Verbundenheit suchen in einer Welt voller Grenzen
Verbundenheit (Englisch: „Connection“) ist zu einer Art Open-Source Begriff geworden, gebrauchsfertig, aber auch oft missbraucht. Wie schaffen wir es, zu connecten, wenn das Narrativ „build the wall” heißt? Ist Musik immer noch „the answer“? Das fragt sich unsere Gastautorin Eliza Niță aus Bukarest anlässlich des Europavox Festivals in Wien.
In Rumänien trieben die Playlists von Radio Free Europe/Radio Liberty in der Zeit des Ceaușescu-Regimes Verbundenheit im Sinne des revolutionären Geistes voran. Unter dem rumänischen Diktator gedieh die Zensur. Nicolae Ceaușescu rief einen Krieg gegen die Kultur aus. Gesetze verboten den Konsum jeder Art von künstlerischen Inhalten aus dem „kapitalistischen Westen”. Gleichzeitig kopierten geschäftige junge Männer die westlichen Sounds und stimmten sie auf die eigene Nation ab. Allerdings wurden nur ca. 60 % davon veröffentlicht, da alle Werke von der Regierung sorgfältig überprüft und genehmigt werden mussten.
Als im Jahr 1989 die andauernde systemische Gewalt des Regimes zum Ausbruch der historischen Winterrevolution führte, spielte der Rundfunk dabei eine tragende Rolle. Anstelle von Songs schickte das Radio die Schreie einer Frau, die erschossen wurde, in den Äther. Diese Töne bewegten eine ganze Generation dazu, für das Leben der nächsten Generation zu kämpfen.
Die politischen Rahmenbedingungen des Musikkonsums in Rumänien
Eine Tragödie im Jahr 2015 rückte die politischen Rahmenbedingungen des Musikkonsums erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Nur wenige Menschen überlebten das Feuer im Club Colectiv, das während eines Konzerts der Band Goodbye To Gravity ausbrach und zum tödlichsten Feuer in der Geschichte Rumäniens wurde. Die Empörung über die Korruption, die im Zusammenhang mit dem Feuer stand, löste landesweit Massenproteste aus, die zum Rücktritt des Premierministers führten. Das monumentale Desaster veränderte die Musikszene Rumäniens für immer.
Livemusik könnte nicht ohne Veranstaltungsorte und deren unermüdliche Betreiber_innen überleben. Im Westen etablierten sich in den 80ern Clubbings und Konzerte, während der Osten nach dem Zerfall der Sowjetunion so schnell wie möglich aufzuholen versuchte und dabei leider ein paar Schritte übersprang. Obwohl man gar nicht den Mainstream erreichte, richtete man sich auf Kommerz und Konsumdenken aus, um sich finanziell über Wasser zu halten. Wenig überraschend lehnen jüngeren Generationen diese Ideologie vehement ab und arbeiten hart daran, diese Strukturen abzubauen.
Der Control Club in Bukarest hat vor kurzem die erste Ausgabe des Europavox Festivals in Rumänien durchgeführt. Im Rahmen des Europavox Projects, das von der EU gefördert wird, arbeiten WUK und Control Club eng zusammen. Die Venue zeigt seit 14 Jahren offen ihren Widerstand. Sie prägt damit die Menschen, die die verdunkelten Säle des Clubs bevölkern, und wird umgekehrt auch von ihnen geformt. Das Gebäude ist immens bedeutend für die Alternativkultur und immer nah am Zeitgeist. Der Control Club veranstaltet ganz reguläre Konzerte (z.B. von den Swans, dEUS und Son Lux) genauso wie komplexe Kunstinstallationen. Dabei gibt er immer jenen Künstler_innen eine Plattform, die am Status Quo rütteln. Maßgeblich geprägt wird der Club von Frauen und nicht-binären Personen.
Musikalische Grenzen überschreiten und Schnittstellen finden
Auch der rumänisch-russische Künstler Mischa Blanos hat Erfahrung damit, traditionelle Strukturen hinter sich zu lassen. Als klassisch ausgebildeter Musiker, der im Alter von sieben Jahren anfing, Klavier zu spielen, war Electronica für Blanos eine Art Revolution und Zuflucht zugleich. Und so bringt er schon seine ganze Karriere lang die Vergangenheit mit der Zukunft, das Alte mit dem Neuen, das Bekannte mit dem Unbekannten in Einklang. Durch Konzerte außerhalb Rumäniens erreicht er mit seinem Neoklassik-Projekt „die Ohren der neuen Generation”, wie er selbst sagt. Gleichzeitig sind Auftritte zuhause wie ein großes Familientreffen für ihn: „Die Leute kennen mich und ich kenne viele von ihnen.” Aber egal, wo er spielt, er fühlt sich „wirklich geliebt”.
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