Selling Out Is The New Keeping It Real

Zwei Frauen im Badeanzug auf einer Autobrücke im Regen.
Artpiece Sascha Hundorff, "Real Time Systems LA"
© Sascha Hundorff

Selling Out Is The New Keeping It Real

"human product" in der Kunsthalle Exnergasse

Die an der Ausstellung teilnehmende Künstlerin Kristin Klein sinniert über die in Dresden stattgefundene erste Edition von International Topsellers, zieht Parallelen zu Vermarktung und Ausverkauf von Kunst und erfragt den Verbleib von Widerstand und Rebellion.

Von dem Kollektiv von Künstler_innen der Dresdner Ausstellungsräume C. Rockefeller Center for the contemporary Arts und S T O R E contemporary konzipiert, entstand das Ausstellungsformat International Topsellersim Jahr 2016. Umgesetzt wurden dabei Interventionen im urbanen Raum, die den Alltag zum Ausstellungsort und die Stadtbewohner_innen zu Protagonist_innen verwandelten.
Die dritte Edition von International Topsellers mit dem Untertitel "human product" macht Halt in der Kunsthalle Exnergasse im WUK, versteht sich als performatives Event und raumgreifende Installation.

Showing Off

Wer erst die Flachware und das artig aufgestellte Ausstellungsmobiliar auf der Dresdner Künstlermesse hinter sich gelassen hatte und stattdessen von den atmosphärischen Klängen der DJs eingeatmet wurde, fand sich im Jänner 2016 schließlich inmitten der Dresden International Topsellers wieder. Fünf Tänzer_innen der Semper Oper und der Forsythe-Company performten dort, zu elektronischer Musik und verschiedenen Visuals, Werke von insgesamt 32 Künstler_innen. Ein hedonistisches Hybrid aus Verkaufsshow, Showing off und hyperreal gewordener Fiktionen entstand und feuerte so manche emphatische Geste auf ihr Publikum.

Ein zentral im Raum installiertes Gerüst diente der Präsentation der Kunstwerke, um das herum und durch das hindurch sich bewegend die Tänzer_innen ihre post-ironische Aussprache mit den Arbeiten formulierten: Aus Bomberjacken im Asia-Style, behaarter Schweinezunge, Acryl auf Leinwand, mit Parolen bedruckten Fahnen… webten sie eine temporäre Syntax, die sie unermüdlich wieder in eine neue aufbrachen – rennend, euphorisch, laut und stark, einsam und verlegen, suchend und chaotisch, trugen sie die Kunstwerke, tanzten sie mit diesen, gingen liebevolle Beziehungen mit ihnen ein, schmissen den Zuschauenden Ernstgemeintes genauso entgegen wie sanfte Beiläufigkeiten. Wer bis zum Ende blieb, konnte sich einlullen lassen von den gesungenen Ausläufern von "A beautiful Nightmare". Auch eine treffende Beschreibung für manch aktuelle Situation.

Dresden International Topsellers 2016

Branding and Trending

Mit geradezu athletischen Ambitionen und mit ebenso gekonnter Leichtfüßigkeit buchstabiert die Kunst seit einiger Zeit Remix, Mash-up, Zitat, Plagiat, Manipulation und Live-Stream durch. Jedes Material, jede Idee, jede (künstlerische) Äußerung kann dabei zum Impuls für die eigene Arbeit werden, gewissermaßen ready-made und fertig zur weiteren Anwendung – just click and apply.Man schwimmt lieber mit, surft auf sorgsam abgepassten Trendwellen, als sich mühevoll gegen den Strom zu richten.

Der Glaube an die Wirkmacht von tradierten Formen der Kritik ist ohnehin längst in Managementdiskursen und Werbeindustrie aufgegangen. Mit den Worten Armen Avenessians: „Die etablierten künstlerischen Formen von Reflexion und Kritik greifen nicht mehr, weil der Kapitalismus selbst ein ästhetischer, innovativer und kritischer ist.“1Anonymus-Masken und Che Guevara-T-Shirts? Verkaufsschlager. Eine fein abgestimmte Inszenierungsmaschinerie vermarktet alle erdenklichen Fiktionen, verkauft Verwegenheit über Automarken, Männlichkeit als "Axe-Effect" und presst Rebellion in Zigarettenpackungen und Haargeltuben. Branding offeriert sich als nützliche Reduktion von Komplexität in unüberschaubaren Gegenwarten: Marken werden zu Gefühlen werden zu Einstellungen werden zu Mimik, werden zur Gestik werden zu Erwartungen über die Zukunft, zu Glücksversprechen und konsumierbaren Vorstellungen über Authentizität und Realness, die sich wiederum in Marken übersetzen lassen. In der Kunst heißt es unterdessen konsequent: "Selling Out Is The New Keeping It Real". Man will hier gar nicht so tun, als ob Widerständigkeit und Rebellion noch Spezialeffekte des Kunstbetriebs seien. Lieber befasst man sich mit den produktiven Seiten des eigenen Tuns und betont den Fun-Factor. Kommen Sie und kaufen Sie sich was Schönes.

Zwei Personen in Uniformen bestehend aus Regenbogenstoff und Subwaymap-Stoff überqueren eine amerikanische Kreuzung.
Artpiece Eric Winkler, "Real Time Systems LA", "Uniforms"
© Eric Winkler

1 Avanessian, Armen: Use The System To Fuck The System. Armen Avanessian im Interview mit Audrey-Djouadi: http://quottom.com/armen-avanessian

Text von Kristin Klein

Kristin Klein (Köln/Berlin/Dresden) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst & Kunsttheorie der Universität zu Köln. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kunst und Bildung in der Allgegenwart des Internets und insbesondere Fragen zu immaterial labor und mixed reality.

International Topsellers

Do 22.6. bis 24.6.
Kunsthalle Exnergasse
Eröffnung: Mi 21.6., 19 Uhr

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Full outdoor shot of a small fire burning in the ground. The fire is of a simple wooden frame, a scaffold burning. Flames are rising from the fire, and the smoke is visible. The ground is a dark brown/grey dirt. A pile of dried leaves and organic matter surrounds the fire. A brick wall is behind the fire pit, in a light tan/beige color. The text "malda už Lauryn" is visible at the top of the image, and "a prayer for Lauryn" is written at the bottom. The overall impression is of a melancholic or ritualistic scene, lit by the firelight. The colors are muted and the style evocative of vintage or an older kind of photography.

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