVP-Landeshauptmann zuständig ist. Die minimalen Erhöhungen für 2019 seien nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“, kritisiert die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF). Jetzt werden die Karten der zukünftigen Kulturförderpolitik neu gemischt. Die Landesregierung will das 2009 geschaffene Landeskulturleitbild überarbeiten. Befürchtungen werden laut, die FPÖ könnte Begriffe wie Heimat und Identität mit eindeutiger regressiver Konnotation in die Leitlinien der zukünftigen Kulturförderpolitik reklamieren.

Grazer Einschüchterungen

Das Beispiel Graz zeigt, dass die FPÖ ihre Agenden durchsetzen kann, auch ohne das Kulturressort zu besetzen. Dort führt die FPÖ seit Jahren eine Kampagne gegen das Forum Stadtpark. Im Herbst 2017 erreichten die Angriffe einen Höhepunkt: Ein angezündetes Auto in der Stadt gab dem FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio Anlass, diese Straftat mit einem Kongress zum Thema zivilen Ungehorsam in Verbindung zu bringen, der gleichzeitig im Forum Stadtpark stattfand.

Obwohl die Polizei die Verbindung zum Forum Stadtpark nicht bestätigen konnte, fühlte sich der Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) verpflichtet, die Förderungen des Kulturzentrums öffentlich in Frage zu stellen. Riegler stattete dem Forum einen Besuch ab und forderte die Beantwortung eines Fragenkatalogs. Schlimmeres konnte abgewendet werden. Die FPÖ fordert aber weiterhin, das Forum durch ein Kaffeehaus zu ersetzen. Zuletzt sorgte ein Aufruf zur Donnerstagsdemo, den das Forum teilte, für Entrüstung bei der FPÖ.

Sissa Micheli: Österrkiye/ Türksterreich.
Ein Kunstprojekt für eine freie demokratische Türkei
Im Rahmen der Ausstellung "Fame/Fake/Fail and Fear" in der Kunsthalle Exnergasse

Zielscheibe WUK

Auch das WUK ist der Wiener FPÖ ein Dorn im Auge. Seit den 1990er-Jahren stellt die FPÖ das „linkslinke“ WUK in die Nähe von Terroristen und überhöht es als Objekt ihres Krieges gegen die Linken. Nicht nur die Förderungen werden infrage gestellt, sondern auch die Kunst an sich diskreditiert.

Im April war es eine sechs Meter lange Fahne, die vom WUK hing und die Wiener FPÖ veranlasste, gegen das Kulturzentrum Stimmung zu machen. Künstlerin Sissa Micheli nähte für ihr Kunstprojekt die österreichische und türkische Flagge ineinander, um die Beziehung zwischen den beiden Ländern zu thematisieren. Für die FPÖ war das „pseudokulturelle Agitation“.

Tatsächlich ist das WUK in einer prekären Situation: Nicht nur für das Programm, sondern auch für die Sanierung des maroden Gebäudes ist das Kulturzentrum auf Subventionen angewiesen. Stellt die Stadt Wien ihre Förderung ein, wär’s vorbei. Die FPÖ stimmt seit Jahren gegen die Subventionen für das WUK. Wäre sie Teil einer Stadtregierung, würde sie diese vermutlich sofort einstellen.

Vorbereitungen

Die Erfahrungen aus den Bundesländern zeigen, dass die Umstände für Kunst- und Kulturschaffende durch eine FPÖ-Regierung(-sbeteiligung) rauer werden. Vorausgesetzt, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen blieben relativ unverändert, wäre die Entscheidung auszuwandern zwar nachvollziehbar, aber sicher nicht notwendig. Dennoch: Kürzungen und Einschüchterungen stünden an der Tagesordnung. Kann man sich darauf vorbereiten?

Von den Kunst- und Kulturschaffenden hört man unterschiedliche Ideen: Solidarisieren, Selbsterhaltungsfähigkeit früh genug stärken, sich in die Institutionen und Beiräte reinreklamieren und für Mehrjahresförderungen kämpfen. Auch die Idee eines Landeskulturfördergesetzes wird genannt: In einem solchen Gesetz könne ein „größtmögliches Verpflichtungsmaximum“ für den Fördergeber festgeschrieben sein. Gesetze sind ebenso wie Leitbilder oder Kulturentwicklungspläne veränderbar, das zeigt uns aktuell Oberösterreich. Allerdings wären Entrechtungen sichtbarer.

Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) hält ein Landeskulturfördergesetz für nicht realisierbar. Sie setzt auf Mehrjahresförderungen, einen noch zu etablierenden Kulturentwicklungsplan und ein Fördertransparenzgesetz, das sich gegenwärtig in Begutachtung befindet. „Das sollte reichen, um Kulturschaffende vor Willkür und Beliebigkeit zu schützen und sie in ihrer Produktivität und Kreativität zu stärken“, so Kaup-Hasler.

Die politischen Förderinstrumente mögen elaborierter und transparenter werden, es wäre allerdings ein Widerspruch, sich von ihnen einen allumfassenden Schutz vor einer inhaltlich anderen Kulturpolitik zu erwarten. Wer Situationen wie in Kärnten, Oberösterreich oder Graz nicht gutheißt, dem bleibt nur, sich jetzt gegen die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft zu wehren. Die Kultur bleibt davon nämlich sicher nicht verschont.

Text von Laurin Lorenz

Laurin Lorenz lebt als freier Journalist in Wien. Neben seiner Leidenschaft für kulturpolitische Themen recherchiert er mit der Tageszeitung Der Standard und Medien aus Deutschland und der Schweiz zu rechtsextremen Netzwerken. 

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