Weidende Nachhaltigkeit
Uralte Haustiere
Albert Einstein schrieb einst recht scharfsinnig: "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein." Das muss nicht unbedingt respektlos gemeint gewesen sein, letztlich waren diese Woll- und Milchlieferanten eine stets unterschätzte Tierart, die das Attribut des Dummen mit sich herumtragen müssen. Die Hausschafe zählen zu den ältesten Haustieren im "fruchtbaren Halbmond" (heutiger Irak und Levante) 10.000 Jahre vor unserer Gegenwart.
Zu dieser Zeit gab es die Gemeinde Lassee noch nicht, mittlerweile leben über 2.700 Menschen dort, inklusive der Kastralgemeinden. Und mittendrin startete letztes Jahr das neue Projekt von WUK bio.pflanzen, im Rahmen des österreichisch-slowakischen Interreg-Projekts "3E Morawa Nature". Mit dem Vorhaben werden Umweltbildungsangebote und naturtouristische Maßnahmen entlang der March/Thaya unterstützt und mit Gemeinden, dem Weinviertel-Tourismus, Auring, Storchenhaus und WUK bio.pflanzen ein Netzwerk beiderseits der Grenze geschaffen. Konkret wird auf österreichischer Seite in der Gemeinde Hohenau a. d. March ein modernes Ökozentrum aus EU-Mitteln errichtet, in Marchegg das touristische Angebot in der Au verbessert und von Lassee aus die Beweidung der Trockenrasengebiete gestartet. Slowakische Projektpartner sind Moravsky Sv., Devinsky Nova Ves, Stupava, Gbely sowie die NGO Broz.
Bewährte Zusammenarbeit
Wir sitzen zu dritt im noch recht karg möblierten Haus, einer ehemaligen geologischen Station, wo die Aufzucht von Bäumen und Sträuchern für u.a. Windschutzgürtel koordiniert wurde. Die Leiterin von WUK bio.pflanzen Ursula Königer ist ebenfalls angereist und erzählt von der guten Zusammenarbeit mit der Gemeinde Lassee und im Speziellen mit Bürgermeister Karl Grammanitsch. WUK bio.pflanzen betreut seit Jahren Teile der Grünflächen der Gemeinde.
Landwirtschaft als Verdränger
Unter Trockenrasen versteht man ungedüngte Rasengesellschaften auf trockenen Standorten. "Durch die Landwirtschaft wurde der Wald zurückgedrängt. So entstand schon vor Tausenden von Jahren eine weitgehend „offene“ Landschaft, die bis in das 19. Jahrhundert vorherrschte, wie uns alte Landschaftsgemälde immer wieder zeigen. Die wegen Steilheit oder Flachgründigkeit für den Ackerbau ungeeigneten Flächen wurden beweidet oder als einschürige Wiesen genutzt. Diese extensive Grünlandwirtschaft führte zur Ausbildung zwar wenig produktionskräftiger, aber artenreicher und blumenbunter Magerweiden und Magerwiesen, die sich aus Arten zusammensetzten, die auf den genannten Sonderstandorten schon im Gebiet heimisch waren oder aus den östlichen Steppen oder südlichen Grasfluren einwanderten," so zu lesen im Österreichischen Trockenrasenkatalog von 1986 (erstellt vom botanischen Institut der BOKU Wien).
Nachhaltige Schafe
Weiter: "Die Schafzucht, die in den meisten, für den Ackerbau ungünstigen Lagen eine große Rolle gespielt hatte, brach wegen der Einfuhr billiger Wolle aus Übersee zusammen. Dies geschah z. B. im Sandgebiet des niederösterreichischen Marchfeldes. Dort wurden die ehemaligen Wanderdünen durch Trockenrasen befestigt, die heute zu verbuschen beginnen. Die Pflanzenarten des offenen Sandes sind hier schon fast gänzlich verschwunden. In den meisten Ackerbaugebieten ging man zur ganzjährigen Stallhaltung über, wodurch die Weideflächenüberflüssig wurden."
Tägliche Kontrollen
Reinhard öffnet jeden Tag in der Früh den Stall, um giftige Dämpfe rauszulassen. Danach kontrolliert er die Tränke und den Tank. Ein Schaf säuft zwei Liter Wasser und frisst 2 Kilo Heu pro Tag. Gefüttert werden per Hand dabei außerdem Pellets als Leckerlis und Kraftnahrung für den Winter. Nun wird jedes Schaf kontrolliert, das ist auch für die Beziehung zu jedem Tier wichtig. Beim Fotoshooting wird das auch schön sichtbar, als Reinhard in den Stall zu seinen Tieren geht.
Der Einstreu wird je nach Verschmutzung alle 1-2 Wochen gewechselt und als "Klospülung" Urgesteinsmehl gestreut. Am Ende der Wintersaison wird der ganze Stall mit dem Bagger ausgemistet.
Große Projekte
Rundum den Stall plant die Gemeinde weitere ambitionierte Projekte. So sollen in den gesamt 10.000 Quadratmeter großen Gebiet der "Generationencampus 2030" entstehen. Neben einem Kindergarten soll auch ein Tageszentrum für Senior_innen gebaut werden. In den Begegnungszonen werden Hochbeete und ein Streichelzoo angeschlossen..
Ursula und Reinhard schmieden auch Pläne zur Nachhaltigkeit. Mit dem Ziel von Kreislaufwirtschaft kann beispielsweise die geschorene Schafswolle als Düngemittel eingesetzt werden. Auch wenn die Förderung mit 100.000,- Euro doch recht knapp ist und Reinhard seinen Privat-PKW benutzen muss, sollen zwei Hunde den Schäfer unterstützen. Hier wird an eine Kooperation mit Hundeausbildner_innen gedacht. Weiters kann durch die Verstärkung von Transitarbeiter_innen eine umfassendere Begleitung der Schafherde gewährleistet werden. Peter Reicher von WUK bio.pflanzen wird außerdem als Außenstellenmitarbeiter das Büro in Lassee zusätzlich beleben.
Wer die wachsende Gemeinde Lassee und das schöne Projekte besuchen möchte, sollte sich auch vorher im Museum für Trockenrasen anmelden. Reinhard macht großartigen Kaffee.