Der Käfig gehört allen.
Fußballkäfige sind ja nun nicht als die lauschigsten Plätze von Wien bekannt. Warum wollt ihr eine Ode an den Käfig anstimmen?
Simone Kühle, Christina Rauchbauer und Mary Peer: Wir wollen eine Ode an den Käfig anstimmen, die mit Leichtigkeit zum freudvollen miteinander kicken, tanzen, bewegen einlädt - und ja, den unterrepräsentierten jugendlichen Mädchen noch mehr Mut geben, sich den Raum zu nehmen.
Wir erleben den Käfig als einen offenen, lebendigen und emotionsgeladen Raum, wo viele Aktionen gleichzeitig passieren können - in einem Eck wird Fußball gespielt, dann fährt jemand mit Inlinekates baskettballspielend durchs Feld. Der Entschluss gemeinsam miteinander zu spielen passiert im Käfig fließend und mit Leichtigkeit, genauso wie das Verstehen von unausgesprochenen Gesetzen oder Teamkonstellationen. Der Käfig gehört allen. Manchmal hatten wir in unseren Streifzügen durch Wien, sogar den Eindruck, dass horizontales Zusammen-Sein und Spielen dort selbstverständlich passiert.
Natürlich kommt es uns zu Gute, dass Mary mit ihren Tricks und Fußballkönnen Aufmerksamkeit auf sich zieht und die Nutzer_innen sich sofort über diese Bewegungen austauschen wollen. Wir haben auch kraftvolle und aufgeheizte Spielsituationen oder Gruppenkonstellationen erlebt, die für uns nicht zugänglich waren - sie zeigten aber die wichtige Funktion des Käfigs sich auszupowern, Aggressionen durch den Ballkontakt loszuwerden und sich als temporär zusammengewürfeltes Team zu treffen.
Performance trifft Fußball ist einer eurer Leitsprüche. Was passiert wenn Performance auf Fußball trifft?
Simone Kühle, Christina Rauchbauer und Mary Peer: Durch die performative Abstraktion verformen wir Wünsche von Fußballspielenden und auch deren Vorstellungen von Bewegungsabläufen, Reaktionen und Handlungen. Wir nutzen die Gelegenheit mal ganz nah in Momente des Spiels zu zoomen, Situationen zu vergrößern, emotionale Prozesse sichtbarerer zu machen, zwischenmenschliches (Ver-)handeln auf dem Feld in einen neuen Kontext zu setzen. Und auch schlicht, den Bewegungen des Fußballspielenden Körpers ein neues Timing zu geben. Da steckt so viel Akrobatik in einem Spiel und Tanz in einem Ball- oder Blickkontakt. Vor allem aber erlaubt das Fußballspiel, das auf simplen Regeln basiert und ein starkes identitätsstiftendes Spiel sein kann, bzw. als solches medial beworben wird, Rollenverteilungen, Machtgefüge, Teamkonstellationen und auch Gendervorstellungen spielerisch zu verhandeln.
An der Entwicklung von "Ole Ole Ole" sind auch Kinder und Jugendliche beteiligt. Wie können sie mitmachen und wie fließen ihre Gedanken und Anliegen in das Projekt ein?
Simone Kühle, Christina Rauchbauer und Mary Peer: Wir sind seit September regelmäßig in den Käfigen Wiens unterwegs, durch die Pandemie und Coronamaßnahmen war dies eingeschränkter möglich, als wir geplant hatten, aber wir haben mehr als zwanzig Fußballkäfige und Bezirke besucht und bespielt. Wir pflegten die Vernetzung zu Jugendzentren, Nachbarschaftszentren, Fußball- und Kulturinitiativen und lernten so unterschiedlichste Menschen von acht bis vierzig Jahren kennen. Wir hielten Workshops und öffentliche Try outs von ersten szenischen Material und sprachen im Nachhinein mit den Kindern und Jugendlichen über ihre Assoziationen, Fragen und Gedanken.
Die Idee war und ist, dass wir mit Jugendlichen vor Ort, die Performance entwickeln, dies wird sich nun im Sommer zeigen, da durch die Pandemie der spielerische Probenprozess eingeschränkt war. Auf jeden Fall transformieren wir unsere Beobachtungen, Gespräche und Spielerfahrungen mit Kindern und Jugendlichen in performatives Material: die persönlichen Erfahrungen der Jugendlichen sind in der Ode an den Käfig zu hören, deren Spiellust, Lieblingstricks in Choreografien zu sehen und deren Rollen bzw. Machtverhältnisse szenisch reflektiert.
Wie bringt ihr euch selber ins Projekt ein? Ihr kommt ja aus sehr unterschiedlichen Bereichen, wie verläuft da die Zusammenarbeit?
Simone Kühle, Christina Rauchbauer und Mary Peer: Am Anfang des Prozesses haben wir uns gegenseitig viel beigebracht. Unser Trainingsprogramm bestand aus Tanz- und Fußballbewegungen, deren Verschmelzung und Trennung, sowie dem performativen Ausreizen beider.
Auch sehen, gesehen werden - im Bezug auf den Käfig, das Innen und Außen - sowie das völlig intrinsisch ins Spiel vertieft sein, war für uns ein spannender Punkt um einen neuen Zugang zu Präsenzarbeit, Fokus und Publikumskontakt zu finden.
Im Käfig selbst waren wir zudem mit unserem eigenen Agieren im öffentlichen Raum konfrontiert: Wie viel Raum nehmen wir uns? Wem gehört der Käfig? Wie sichtbar agieren wir?
Dieser Prozess war oft von einem Perspektivenwechsel begleitet: sind wir mehr Pädagogin, Performerin, Sozialarbeiterin - jede von uns hat sich in unterschiedlichen Situationen anders identifiziert und dementsprechend agiert. Aber genau deshalb ist der Käfig auch ein so spannender Austragungsort für Performance, er eröffnet viele neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten, er kann auf den ersten Blick einschüchternd sein, überrascht aber mit seiner Offenheit.