Weidende Nachhaltigkeit

Schafe im Stall

Weidende Nachhaltigkeit

Philipp Leeb besuchte für WUK Info Intern das neueste Projekt von WUK bio.pflanzen.

Reinhard Maniszewska und Ursula Königer auf der Weide

Beitrag von Philipp Leeb,
aus der WUK Hauszeitschrift Info Intern, Februar 1/18,

In den Augen des Schäfers liegt ein sanftes Leuchten, wenn er über seine Arbeit spricht. Der aus Salzburg stammende Reinhard Maniszewska ist 54 und hat schon sehr viel Erfahrung mit Tieren. Der tieraffine Gitarrist erzählt sehr routiniert von seinen Erfahrungen mit mobiler Hundebetreuung in Salzburg und Kärnten sowie im Lamatrekking in Gänserndorf. Seit September 2017 ist er Schäfer einer Herde von Krainer Steinschafen in Lassee, im Dezember habe ich ihn dort besucht.

Uralte Haustiere

Albert Einstein schrieb einst recht scharfsinnig: "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein." Das muss nicht unbedingt respektlos gemeint gewesen sein, letztlich waren diese Woll- und Milchlieferanten eine stets unterschätzte Tierart, die das Attribut des Dummen mit sich herumtragen müssen. Die Hausschafe zählen zu den ältesten Haustieren im "fruchtbaren Halbmond" (heutiger Irak und Levante) 10.000 Jahre vor unserer Gegenwart.

Zu dieser Zeit gab es die Gemeinde Lassee noch nicht, mittlerweile leben über 2.700 Menschen dort, inklusive der Kastralgemeinden. Und mittendrin startete letztes Jahr das neue Projekt von WUK bio.pflanzen, im Rahmen des österreichisch-slowakischen Interreg-Projekts "3E Morawa Nature". Mit dem Vorhaben werden Umweltbildungsangebote und naturtouristische Maßnahmen entlang der March/Thaya unterstützt und mit Gemeinden, dem Weinviertel-Tourismus, Auring, Storchenhaus und WUK bio.pflanzen ein Netzwerk beiderseits der Grenze geschaffen. Konkret wird auf österreichischer Seite in der Gemeinde Hohenau a. d. March ein modernes Ökozentrum aus EU-Mitteln errichtet, in Marchegg das touristische Angebot in der Au verbessert und von Lassee aus die Beweidung der Trockenrasengebiete gestartet. Slowakische Projektpartner sind Moravsky Sv., Devinsky Nova Ves, Stupava, Gbely sowie die NGO Broz.

Bewährte Zusammenarbeit

Wir sitzen zu dritt im noch recht karg möblierten Haus, einer ehemaligen geologischen Station, wo die Aufzucht von Bäumen und Sträuchern für u.a. Windschutzgürtel  koordiniert wurde. Die Leiterin von WUK bio.pflanzen Ursula Königer ist ebenfalls angereist und erzählt von der guten Zusammenarbeit mit der Gemeinde Lassee und im Speziellen mit Bürgermeister Karl Grammanitsch. WUK bio.pflanzen betreut seit Jahren Teile der Grünflächen der Gemeinde.

Landwirtschaft als Verdränger

Unter Trockenrasen versteht man ungedüngte Rasengesellschaften auf trockenen Standorten. "Durch die Landwirtschaft wurde der Wald zurückgedrängt. So entstand schon vor Tausenden von Jahren eine weitgehend „offene“ Landschaft, die bis in das 19. Jahrhundert vorherrschte, wie uns alte Landschaftsgemälde immer wieder zeigen. Die wegen Steilheit oder Flachgründigkeit für den Ackerbau ungeeigneten Flächen wurden beweidet oder als einschürige Wiesen genutzt. Diese extensive Grünlandwirtschaft führte zur Ausbildung zwar wenig produktionskräftiger, aber artenreicher und blumenbunter Magerweiden und Magerwiesen, die sich aus Arten zusammensetzten, die auf den genannten Sonderstandorten schon im Gebiet heimisch waren oder aus den östlichen Steppen oder südlichen Grasfluren einwanderten," so zu lesen im Österreichischen Trockenrasenkatalog von 1986 (erstellt vom botanischen Institut der BOKU Wien).

Nachhaltige Schafe

Weiter: "Die Schafzucht, die in den meisten, für den Ackerbau ungünstigen Lagen eine große Rolle gespielt hatte, brach wegen der Einfuhr billiger Wolle aus Übersee zusammen. Dies geschah z. B. im Sandgebiet des niederösterreichischen Marchfeldes. Dort wurden die ehemaligen Wanderdünen durch Trockenrasen befestigt, die heute zu verbuschen beginnen. Die Pflanzenarten des offenen Sandes sind hier schon fast gänzlich verschwunden. In den meisten Ackerbaugebieten ging man zur ganzjährigen Stallhaltung über, wodurch die Weideflächenüberflüssig wurden."

Reinhard Maniszewska mit den Schafen

Schäferalltag

Im Winter sind die Schafe noch im Stall, der mittels selbst gebauter Modultrennwände beliebig verändert werden kann. Bevor sie im Frühling auf die Weiden gelassen werden können, gibt es allerhand zu tun. Reinhard hat im Frühling vergangenen Jahres beim "letzten Schäfer vom Wienerwald" (Zitat Kurier) Erich Frank auf dem Bio-Schafhof Sonnleitner in Wopfing ein Praktikum gemacht und dort sehr viel gelernt.

Um die Bio-Zertifizierung auch in Lassee zu erreichen, müssen strenge Auflagen erfüllt werden. In der Stallhaltung müssen z.B. jedem Mutterschaf 2 Quadratmeter zur Verfügung stehen, derzeit gibt es 31 Zibben (Mutterschafe), davon etwa 25 trächtig, und einen Bock. Schafe können einmal im Jahr tragen und die Tragezeit beträgt 145 Tage.

Zukünftig soll eine Herde mit 120 Tieren die Beweidung betreiben. Die Krainer Steinschafe sind eine bedrohte Tierrasse, von 350.000 Schafen in Österreich sind nur 3.000 Krainer Steinschafe.

Tägliche Kontrollen

Reinhard öffnet jeden Tag in der Früh den Stall, um giftige Dämpfe rauszulassen. Danach kontrolliert er die Tränke und den Tank. Ein Schaf säuft zwei Liter Wasser und frisst 2 Kilo Heu pro Tag. Gefüttert werden per Hand dabei außerdem Pellets als Leckerlis und Kraftnahrung für den Winter. Nun wird jedes Schaf kontrolliert, das ist auch für die Beziehung zu jedem Tier wichtig. Beim Fotoshooting wird das auch schön sichtbar, als Reinhard in den Stall zu seinen Tieren geht.

Der Einstreu wird je nach Verschmutzung alle 1-2 Wochen gewechselt und als "Klospülung" Urgesteinsmehl gestreut. Am Ende der Wintersaison wird der ganze Stall mit dem Bagger ausgemistet.

Große Projekte

Rundum den Stall plant die Gemeinde weitere ambitionierte Projekte. So sollen in den gesamt 10.000 Quadratmeter großen Gebiet der "Generationencampus 2030" entstehen. Neben einem Kindergarten soll auch ein Tageszentrum für Senior_innen gebaut werden. In den Begegnungszonen werden Hochbeete und  ein Streichelzoo angeschlossen..

Ursula und Reinhard schmieden auch Pläne zur Nachhaltigkeit. Mit dem Ziel von Kreislaufwirtschaft kann beispielsweise die geschorene Schafswolle als Düngemittel eingesetzt werden. Auch wenn die Förderung mit 100.000,- Euro doch recht knapp ist und Reinhard seinen Privat-PKW benutzen muss, sollen zwei Hunde den Schäfer unterstützen. Hier wird an eine Kooperation mit Hundeausbildner_innen gedacht. Weiters  kann durch die Verstärkung von Transitarbeiter_innen eine umfassendere Begleitung der Schafherde gewährleistet werden. Peter Reicher von WUK bio.pflanzen wird außerdem als Außenstellenmitarbeiter das Büro in Lassee zusätzlich beleben.

Wer die wachsende Gemeinde Lassee und das schöne Projekte besuchen möchte, sollte sich auch vorher im Museum für Trockenrasen anmelden. Reinhard macht großartigen Kaffee.

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