Jugendcoaching am Puls der Zeit
„Es war schon eine gute Sache, ein Projekt mit Jugendlichen mit psychiatrischen Diagnosen im WUK anzusiedeln, weil das WUK als sehr innovativ wahrgenommen wird und mit Kultur in Verbindung gebracht wird und nicht etwa mit einer Krankenanstalt.“
(Christine Sonntag, ehemalige Projektleiterin von WUK CoachingPlus)
Mit Ende des Jahres gehst du nach 20 Jahren in den WUK Bildungs- und Beratungsprojekten in Pension. Was waren die wichtigsten Meilensteine, wenn du auf diese Zeit zurückblickst?
Ich fand es immer ganz spannend, beim Aufbau von Projekten mitarbeiten zu können. Da ich von der Ausbildung klinische Psychologin bin, war es für mich eine große Chance, ein Konzept für ein eigenes Projekt für Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen schreiben zu können.
WUK CoachingPlus, wie wir jetzt heißen, gibt es im nächsten April seit 15 Jahren. Auch wenn das Projekt mehrmals an veränderte Förderrichtlinien und -strukturen angepasst werden musste, war der Kern der Tätigkeit immer derselbe: Jugendliche mit psychiatrischen Beeinträchtigungen zu unterstützen, ihren nächsten Schritt zu gehen.
Es war toll, dass wir in diesem Projekt eine Psychotherapeutin und auch Sozialarbeit bewilligt bekommen haben und es bereits vor 15 Jahren das Verständnis gegeben hat, was diese Zielgruppe braucht. Dieser multifaktorielle Ansatz war ursprünglich im Konzept des Clearings und Coachings nicht beinhaltet. Es ist jetzt selbstverständlich, dass es da psychotherapeutische Begleitung braucht und dass Jugendliche auch Unterstützung brauchen, damit ihre Existenzen gesichert sind. Es geht nicht nur um das berufliche Themenfeld. Wer nicht weiß, wo er wohnt, wer nicht weiß, dass er sich Essen kaufen kann, der kann sich auch nicht auf seine nächsten Schritte vorbereiten.
Wie ist WUK CoachingPlus als spezialisiertes Projekt für Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen entstanden?
Das Clearing-Konzept von 2002 hatte im Fokus, dass Jugendliche mit Beeinträchtigungen am Übergang Schule–Beruf Unterstützung bekommen. Überwiegend dachte man da an körperliche Beeinträchtigungen und kognitive Beeinträchtigungen. Was man übersehen hat, war, dass es einen großen Unterschied zu Jugendlichen gibt, die eine psychische Beeinträchtigung haben.
Es hat sich gezeigt, dass diese Jugendlichen kognitiv sehr fit sind, aber trotzdem keine Lehrstelle behalten können. Für diese Zielgruppe braucht es ein anderes Konzept. Mit 1. April 2007 wurde der Startschuss gegeben, dass ein Spezialprojekt einmal für ein Jahr an diesem Konzept arbeiten kann und es dann evaluiert wird.
Die Jugendlichen mit psychiatrischen Diagnosen, die zu uns gekommen sind, waren auch älter. Sie hatten schon einiges ausprobiert und haben es immer wieder abgebrochen, weil sie dem Druck nicht standhalten konnten. Das sehen wir auch heute noch häufig, dass viele Jugendliche vom AMS geschickt werden, die schon vieles probiert haben, was nicht funktioniert hat. Eine psychische Erkrankung wird oft erst sehr spät diagnostiziert.
Es sich gezeigt, dass Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen an ganz vielen Ängsten leiden. Die Sozialängste standen im Vordergrund. Wenn es dann um Gruppenkontakte ging, war das dann oft eine Hürde, die unüberwindlich war. Diese sozialen Ängste, diese Sozialphobien, die sind damals auch gar nicht so beachtet worden bei den Jugendlichen. Es hat sich auch erst jetzt in den letzten 10 Jahren gezeigt, wie häufig Jugendliche an sozialen Ängsten leiden und dass es sehr lange übersehen wird. Aufgrund dieser sozialen Ängste versuchen Jugendliche, sich selbst mit Alkohol und Drogen zu behandeln, um lockerer zu sein, was dann Folgewirkungen hat.
Als ich damals 2007 in der Umsetzung von WUK ClearingPlus Vernetzungsarbeit mit anderen Trägervereinen gemacht habe, hieß es noch: „Wir haben keine Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen.“ Das stand vor 15 Jahren noch gar nicht im Fokus. Da hat sich schon einiges getan, so dass es nun auch sehr viele Angebote gibt für Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen gibt. Man muss auch sehr genau hinschauen, was den Jugendlichen Probleme bereitet, weil das sehr unterschiedlich sein kann. Es ist notwendig einen spezialisierten Fokus auf die Jugendlichen werfen zu können.
Ich glaube auch, dass wir gerade im Projekt CoachingPlus immer am Puls der Zeit sind, weil wir nicht therapeutisch arbeiten, uns aber sehr viel im therapeutischen Feld bewegen und gleichzeitig auch in dieser Welt des Arbeitsmarktes. Da sieht man immer wieder auch sehr früh die gesellschaftlichen Veränderungen. Gerade in der Corona-Zeit haben wir gesehen, dass da in der Gesellschaft auch sehr viele Ängste und Unsicherheiten vorhanden sind und sich das natürlich auch auf die Psyche auswirkt.
Bist du mit den Entwicklungen zufrieden? Was glaubst du, dass es in Zukunft verstärkt braucht?
Zufrieden ist man wahrscheinlich nie ganz, weil das bringt Entwicklung mit sich. Es gibt ganz viele wissenschaftliche Untersuchungen, was es alles braucht und wie viel Unterstützung Jugendliche brauchen und dass es schon Sinn macht, Jugendliche zu unterstützen und ihnen viele therapeutische Angebote zu ermöglichen. Da spreche ich auch diese große Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund an, die geflüchtet sind und in Österreich sind, und ganz viel traumatische Fluchterfahrungen gemacht haben. Sie können das wahrscheinlich auch erst zeitverzögert aufarbeiten, da sie zuerst einmal ankommen müssen und ein bisschen Sicherheit brauchen. Man weiß, dass es da therapeutische Unterstützung und Begleitung braucht. Ich hoffe, dass auch in Zukunft das Geld für diese Angebote da sein wird.
Eine psychische Erkrankung – wenn man zum Beispiel vom Themenfeld Despression spricht – wirkt sich das sehr unterschiedlich auf Personen aus. Ich glaube, dass es da noch sehr viele spezielle Angebote braucht.
Gibt es eine schönste Erinnerung aus den 20 Jahren?
Das Projekt hat sehr viel Engagement von sehr vielen verschiedenen Menschen erfahren. Das finde ich ganz toll. Schöne Erinnerungen sind, wie sich die Kolleg_innen für die Jugendlichen ins Zeug schmeißen. Es ist ein Zusammenspiel von ganz vielen Menschen nötig, damit das passieren kann und gefördert wird und vor allem auch, damit es so gut im WUK eingebettet ist.
Es war schon eine gute Sache, ein Projekt mit Jugendlichen mit psychiatrischen Diagnosen im WUK anzusiedeln, weil das WUK als sehr innovativ wahrgenommen wird und mit Kultur in Verbindung gebracht wird und nicht etwa mit einer Krankenanstalt. Gerade am Anfang war das für die Jugendlichen eine tolle Sache. Mittlerweile ist der Name WUK CoachingPlus bekannt, da weiß man, das ist das Jugendcoaching für Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen.
Vor allem Danke ich Britta und Ebru und allen meinen Kolleg_innen, dass sie sich da so ins Zeug schmeißen und wünsche allen alles Gute. Und dem WUK danke ich sowieso. Wir arbeiten auch sehr gut mit Fördergebern zusammen. Sie haben das Projekt sehr gut unterstützt und sind auch immer sehr hinter den Inhalten gestanden.