Im Kampffeld der Bilder und Symbole
Schon ist wieder alles anders. Zumindest, wenn man Twitter folgt, wo Weltzusammenhänge auf 280 Zeichen zusammengeschrumpft werden. Nicht so sehr die Kurzform der Nachrichten macht das Besondere aus. Bemerkenswert ist vielmehr, wie leicht mittlerweile Propaganda mit politischem Handeln verwechselt wird. Längst hat sich das unentwegte Zurechtrücken von Wahrheiten und Scheinwahrheiten als politisches Tagesgeschäft etabliert. Da wo Klimawandel, Korruption oder Migration zum Thema werden, haut der Unaussprechliche aus den USA sofort auf den Tisch und posaunt das Gegenteil raus. Nicht per Presseagentur, sondern gleich per Mikroblogging.
Neu daran ist, dass es kaum um Perspektiven geht, sondern um Behauptungen, neu ist auch, wie offensiv der Kampf um die Deutungsmacht geführt wird; ein Schlagabtausch in atemberaubender
Geschwindigkeit. Es geht um das Setzen von Symbolen. Kaum beginnt die österreichische Bundesregierung, die Statistik Austria umzufärben, benennt deren rechtsnationaler Innenminister auch gleich die Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge in Ausreisezentren um. Per Sprache, über Slogans und bewusst gesetzte Umbenennungen werden gesellschaftliche Realitäten mit neuen Brandmarks versehen und umgepolt.
Aktuell neu und unseren Alltag prägend ist die Geschwindigkeit, mit der Fakten geschaffen werden sollen. Während Politiker_innen heute selbst in die Tasten greifen, war dies früher das Geschäft der Boulevardmedien. Deren Art, Empörung zu schüren, legte im Jahr 2000 die aufsehenerregende Intervention des 2010 verstorbenen Regisseurs Christoph Schlingensief vor der Wiener Staatsoper offen. „Bitte, liebt Österreich“, war ihr Titel.
Darüber drehte Paul Poet den Dokumentarfilm „Ausländer raus! – Schlingensiefs Container“, der jetzt permanent im Rahmen der Ausstellung zu sehen ist. Was Schlingensief damals an einem der berühmtesten Plätze Wiens performativ inszenierte, wirkt wie eine Vorwegnahme der Gegenwart. Orientiert am populären Fernsehformat „Big Brother“ war es möglich, entweder echte oder scheinbare Asylwerber_innen per public voting aus dem Land zu wählen. Es verschwammen die Grenzen zwischen Übersteigerung in den teils hysterischen Medienberichten und künstlerischer Überspitzung vor Ort.
Zu einem Blickwechsel kommt es in der Begegnung mit der Arbeit von Martina Montecuccoli „Bon Voyage! Eine abenteuerliche Reise in die Festung Europa“, bereits im Jahr 2011 entstanden. Vor dem Hintergrund eines merkbaren Anstiegs weltweiter Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa erfand Martina Montecuccoli ein Würfel-Brettspiel rund um dieses Thema, um einen Beitrag zu Verständnis,
Empathie und Solidarität für Menschen auf der Flucht zu leisten.
In die Auseinandersetzung mit visuellen Darstellungsformen hingegen geht Christian Bazant-Hegemark, der über seine Malerei sagt: „Mein zentrales Thema ist der Zweifel am Abbild. Und nun stellt sich die Frage: Wie bilde ich diesen Zweifel ab? Vor allem, wenn ich in einer konkreten figurativen Tradition stehe.“ Bazant-Hegemark hinterfragt Wahrnehmung und Bildproduktion. Seine Werke bewegen sich zwischen digital-medialem Bereich und Leinwand. Aus einer Unzufriedenheit über die Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung am Markt entwickelte er selbst eine Software zur Abstraktion, die ihm unübliche Fragmentierungen erlaubt. Seine gepixelte Malerei, die gelegentlich an die Videoästhetik der 1990er Jahre erinnert, macht Prozesse der Konstruktion und der technischen Formatierung visueller Images bewußt.
Selbst wenn aktuelle Themen aufgegriffen werden, unterscheidet sich die Kunsthalle eben doch deutlich von einem Newsroom. Dies zeigt allein die Vielfalt der künstlerischen Arbeiten. Dabei ist „Fame/Fake/Fail and Fear – Schwarze Melange“ voll von Anspielungen auf die politische Wirklichkeit, wie etwa durch die Arbeit von Gabriele Sturm, die mit einem Manifest als künstlerische Praxis für die Erhaltung des EISRING SÜD und des Grünlands auf diesem Gebiet kämpft, oder mit Kamen Stoyanov, der mit einem Video von einer riesigen Trillerpfeife an die aktionistisch künstlerische Seite der Proteste gegen die Regierung Orescharski in Bulgarien 2013 erinnert. Ein geradezu ironisches Superzeichen.
Während sich der Begriff „Fake-News“ in Hochgeschwindigkeit als Kampfvokabel etablierte und rechtskonservative Politik sich vor allem auf den Transport griffiger symbolischer Botschaften konzentriert, fragt die Ausstellung „Fame/Fake/Fail and Fear – Schwarze Melange“ danach, mit welchen Strategien Kunst versucht, sich gesellschaftlicher Entwicklungen anzunähern und diese kritisch zu entschlüssen.
Roland Schöny begleitet die Ausstellung theoretisch. Er ist Kurator und Autor für Gegenwartskunst, Lektor für Sound und Medientheorie im Kontext gesellschaftspolitischer Konflikte an den Abteilungen Digitale und Transmediale Kunst der Angewandten in Wien.
Fame/Fake/Fail and Fear – Schwarze Melange
Do 4.4. bis Sa 18.5.,
Kunsthalle Exnergasse
Eröffnung mit Artist Talk: Mi 3.4., 18 Uhr
Mit Arbeiten von Christian Bazant-Hegemark, Konrad Kager/ Baptiste el Baz, Paul Poet, Sissa Micheli, Eleni Kampuridis, Martina Montecuccoli, Kamen Stoyanov, Gabriele Sturm, Zentrum für politische Schönheit
Weitere Infos auf der Website