Been Caught Stealing

Foto von einer Gewista-Plakatwand, auf die ein neongelbes Konzertplakat von Charles Manson angebracht wurde.
Herbert De Colle, 100 Konzertplakate im öffentlichen Raum, Wien, 2009

Been Caught Stealing

Wenn Politisches und Entertainment verschwimmen

Die Ausstellung "Been Caught Stealing" mit Arbeiten u.a. von Oliver Laric, Shahin Afrassiabi und Herbert De Colle rückt Beziehungen zwischen virtueller Realität, Musikvideos, Social Media und der Gaming Culture ins Zentrum. Vertraute Bildsprachen werden dabei auf ihre subversiven Inhalte untersucht und Handlungsspielräume im eng gewobenen Netz der Unterhaltungsindustrie gezeigt.

I walk right through the door.
Walk right through the door.

Hey all right! If I get by, it's mine.
Mine all mine!

Jane’s Addiction, Been Caught Stealing, 1990

Das Video zum Song „Been Caught Stealing der Band Jane’s Addiction gilt als eines der einflussreichsten Musikvideos der Slacker-/Grunge-Kultur der frühen 90er Jahre. Auf MTV in Dauerschleife gespielt, leitet es auch gleichzeitig die Alternative-Phase des Musiksenders ein, in der es für kurze Zeit zu einer vermutlich einzigartigen, wenn auch nicht unproblematischen Verbindung von Mainstream- und Underground-Kultur kommt. In diesem Umfeld entsteht ein von post-'68, aber auch von der Reagan-Ära und deren Gegenkulturen geprägter alternativer Raum. In den interaktiven Formaten von MTV wird gleichzeitig eine erste Ahnung der neoliberalen Konsequenzen von virtueller Realität, Social Media und einer marktstrategischen Überführung von Hollywood-Blockbuster-Formaten in die Gaming Culture spürbar. Aus diesem widersprüchlichen Zustand heraus versammelt die nach dem Video betitelte Ausstellung Been Caught Stealing in der Kunsthalle Exnergasse, Werke von Künstler_innen, die von dieser Konstellation in ihren Arbeitsweisen sensibilisiert wurden. Mit Augenmerk auf die politische Relevanz des Mainstreams werden vertraute Bildsprachen disruptiv genutzt, auf ihr subversives Potential gefiltert und in ihre Einzelteile zerlegt.

Auch die mitunter intensive Sozialisierung durch die Computerspiele der späten 80er und frühen 90er Jahre bleibt nicht ohne Konsequenzen im ästhetischen System der Künstler_innen. Gerade in Bezug auf die Vorstellung von virtuellem Raum und Interaktivität dienten etwa Adventure Games und Rollenspiele als Vorbereitung vieler Funktionen, die in Folge ganz selbstverständlich in den Social Media übernommen wurden. Das Verständnis von Raum und Interaktivität war aber in diesen Spielen oft überraschend subversiv – fast immer gibt es dort einen prototypischen Antihelden, den Underdog, der nur durch sympathisches Umgehen der Regeln das Ziel erreichen kann. Ähnlich hatte auch das noch junge Genre des Musikvideos lange Zeit den Vorteil, in seinen politischen Möglichkeiten nicht ernst genommen zu werden und konnte daher einen viel größeren Handlungsspielraum genießen als es etwa im Mainstream-Hollywoodkino der Fall war. Aus diesem kurzfristig luftleeren Raum ergibt sich wohl eine spezifische Idee von künstlerischer Freiheit, verbunden mit der Freude an einer Handlungsweise, die spielerisches Tricksen und slackerhaftes Zeit Totschlagen als Modus der Subversion einsetzt. Es geht dabei um vordergründig harmlose, aber nicht weniger signifikante Interaktionen im eng gewobenen Netz der Unterhaltungsindustrie – also sozusagen „getting away with it!“

Repräsentativ für dieses Mindset sind etwa die Arbeiten des in Berlin lebenden Künstlers Oliver Laric. Laric erklärt mit seinen Arbeiten Bildhierarchien für irrelevant. In seinem 2012 gestarteten Projekt lässt er 3D-Scans von Objekten aus den Sammlungen der Usher Gallery und The Collection in Lincoln anfertigen und stellt diese als Downloads auf der Website zur Verfügung. So sind sie frei zugänglich, aber auch ganz bewusst – sowohl als reale 3D-Drucke als auch als digitale, in den virtuellen Raum wieder eingeschleuste Modelle – manipulierbar. Sie tauchen z.B. als Skulptur im privaten virtuellen Museum wieder auf und befinden sich somit im Sinne Laric's als „Version“, nicht als Kopie vollkommen in kollektivem Besitz.

Eine Form der Verweigerung ist auch in den aus einfachsten Materialien gebauten, einer Matrix nicht unähnlichen, „Koordinatensystemen“ des Londoner Künstlers Shahin Afrassiabi bemerkbar. Er sieht diese als ästhetische Leerformen, als sozio-kulturelle „zero points“sozusagen, die lediglich als gedanklicher Projektions- und Referenzraum dienen. In diese minimalistischen Settings zwischen abstrakter Malerei und architektonischer Struktur setzt er Prints von zuvor vom Laptop Screen abfotografierten, von Google Earth erfassten und mitunter fehlerhaft zusammengesetzten Szenerien.

Oliver Laric, Still aus „Versions“, single channel video, 2012. Courtesy: Seventeen, London und
Tanya Leighton, Berlin

Die aus Los Angeles stammende Band 18+ wiederum agiert an der Schnittstelle von Musik- und Kunstvideo. Auch hier scheinen Kategorisierungen vollkommen ausgehebelt zu sein. Das Material für ihre Videos beziehen sie aus „Second Life“-Interaktionen, CGI-Animationen und Found Footage. Der Wiener Künstler Herbert De Colle wiederum kündigt mit Plakat-Aktionen im urbanen Raum fiktive Konzerte wie etwa von Charles Manson an (zum angegeben Ort und Zeitpunkt spielen aber Franz Ferdinand) und nimmt somit einen gezielten Eingriff in die Wahrnehmung von öffentlichem Raum und Zeit vor.

So begibt sich auch die Ausstellung auf die Suche nach einem Raum, in dem Politisches und Entertainment verschwimmen und betrachtet kollektiv erlebte Popkultur als wieder aufsuchbaren Ort der Interaktion, wo Kategorien wie highbrow und lowbrow verschwinden bzw. innerhalb derer ein Switchen mühelos möglich ist.

Text von Hannes Ribaritsund Li Tasser

Been Caught Stealing

18+, Shahin Afrassiabi, Carrick Bell, Harry Burden, Herbert De Colle, Marc-Alexandre Dumoulin, Oliver Laric, Maruša Sagadin.
Kuratiert von Hannes Ribarits und Li Tasser.

Eröffnung: Mi 7.5., 19 Uhr
Ausstellung: Do 8.5. – Sa 14.6.
Kunsthalle Exnergasse, Eintritt frei

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